Bay­ern: Die GEW Bay­ern for­dert zum Schul­be­ginn deut­lich mehr Anstren­gun­gen der Staats­re­gie­rung für Gesund­heits­schutz und Bildungsqualität

Der Man­gel an Lehr­kräf­ten an den Grund‑, Mit­tel- und För­der­schu­len hat in Bay­ern dra­ma­ti­sche Aus­ma­ße erreicht – dar­an ändern auch Pia­zo­los Wort­spie­le­rei­en nichts. In man­chen Berei­chen kön­nen zwei Drit­tel der frei­en Stel­len nicht mit aus­ge­bil­de­ten Lehr­kräf­ten besetzt wer­den. Das System droht „an die Wand zu fah­ren“ – die­se Situa­ti­on hat­ten wir bereits im Febru­ar, also vor Coro­na. Die Pan­de­mie ver­schärft den Lehr­kräf­te­man­gel noch ein­mal deut­lich: Lehrer*innen, die einer Risi­ko­grup­pe ange­hö­ren, fal­len für den Prä­senz­un­ter­richt aus. Es ist von mehr als 6000 Betrof­fe­nen die Rede.

Die Staats­re­gie­rung ver­sucht, die Lücken mit Team­lehr­kräf­ten, Zweitqualifizierer*innen, pen­sio­nier­ten Lehrer*innen (Das in Zei­ten von Coro­na!) und soge­nann­ten Dritt­kräf­ten zu fül­len – die Erfah­run­gen der letz­ten Jah­re zei­gen, dass das nicht gelin­gen wird. Die Fol­gen für den Arbeits­all­tag der Lehr­kräf­te, die bereits an den Schu­len sind, sind gra­vie­rend: Fach­frem­de Kolleg*innen müs­sen auf­wän­dig ein­ge­ar­bei­tet wer­den, zuneh­men­de Aus­fäl­le wegen Erkran­kun­gen füh­ren zum Auf­tei­len von ver­wai­sten Klas­sen, not­wen­di­ge Dop­pel­be­set­zun­gen wer­den gestri­chen. Oft­mals ist an einen gere­gel­ten Unter­richt nicht mehr zu den­ken. Die­se Situa­ti­on haben wir seit min­de­stens 5 Jah­ren. Statt in die­ser Situa­ti­on an die Gesund­heit der Kolleg*innen zu den­ken und Ent­la­stun­gen zu ermög­li­chen, hat das Kul­tus­mi­ni­ste­ri­um die Dau­men­schrau­ben mit dem „Pia­zo­lo­pa­ket“ noch ange­zo­gen: ver­län­ger­te Lebens­ar­beits­zeit, eine Wochen­un­ter­richts­stun­de mehr und eine sehr hohe Min­dest­teil­zeit. Damit wird eine fort­schrei­ten­de Ver­schär­fung der Arbeits­be­din­gun­gen an den Schu­len in Kauf genom­men. Not­wen­dig sind jetzt drin­gend kon­kre­te Maß­nah­men, um einer­seits die Bil­dungs­qua­li­tät soweit irgend mög­lich zu erhal­ten. Ande­rer­seits muss aber auch an Ent­la­stun­gen gedacht wer­den, um die Gesund­heit der Pädagog*innen zu schüt­zen und zu erhal­ten. Dazu schlägt die GEW die­se Maß­nah­men vor:

1. Über­nah­me mög­lichst aller aus­ge­bil­de­ten Gym­na­si­al- und Real­schul­lehr­kräf­te ins Beam­ten-ver­hält­nis mit A 13. Ein­satz an Gym­na­si­en und Real­schu­len oder eben auch an Grund‑, Mit­tel- und Förderschulen

2. Den Lehrer*innenberuf attrak­ti­ver machen: A 13 als Ein­gangs­be­sol­dung für alle Lehrer*innen. Das haben inzwi­schen zahl­rei­che ande­re Bun­des­län­der so umge­setzt. Auf­stiegs­mög­lich­kei­ten wie an den Gym­na­si­en für alle Lehr­äm­ter. Bes­se­re Bezah­lung für Fach- und Förderlehrer*innen, heil­päd­ago­gi­sche Förderlehrer*innen, heil­päd­ago­gi­sche Unter­richts­hil­fen und Werklehrer*innen

3. Sofor­ti­ge aus­rei­chen­de Erhö­hung der Zahl der Stu­di­en­plät­ze für alle betrof­fe­nen Lehrämter

4. Eine weit­rei­chen­de Reform der Lehrkräfteausbildung

5. Eine vor­über­ge­hen­de Redu­zie­rung der Stun­den­ta­fel, um für alle Schüler*innen flä­chen­deckend qua­li­fi­zier­te Bil­dungs­an­ge­bo­te zu sichern und um zu ver­hin­dern, dass Unter­richt immer mehr zum blo­ßen Beauf­sich­ti­gen von Schüler*innen verkommt.

Der Arbeits- und Gesund­heits­schutz für die Lehr­kräf­te in Bay­ern ist nicht geset­zes­kon­form, also man­gel­haft. Auch hier ver­schärft die Pan­de­mie die Lage. Das Kul­tus­mi­ni­ste­ri­um hat den Hygie­ne­plan für die Schu­len vom 1. 8. in der jetzt gül­ti­gen Ver­si­on vom 2. 9. deut­lich aufgeweicht.

Die Mas­ken­pflicht im Unter­richt, nach den ersten neun Schul­ta­gen, gilt jetzt erst ab dem Sie­ben-Tage-Inzi­denz-Grenz­wert von 35 neu erfass­ten Infek­tio­nen pro 100.000 Einwohner*innen. Davor lag die­ser Grenz­wert bei 20.

Die näch­ste Stu­fe, der Über­gang zum Wech­sel von Distanz- und Prä­senz­un­ter­richt, soll jetzt erst ab dem Grenz­wert 50 in Kraft gesetzt wer­den. Als das All­heil­mit­tel gegen feh­len­de Abstän­de wird nun das regel­mä­ßi­ge Lüf­ten geprie­sen. Spä­te­stens im Novem­ber wird die­ses Kon­zept an sei­ne Gren­zen stoßen.

Die Arbeits­schutz­re­gel SARS COV 2 der Bun­des­an­stalt für Arbeits­schutz und Arbeits­me­di­zin, für alle Arbeits­plät­ze in Deutsch­land ver­pflich­tend, legt eine ganz kla­re Rei­hen­fol­ge fest: 1. tech­ni­sche Maß­nah­men wie z. B. Raum­luft­rei­ni­ger, dann 2. orga­ni­sa­to­ri­sche Maß­nah­men wie klei­ne Lern­grup­pen und erst 3. die per­so­nen­be­zo­ge­nen Maß­nah­men wie Mas­ken­pflicht. Raum­luft­rei­ni­ger sind wis­sen­schaft­li­chen Unter­su­chun­gen zufol­ge sehr effek­tiv beim Her­aus­fil­tern von Aero­so­len aus der Raum­luft. Die Gerä­te müs­sen ab sofort ange­schafft werden.

Die GEW Bay­ern kann die Mas­ken­pflicht für die ersten neun Schul­ta­ge nach­voll­zie­hen, weil sie vor dem Hin­ter­grund des schwa­chen Gesamt­kon­zep­tes der Staats­re­gie­rung rela­tiv schnell umsetz­bar ist. Die Mas­ke ist jedoch im Unter­richt päd­ago­gisch schwie­rig, da das Spre­chen und Ver­ste­hen einen hohen Stel­len­wert hat und die Mimik für das Feed­back an die Schüler*innen eine wich­ti­ge Funk­ti­on besitzt.

Gera­de in den wei­ter­füh­ren­den Schu­len wird es nicht mög­lich sein, die Schüler*innen in festen Lern­grup­pen zu orga­ni­sie­ren. So ist es sogar mög­lich, Schüler*innen über die Jahr­gangs­stu­fen hin­weg zu mischen. Es ent­ste­hen jeden Tag Hun­der­te Kon­tak­te unter sehr gerin­gen Schutzvorkehrungen.

Die Kolleg*innen füh­len sich daher zurecht wie in einem Feld­ver­such und ban­gen um ihre Gesund­heit. Die gesetz­li­chen Vor­ga­ben zum Gesund­heits­schutz wer­den an den wenig­sten Schu­len umge­setzt: An jeder ein­zel­nen Schu­le muss eine Gefähr­dungs­be­ur­tei­lung erstellt wer­den. Dann sind unter Mit­be­stim­mung des Per­so­nal­ra­tes geeig­ne­te Hygie­ne­re­geln fest­zu­le­gen. Und an die­ser Stel­le sei noch ein­mal betont: die baye­ri­schen Schu­len brau­chen drin­gend die gesetz­lich vor­ge­schrie­be­ne Unter­stüt­zung durch Betriebsärzt*innen und Fach­kräf­te für Arbeits­si­cher­heit. Für die 130.000 Lehrer*innen in Bay­ern gibt es gera­de ein­mal zwei Betriebsärzt*innen und zwei hal­be Stel­len für Fach­kräf­te für Arbeitssicherheit.

Sehr bald nach Beginn der Coro­na-Kri­se wur­den die mas­si­ven Defi­zi­te des baye­ri­schen Schul-systems beim The­ma „Digi­ta­li­sie­rung“ mehr als deut­lich. Die For­de­run­gen der GEW Bay­ern hierzu:

· Dienst­ge­rä­te für alle baye­ri­schen Lehr­kräf­te für daten­schutz­kon­for­men online-Unterricht

· Alle Schüler*innen müs­sen auch im online-Unter­richt erreicht wer­den. Daher muss arbeits­recht­lich dafür Sor­ge getra­gen wer­den, dass berufs­tä­ti­gen Eltern ggf. die bezahl­te Frei­stel­lung von ihrer Arbeit gewährt wird, damit sie ihre Kin­der beim online-Unter­richt unter­stüt­zen kön­nen. Wenn Eltern die­se Unter­stüt­zung nicht mög­lich ist, müs­sen z.B. Ange­bo­te der Jugend­hil­fe geschaf­fen werden.

· Sicher­stel­len, dass alle Schüler*innen sowohl mit Inter­net­an­schlüs­sen als auch mit End­ge­rä­ten aus­ge­stat­tet sind, um sich am online-Unter­richt zu beteiligen

· Video­platt­form für den online-Unter­richt, auf eige­nen Ser­vern, z.B. big blue but­ton, damit die Daten der Schüler*innen- und Lehrer*innen sicher sind

· Fort­bil­dun­gen für „bedürf­ti­ge“ Lehr­kräf­te im Bereich der Digi­ta­li­sie­rung inten­si­vie­ren und Arbeits­zeit dafür zur Ver­fü­gung stellen