For­schungs­team der FAU unter­sucht Krank­heits­ver­läu­fe bei Schlaganfall

Unter­su­chungs­zeit­raum von 20 Jah­ren zeigt hohe Sterb­lich­keits­ra­te und Wiederholungsgefahr

Nach einem Schlag­an­fall vari­ie­ren die Über­le­bens­chan­cen und das Risi­ko eines zwei­ten Anfalls inner­halb der fol­gen­den Jah­re stark – je nach Aus­lö­ser. Das haben For­sche­rin­nen und For­scher der Fried­rich-Alex­an­der-Uni­ver­si­tät Erlan­gen-Nürn­berg (FAU) und der Uni­ver­si­tät Würz­burg in einer gemein­sa­men Stu­die her­aus­ge­fun­den. Die Ergeb­nis­se wur­den in der Fach­zeit­schrift Stro­ke* veröffentlicht.

Der Schlag­an­fall ist in Deutsch­land nach Herz- und Krebs­er­kran­kun­gen die dritt­häu­fig­ste Todes­ur­sa­che und die häu­fig­ste Ursa­che für blei­ben­de Behin­de­run­gen im Erwach­se­nen­al­ter. Rund 200.000 Män­ner und Frau­en sind jähr­lich davon neu betrof­fen, etwa 66.000 erlei­den zum wie­der­hol­ten Mal einen Schlag­an­fall. Die häu­fig­ste Form ist der soge­nann­te ischä­mi­sche Schlag­an­fall: ein Hirn­in­farkt, der durch eine Min­der­durch­blu­tung des Gehirns aus­ge­löst wird, häu­fig ver­ur­sacht durch ein Blutgerinnsel.

Ein For­schungs­team um Prof. Dr. Peter Kolom­in­sky-Rabas von der FAU, Vik­to­ria Rück­er und Prof. Dr. Peter U. Heusch­mann, bei­de von der Uni­ver­si­tät Würz­burg, hat jetzt neue Erkennt­nis­se über die Sterb­lich­keit und die Wie­der­ho­lungs­ra­ten nach einem ischä­mi­schen Schlag­an­fall gewon­nen. Der Lei­ter des Inter­dis­zi­pli­nä­ren Zen­trums für Health Tech­no­lo­gy Assess­ment und Public Health, Prof. Kolom­in­sky-Rabas, hat bereits 1994 das Erlan­ger Schlag­an­fall-Regi­ster (ESPRO) gegrün­det, des­sen umfang­rei­che Daten die Grund­la­ge für die aktu­el­le Stu­die bil­den. Die Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler konn­ten so Krank­heits­ver­läu­fe über einen Zeit­raum von 20 Jah­ren hin­weg ver­fol­gen. „Mit den im ESPRO erho­be­nen Daten kön­nen wir die gesam­te Ver­sor­gungs­ket­te von Akut­be­hand­lung, Prä­ven­ti­on, Reha­bi­li­ta­ti­on und Lang­zeit-Pfle­ge ver­fol­gen“, erläu­tert Peter Kolom­in­sky-Rabas. „Dadurch gewin­nen wir immer mehr Erkennt­nis­se über den Schlag­an­fall, die rele­vant für die Ver­sor­gungs­pla­nung sind.“

Fast jeder Zwei­te stirbt inner­halb von fünf Jahren

In der aktu­el­len Stu­die zeig­ten sich hohe Raten sowohl für die Sterb­lich­keit als auch die Wie­der­ho­lungs­fäl­le: Fast jeder zwei­te Pati­ent bzw. jede zwei­te Pati­en­tin stirbt inner­halb von fünf Jah­ren nach dem ersten Schlag­an­fall. Jeder fünf­te bzw. jede fünf­te erlei­det einen erneu­ten Schlag­an­fall inner­halb von fünf Jah­ren. Dabei ist die Wahr­schein­lich­keit, zu ster­ben, mit 49,6 Pro­zent bei Frau­en etwas höher als bei Män­nern (41,8 Prozent).

Das Lang­zeit­über­le­ben und die Wie­der­ho­lungs­ra­te unter­schie­den sich jedoch erheb­lich je nach Ursa­che des ersten Schlag­an­falls: So haben Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten, deren Schlag­an­fall durch den Ver­schluss klei­ner Arte­ri­en aus­ge­löst wur­de, die höch­ste Über­le­bens­wahr­schein­lich­keit nach fünf Jah­ren. Dage­gen liegt die­se Rate bei Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten mit einem soge­nann­ten kar­dio­em­bo­li­schen Schlag­an­fall, der unter ande­rem durch Vor­hof­flim­mern ver­ur­sacht wer­den kann, am niedrigsten.

Die Gefahr, inner­halb von fünf Jah­ren einen erneu­ten Schlag­an­fall zu erlei­den, war bei Ver­en­gun­gen der klei­nen Hirn­ge­fä­ße (Mikro­an­gio­pa­thie) und bei Abla­ge­run­gen der gro­ßen hirn­ver­sor­gen­den Gefä­ße (Makro­an­gio­pa­thie) beson­ders gering.

Über­le­bens­wahr­schein­lich­keit ist gestiegen

Was die Zah­len auch zei­gen: In den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten hat sich in Erlan­gen die Über­le­bens­wahr­schein­lich­keit nach einem ischä­mi­schen Schlag­an­fall deut­lich ver­bes­sert – und zwar über alle Schlag­an­fall-Sub­ty­pen hin­weg. Dies steht im Ein­klang mit der bun­des­wei­ten Ent­wick­lung. Mög­li­che Erklä­run­gen sind Ver­bes­se­run­gen bei den Behand­lungs­mög­lich­kei­ten und im Umgang mit der Erkran­kung, etwa die Ein­rich­tung von soge­nann­ten Stro­ke Units, also Schlaganfallspezialstationen.

Das For­schungs­team unter­such­te für sei­ne Stu­die Daten von 3.346 Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten aus dem Zeit­raum 1996 bis 2015, die für das Erlan­ger Schlag­an­fall-Regi­ster erho­ben wurden.

Erlan­ger Schlag­an­fall-Regi­ster: 26 Jah­re Versorgungsforschung

Das ESPRO erhebt seit 1994 fort­lau­fend Daten zu Epi­de­mio­lo­gie, Krank­heits­ver­lauf, Ver­sor­gung und Gesund­heits­öko­no­mie der Volks­krank­heit Schlag­an­fall (www​.schlag​an​fall​-regi​ster​.de). Damit ist es eines der älte­sten Regi­ster die­ser Art welt­weit – und mit 9.100 Ereig­nis­sen das größ­te bevöl­ke­rungs­ba­sier­te Schlag­an­fall-Regi­ster in Deutsch­land. Wegen sei­nes Allein­stel­lungs­merk­mals wird es seit 2000 vom Bun­des­mi­ni­ste­ri­um für Gesund­heit geför­dert. Die Anschub­fi­nan­zie­rung im Jahr 1994 lei­ste­te das Baye­ri­sche Staats­mi­ni­ste­ri­um für Gesund­heit und Pflege.

Das ESPRO konn­te erst­ma­lig für Deutsch­land belast­ba­re, bevöl­ke­rungs­ba­sier­te Zah­len zur Ver­brei­tung und Sterb­lich­keit des Schlag­an­falls vor­le­gen und dar­auf auf­bau­end – wie in der aktu­el­len Stu­die – zeit­li­che Trends berichten.

Ein­ge­schlos­sen wer­den mög­lichst alle Schlag­an­fäl­le, die inner­halb der Stadt Erlan­gen (Ein­woh­ner­zahl 2020: 113.960) dia­gno­sti­ziert wer­den. Die erfass­ten Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten wer­den einem eng­ma­schi­gen Ver­laufs­mo­ni­to­ring unter­zo­gen und in Abstän­den von drei und 12 Mona­ten und danach jähr­lich bis zum Lebens­en­de wei­ter­ver­folgt. So wer­den vom ersten Tag der Erkran­kung an etwa Risi­ko­fak­to­ren, erneu­te Schlag­an­fäl­le und Spät­fol­gen erfasst. Die­se lang­fri­sti­ge Nach­be­ob­ach­tung ermög­licht eine umfas­sen­de Ver­sor­gungs­for­schung zur Volks­krank­heit Schlag­an­fall. Direk­te Infor­ma­tio­nen zum Ver­lauf der Erkran­kung, deren Behand­lung und Ver­sor­gung kön­nen aus den Regi­ster­da­ten abge­le­sen und in Prä­ven­ti­ons­me­di­zin, The­ra­pie und Ver­sor­gungs­pla­nung ein­ge­bracht wer­den. Die­se Dar­stel­lung der gesam­ten Ver­sor­gungs­ket­te ermög­licht nicht nur die Iden­ti­fi­ka­ti­on von Berei­chen der Über‑, Unter- und Fehl­ver­sor­gung, son­dern auch eine Bewer­tung der Langzeitversorgung.