Pro­jekt des KErn in Kulm­bach: „Ernäh­rungs­ver­hal­ten in Bay­ern und sei­ne Folgekosten“

Im Kassenbereich prominent positioniertes Obst ist eine Nudging-Möglichkeit, Gäste zur Auswahl gesundheitsförderlicher Lebensmittel anzustupsen. © Wolfgang Pulver
Im Kassenbereich prominent positioniertes Obst ist eine Nudging-Möglichkeit, Gäste zur Auswahl gesundheitsförderlicher Lebensmittel anzustupsen. © Wolfgang Pulver

Was wirk­lich dick macht

Der Ver­zehr von gesüß­ten Geträn­ken, Bier, Fleisch und Wurst för­dert die Gewichts­zu­nah­me. Mäd­chen und Frau­en, Men­schen mit hoher Bil­dung und jun­gen Alters ernäh­ren sich gesün­der. Wer stark über­ge­wich­tig ist, hat es auch in der Gesell­schaft schwer. So las­sen sich die Haupt­er­kennt­nis­se aus der Stu­die „Iden­ti­fi­ka­ti­on von Ernäh­rungs­ri­si­ken und ‑kon­tex­ten“ kurz und knapp auf einen Nen­ner brin­gen. Die Stu­die führ­te Dr. Seba­sti­an Mader vom Insti­tut für Sozio­lo­gie der Uni­ver­si­tät Bern im Rah­men des Pro­jekts „Ernäh­rungs­ver­hal­ten in Bay­ern und sei­ne Fol­ge­ko­sten“ durch, die das Kom­pe­tenz­zen­trum für Ernäh­rung (KErn) in Kulm­bach (www​.kern​.bay​ern​.de) 2016 gestar­tet hat­te. In dem aktu­ell ver­öf­fent­lich­ten wis­sen­schaft­li­chen Arti­kel „Healt­hy nut­ri­ti­on in Ger­ma­ny: a sur­vey ana­ly­sis of social cau­ses, obe­si­ty and socioe­co­no­mic sta­tus“ wer­den nun die Ergeb­nis­se der Stu­die präsentiert.

Laut Haupt­au­tor Mader erlaubt es die Stu­die erst­ma­lig für ganz Deutsch­land, kau­sa­le Schlüs­se erstens zum Ein­fluss des Ernäh­rungs­ver­hal­tens auf das Risi­ko zu zie­hen, über­ge­wich­tig zu wer­den, zwei­tens wel-che sozia­len Fak­to­ren die Ernäh­rung bestim­men und drit­tens wie sich star­kes Über­ge­wicht sozio-öko­no­misch aus­wirkt. Im Rah­men der Stu­die wur­den die Daten zwei­er natio­na­ler Gesund­heits­stu­di­en (KiGGS und NEMO­NIT) unter­sucht. Die Ergeb­nis­se: Eine gesun­de Ernäh­rung im All­ge­mei­nen, wel­che sich etwa an den Emp­feh­lun­gen der Deut­schen Gesell­schaft für Ernäh­rung (DGE) ori­en­tiert, und der Ver­zehr von Nüs­sen im Spe­zi­el­len sen­ken den Body Mass Index (BMI). Der Ver­zehr hin­ge­gen von gesüß­ten Ge-trän­ken, Bier, Fleisch und Wurst erhöht den BMI sub­stan­zi­ell. Zu den Per­so­nen, die sich gesün­der als an-dere ernäh­ren, zäh­len Mäd­chen und Frau­en, Men­schen mit hoher Bil­dung und jun­gen Alters. Stark über-gewich­tig zu wer­den, gehe anhand der Ergeb­nis­se mit sozio-öko­no­mi­schen Ver­lu­sten einher.

Für gelun­ge­ne Ernäh­rungs­po­li­tik emp­fiehlt sich der Fokus auf gefähr­de­te Zielgruppen

„Die Stu­die gibt Hin­wei­se dar­auf, dass eine auf die Reduk­ti­on von Über­ge­wicht abzie­len­de Ernäh­rungs­po­li­tik wohl­be­ra­ten ist, sich auf Jun­gen und Män­ner sowie Men­schen mit gerin­ger Bil­dung bzw. nied­ri­gem Bil­dungs­hin­ter­grund zu fokus­sie­ren. Die För­de­rung des Ver­zehrs von Nüs­sen und die Begren­zung des Ver­zehrs von Limo­na­de, Bier, Fleisch und Wurst soll­te noch stär­ker kom­mu­ni­ziert wer­den. Neue­re Stu­di­en legen es nahe, dass die Eta­blie­rung von strik­te­ren Regeln bei der Bewer­bung unge­sun­der Le-bens­mit­tel und die Ein­füh­rung von Steu­ern auf unge­sun­de Lebens­mit­tel wirk­sa­me Mit­tel sind“, so Mader.

Tra­di­tio­nel­le Instru­men­te rei­chen für Chan­cen­gleich­heit nicht aus

Um eine gesund­heit­li­che Chan­cen­gleich­heit quer durch die Bevöl­ke­rung zu erzie­len, rei­chen tra­di­tio­nel­le Instru­men­te – wie Ernäh­rungs­bil­dung und Infor­ma­ti­ons­kam­pa­gnen – allein nicht aus. Es emp­feh­len sich dane­ben kon­kre­te Maß­nah­men, die gesun­des Ernäh­rungs­ver­hal­ten «anstup­sen» kön­nen. Dazu zäh­len zum Bei­spiel die pro­mi­nen­te Plat­zie­rung gesun­der Lebens­mit­tel in Kan­ti­nen oder Super­märk­ten. Auch die Ein­füh­rung obli­ga­to­ri­scher Ver­pfle­gungs­stan­dards in der Gemein­schafts­ver­pfle­gung – ange­fan­gen von Kin­der­ta­ges­stät­ten bis zu Hoch­schu­len und Fir­men­kan­ti­nen –, kön­ne sich laut der Stu­die posi­tiv auf die Ernäh­rung des Ein­zel­nen aus­wir­ken – unab­hän­gig von Bil­dungs­hin­ter­grund und Einkommen.

Weni­ger ist mehr

Ganz kon­kret las­sen sich laut Mader aus der Stu­die für Ver­brau­cher in ihrem täg­li­chen Ess­all­tag fol­gen­de Emp­feh­lun­gen ablei­ten: Wer abneh­men möch­te, ist gut bera­ten, weni­ger gesüß­te Geträn­ke, Bier, Fleisch und Wurst zu sich zu neh­men und auf eine aus­ge­wo­ge­ne Ernäh­rung zu ach­ten. Gera­de Nüs­se soll­ten, obwohl kalo­rien­reich, dabei regel­mä­ßig auf dem Spei­se­plan ste­hen, wei­sen sie doch eine ein­zig­ar­ti­ge Kom­bi­na­ti­on an qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­gen Nähr­stof­fen auf und haben vie­le gesund­heits­för­dern­de Wir­kun­gen. Wie die Stu­die zeigt, kann ent­ge­gen rein kalo­rien­ba­sier­ter Emp­feh­lun­gen, ein erhöh­ter Ver­zehr von Nüs­sen auch gewichts­re­du­zie­rend wirken.

Quel­le: Seba­sti­an Mader, Mal­te Rubach, Wolf­ram Schaecke, Chri­sti­ne Röger, Ina Feld­hof­fer and Eva-Mag­da­le­na Thal­mei­er (2020): Healt­hy nut­ri­ti­on in Ger­ma­ny: A sur­vey ana­ly­sis of social cau­ses, obe­si­ty and socio-eco­no­mic sta­tus. Public Health Nut­ri­ti­on (in press). DOI: 10.1017/S1368980019004877.
Publi­ka­ti­ons­da­tum: 27.04.2020