Uni­ver­si­tät Bam­berg: Leh­re und Stu­di­um unter Corona-Einfluss

Symbolbild Bildung

„Die Her­aus­for­de­run­gen für Leh­ren­de und Stu­die­ren­de sind mir bewusst“

Vize­prä­si­dent Leh­re und Stu­die­ren­de Frith­jof Grell spricht über Her­aus­for­de­run­gen, Ent­schei­dun­gen und Lösun­gen wäh­rend der Corona-Pandemie.

Die Vor­le­sungs­zeit ist vor­bei und damit neigt sich auch ein Seme­ster vol­ler Her­aus­for­de­run­gen und Tur­bu­len­zen dem Ende zu. Die Coro­na-Pan­de­mie hat­te und hat auch die Uni­ver­si­tät Bam­berg fest im Griff. Grund genug, um mit Prof. Dr. Frith­jof Grell, Vize­prä­si­dent Leh­re und Stu­die­ren­de, einen Blick zurück zu wer­fen auf ein außer­ge­wöhn­li­ches Seme­ster. Er beant­wor­tet zum Bei­spiel die Fra­gen, war­um der Ein­druck ent­stan­den sein könn­te, dass ande­re Uni­ver­si­tä­ten schnel­ler in ihren Ent­schei­dun­gen gewe­sen sei­en als Bam­berg und wie­so es kaum Online-Prü­fun­gen gibt.

Was war für Sie als Vize­prä­si­dent Leh­re und Stu­die­ren­de die größ­te Her­aus­for­de­rung im Som­mer­se­me­ster 2020?

Frith­jof Grell: Her­aus­for­de­run­gen gab sehr vie­le. Pri­mär galt es, die „Uni­ver­si­tas“ in ihrem eigent­li­chen Wort­sinn, also die Gemein­schaft der Leh­ren­den und Stu­die­ren­den unter­ein­an­der, aber auch mit­ein­an­der, zu gewähr­lei­sten. Leh­re ist nicht nur rei­ne Infor­ma­ti­ons­ver­mitt­lung und die Online-For­ma­te kön­nen trotz der viel­fäl­ti­gen Mög­lich­kei­ten die­sen per­sön­li­chen Aus­tausch, durch den eine Lern­ge­mein­schaft erst ent­steht, teil­wei­se nicht transportieren.

Haben Sie kon­kre­te Beispiele?

Eine her­aus­for­dern­de Auf­ga­be war die spon­ta­ne Umstel­lung der Leh­re auf Online-For­ma­te. Das Rechen­zen­trum hat hier tol­le Arbeit gelei­stet und neben tech­ni­scher auch didak­ti­sche Unter­stüt­zung ange­bo­ten, wie übri­gens auch vie­le Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen, die bereits Erfah­rung mit Online-Leh­re sam­meln konn­ten und ihr Wis­sen wei­ter­ge­ge­ben haben. Der Uni­ver­si­täts­lei­tung war es ein Anlie­gen, das Stu­di­um wei­ter­hin zu ermög­li­chen und das Som­mer­se­me­ster nicht zu einem „Null­se­me­ster“ wer­den zu las­sen. Dafür haben wir uns vehe­ment auch gegen­über dem Mini­ste­ri­um ein­ge­setzt, sodass ein „Bam­ber­ger Weg“ ent­stan­den ist: Dem uni­ver­si­tä­ren Bil­dungs­auf­trag nach­kom­men, solan­ge wir kön­nen und im Rah­men des­sen, was mög­lich ist. Damit ging unter ande­rem ein­her, schnellst­mög­lich die Teil­bi­blio­the­ken wie­der zu öff­nen sowie dort, wo unbe­dingt nötig, Prä­senz­ver­an­stal­tun­gen und Prü­fun­gen zu ermög­li­chen. Außer­dem war es wich­tig, schnell und trotz­dem kor­rekt zu kom­mu­ni­zie­ren – sowohl nach innen als auch nach außen. Hier­für wur­den die FAQ-Sei­ten auf­ge­baut. In der Leh­re wur­de der Vir­tu­el­le Cam­pus zur zen­tra­len Kom­mu­ni­ka­ti­ons- und Infor­ma­ti­ons­platt­form. Und über die Covid-19 Kon­takt­stel­le kön­nen sich Uni­ver­si­täts­an­ge­hö­ri­ge und Exter­ne mit ihren Anlie­gen an uns wenden.

Sei­tens eini­ger Leh­ren­der und Stu­die­ren­der wur­den Sie öfter mit dem Vor­wurf kon­fron­tiert, die Kom­mu­ni­ka­ti­on lie­fe teil­wei­se schlep­pend. Wie sehen Sie das?

Ich hat­te nicht den Ein­druck, dass die Kom­mu­ni­ka­ti­on schlep­pend lief. Ich könn­te mir vor­stel­len, dass der Ein­druck dadurch ent­stan­den ist, dass es teil­wei­se kaum mög­lich war, mit den Ereig­nis­sen Schritt zu hal­ten. Vom Mini­ste­ri­um kamen zeit­wei­se mehr­mals täg­lich neue Vor­ga­ben, die ad hoc umge­setzt und natür­lich auch kom­mu­ni­ziert wer­den muss­ten. Das haben wir über Rund­schrei­ben an die Uni­ver­si­täts­mit­glie­der, die FAQ-Sei­ten, das Info­por­tal der Home­page und über Social Media getan, sobald wir etwas sicher sagen konnten.

Bei eini­gen Stu­die­ren­den ent­stand der Ein­druck, dass man­che Ent­schei­dun­gen in Bam­berg spä­ter gefällt wur­den als an ande­ren baye­ri­schen Uni­ver­si­tä­ten. Kön­nen Sie sich das erklären?

Im Gegen­satz zu ande­ren Uni­ver­si­tä­ten haben wir uns dazu ent­schie­den, kei­ne vor­ei­li­gen Ankün­di­gun­gen zu machen, die wir im schlimm­sten Fall hät­ten wider­ru­fen müs­sen, was an ande­ren Uni­ver­si­tä­ten der Fall war. Das betraf ins­be­son­de­re Rege­lun­gen, bei denen wir stark auf Ent­schei­dun­gen des Mini­ste­ri­ums oder des Bun­des ange­wie­sen waren und sind, wie zum Bei­spiel Rege­lun­gen zur Höchst­stu­di­en­dau­er oder zum BAföG. Nach wie vor ist es uns wich­tig, klar zu beken­nen, wenn wir etwas noch nicht wis­sen und Infor­ma­tio­nen dann zu kom­mu­ni­zie­ren, wenn kon­kre­te Ent­schei­dun­gen fest­ste­hen. Sobald wir gesi­cher­te Infor­ma­tio­nen hat­ten, haben wir alles dar­an­ge­setzt, die nöti­gen Maß­nah­men so schnell wie mög­lich zu ergrei­fen. Wir waren bei­spiels­wei­se eine der ersten Uni­ver­si­tä­ten, die eine Coro­na-Sat­zung ver­ab­schie­det hat – in rekord­ver­däch­ti­ger Zeit von nicht ein­mal einer Woche.

Wie ist die Situa­ti­on an ande­ren Universitäten?

Seit Beginn der Coro­na­kri­se ste­he ich in engem Aus­tausch mit den Vize­prä­si­den­ten und Vize­prä­si­den­tin­nen für Leh­re und Stu­di­um der ande­ren baye­ri­schen Uni­ver­si­tä­ten. Das wich­tig­ste war für uns, eine gemein­sa­me Linie in der Coro­na­kri­se zu fin­den. Im Grun­de stan­den wir alle vor den glei­chen Her­aus­for­de­run­gen und haben ähn­li­che Lösun­gen gefun­den. Unter­schie­de im Detail las­sen sich auf die ver­schie­de­nen ört­li­chen Gege­ben­hei­ten und die unter­schied­li­che Grö­ße der Uni­ver­si­tä­ten zurückführen.

Wel­che Unter­schie­de sind das zum Beispiel?

Ob und wann die Uni­ver­si­täts­bi­blio­the­ken wie­der geöff­net wer­den konn­ten, war bei­spiels­wei­se von vie­len Fak­to­ren abhän­gig. Bei der Umset­zung der Infek­ti­ons­schutz­maß­nah­men­ver­ord­nung spiel­te es eine wich­ti­ge Rol­le, wie groß die Biblio­thek und die ein­zel­nen Lese­sä­le sind oder auch, wie die Ein- und Aus­gän­ge beschaf­fen sind. Bei gro­ßen Zen­tral­bi­blio­the­ken kön­nen bei­spiels­wei­se Staus leich­ter ver­mie­den wer­den als an unse­ren klei­ne­ren Teil­bi­blio­the­ken, für die wir jeweils eige­ne Hygie­ne­kon­zep­te ent­wickeln mussten.

Kön­nen Sie sich in die Situa­ti­on von Stu­die­ren­den und Leh­ren­den hin­ein­ver­set­zen und nach­voll­zie­hen, wie es ihnen geht?

Die Her­aus­for­de­run­gen für Leh­ren­de sind mir bewusst, zumal ich zu die­ser Grup­pe selbst gehö­re. Das Som­mer­se­me­ster ver­langt uns ein hohes Maß an Fle­xi­bi­li­tät ab und die aller­mei­sten haben sich den Gege­ben­hei­ten mit gro­ßem Enga­ge­ment ange­passt. Die Her­aus­for­de­run­gen für Stu­die­ren­de – sei­en es finan­zi­el­le oder auch die Stu­di­en­or­ga­ni­sa­ti­on betref­fen­de – sind mir eben­falls bewusst. Und wir haben alles, was in unse­rer Macht stand, ver­sucht, um Erleich­te­run­gen zu schaf­fen, etwa durch die finan­zi­el­le Unter­stüt­zung beson­ders in Not gera­te­ner Studierender.

Wel­che Grup­pe der Stu­die­ren­den hat­te es Ihrer Mei­nung nach beson­ders schwer? Und wie wol­len Sie die­se unterstützen?

Die Stu­die­ren­den, die zum Som­mer­se­me­ster ihr Stu­di­um an der Uni­ver­si­tät Bam­berg auf­ge­nom­men haben. Nach allem, was wir über die­ses Online-Seme­ster wis­sen, machen sich die Gren­zen digi­ta­ler Fern­leh­re bei der Grup­pe der Stu­di­en­an­fän­ger beson­ders nach­tei­lig bemerk­bar, da es auf­grund feh­len­der uni­ver­si­tä­rer Kon­tak­te zu Dozie­ren­den und Kom­mi­li­to­nen kaum gelingt, enge­re Bin­dun­gen zu Uni­ver­si­tät und Stu­di­um auf­zu­bau­en. Für das Win­ter­se­me­ster haben wir uns vor­ge­nom­men, die­se Per­so­nen­grup­pe mit spe­zi­el­len Ange­bo­ten bes­ser abzu­ho­len. Bei­spiels­wei­se sind schon Ersti-Taschen gepackt, die per Post ver­sen­det werden.

Was wird dafür getan, die Leh­re lang­sam wie­der in die Prä­senz zurückzuholen?

Seit den bay­ern­wei­ten Locke­run­gen sind Prä­senz­ver­an­stal­tun­gen grund­sätz­lich wie­der mög­lich. Dafür haben wir ein Geneh­mi­gungs­ver­fah­ren und ein Hygie­ne­kon­zept ent­wickelt. Bei­des ist sehr auf­wän­dig, funk­tio­niert bis­her aber gut. Die Bean­tra­gun­gen gehen inzwi­schen in die Hun­der­te. Per Eil­be­schluss müs­sen die­se vom Uni­ver­si­täts­prä­si­den­ten, Prof. Dr. Dr. habil. Gode­hard Rup­pert, abge­seg­net wer­den. Auch die Prü­fun­gen muss­ten alle bean­tragt und teil­wei­se zen­tral koor­di­niert wer­den, um ein Cha­os zu ver­mei­den und vor allem, um einen opti­ma­len Gesund­heits­schutz für Stu­die­ren­de und Beschäf­tig­te zu gewährleisten.

Apro­pos Prü­fun­gen: Wie­so gibt es kaum Online-Prü­fun­gen, obwohl die­se viel­fach gefor­dert wurden?

An der Uni­ver­si­tät Bam­berg wer­den jedes Seme­ster 20.000 bis 25.000 Klau­su­ren geschrie­ben. Dazu zäh­len Prü­fun­gen aus Ein­füh­rungs­vor­le­sun­gen bis hin zu Staats­exami­na. Online-Klau­su­ren sind nur in Aus­nah­me­fäl­len mög­lich, weil in der Regel die Chan­cen­gleich­heit nicht gege­ben wäre. Der Prü­fer oder die Prü­fe­rin kann nicht gewähr­lei­sten, dass kein Prüf­ling schum­melt, indem er oder sie bei­spiels­wei­se einen Zet­tel mit Noti­zen vor sich lie­gen hat. Eine Über­wa­chung mit Hil­fe von Kame­ras und Eye-Track­ing wür­de die­ses Pro­blem zwar behe­ben, aber dann wür­den wir Daten­schutz- und Per­sön­lich­keits­rech­te ver­let­zen. Nicht umsonst füh­ren selbst Fern­uni­ver­si­tä­ten in der Regel kei­ne Online­prü­fun­gen durch.

Wel­che Leh­ren zie­hen Sie aus dem Sommersemester?

Einer­seits ist mir bewusst gewor­den wie viel Online-Leh­re lei­sten kann, sofern man als Leh­ren­der didak­tisch und tech­nisch aus­rei­chend geschult ist. Vor allem in Fach­dis­zi­pli­nen und Ver­an­stal­tungs­for­ma­ten, in denen es pri­mär auf den wech­sel­sei­ti­gen Aus­tausch der Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer ankommt, kann sie die Prä­senz­leh­re wohl nicht erset­zen. Außer­dem ist deut­lich gewor­den, wie gut die Zusam­men­ar­beit auf ver­schie­de­nen Ebe­nen der Uni­ver­si­tät unter schwie­ri­gen Bedin­gun­gen funk­tio­niert. Das war für mich eine der posi­tiv­sten Erfah­run­gen in die­sem Seme­ster. Die­se Erkennt­nis lässt mich zuver­sicht­lich auf das kom­men­de Win­ter­se­me­ster blicken. Auch wenn mei­ne Amts­zeit als Vize­prä­si­dent im Herbst endet, wer­de ich natür­lich wei­ter­hin dazu bei­tra­gen, Leh­ren­de, Stu­die­ren­de und die neue Uni­ver­si­täts­lei­tung in der Coro­na­kri­se nach Kräf­ten zu unterstützen.