Bay­reuth: Hoch­druck-For­scher ent­decken unge­wöhn­lich sta­bi­le For­men von Feldspat

Symbolbild Bildung

Feld­spa­te sind Mine­ra­li­en, die etwa 60 Pro­zent der Erd­kru­ste aus­ma­chen. In Hoch­druck-Expe­ri­men­ten hat ein vom Deut­schen Elek­tro­nen-Syn­ch­ro­ton (DESY) und der Uni­ver­si­tät Bay­reuth koor­di­nier­tes For­schungs­team jetzt neue For­men von Feld­spat ent­deckt. Anders als die bis­her bekann­ten, in der Erd­kru­ste ver­brei­te­ten For­men des Feld­spats blei­ben sie unter einem Druck, wie er im obe­ren Erd­man­tel herrscht, bei Tem­pe­ra­tu­ren von bis zu 600 Grad Cel­si­us sta­bil. Die­se Erkennt­nis­se könn­ten der Erfor­schung kal­ter, ins Erd­in­ne­re abtau­chen­der Erd­plat­ten neue Impul­se geben und die Inter­pre­ta­ti­on seis­mi­scher Signa­le ver­än­dern. In „Natu­re Com­mu­ni­ca­ti­ons“ stel­len die Wis­sen­schaft­ler ihre Ent­deckung vor.

„Feld­spat“ ist ein Sam­mel­be­griff für eine Grup­pe von Mine­ra­li­en, die unter allen Mine­ra­li­en den weit­aus größ­ten Anteil an der Erd­kru­ste haben. Die häu­fig­sten Mit­glie­der die­ser Grup­pe sind Anor­thit, Albit und Mikroklin. Cha­rak­te­ri­stisch für ihre Kri­stall­struk­tu­ren sind AlO4- und SiO4-Tetra­eder. Es han­delt sich hier­bei um Drei­ecks­py­ra­mi­den, die aus vier drei­ecki­gen Sei­ten­flä­chen bestehen: Vier Sau­er­stoff­ato­me bil­den die Ecken der Pyra­mi­de, in ihrer Mit­te befin­det sich ein Alu­mi­ni­um- oder Siliziumatom.

Die Wis­sen­schaft­ler haben die­se gewöhn­li­chen Feld­spa­te erst­mals Drücken von bis zu 27 Giga­pas­cal aus­ge­setzt. Am Deut­schen Elek­tro­nen-Syn­chro­tron (DESY) in Ham­burg sowie an der Advan­ced Pho­ton Source (APS) in Chi­ca­go haben sie unter­sucht, wie sich die Kri­stall­struk­tu­ren dadurch ver­än­dern. „Bei Drücken von über zehn Giga­pas­cal ent­ste­hen neue For­men von Anor­thit, Albit und Mikroklin. Es kommt zu star­ken geo­me­tri­schen Ver­zer­run­gen der AlO4- und SiO4-Tetra­eder mit der Fol­ge, dass die Alu­mi­ni­um- und Sili­zi­um­ato­me zusätz­li­che Nach­bar­ato­me erhal­ten. Somit bil­den sich dich­te­re Gerü­ste auf der Basis von Poly­edern, bei denen ein Alu­mi­ni­um- oder Sili­zi­um­atom an vier, fünf oder sechs Sau­er­stoff­ato­me gebun­den ist“, berich­tet Dr. Anna Pak­ho­mo­va, die Erst­au­torin der Stu­die. Die Hoch­druck­for­sche­rin ist wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­te­rin von DESY und Habi­li­tan­din am Baye­ri­schen Geo­in­sti­tut (BGI) der Uni­ver­si­tät Bayreuth.

Am BGI wur­den die neu ent­deck­ten Hoch­druck­va­ri­an­ten des Feld­spats auf ihre Sta­bi­li­tät hin unter­sucht. Dabei stell­te sich bei­spiels­wei­se her­aus, dass die Hoch­druck­va­ri­an­te von Anor­thit unter einem Druck von 15 Giga­pas­cal auch bei Tem­pe­ra­tu­ren von bis zu 600 Grad Cel­si­us noch sta­bil ist. „Sol­che Druck-Tem­pe­ra­tur-Bedin­gun­gen herr­schen auf der Erde ins­be­son­de­re in den Sub­duk­ti­ons­zo­nen. Dies sind Regio­nen, in denen zwei Erd­plat­ten auf­ein­an­der­tref­fen und eine sich unter die ande­re schiebt“, erklärt Prof. Dr. Leo­nid Dubro­vin­sky vom Baye­ri­schen Geo­in­sti­tut. „In sol­chen geo­lo­gi­schen Umge­bun­gen wer­den Feld­spa­te zusam­men mit ande­rem Kru­sten­ma­te­ri­al von der abstei­gen­den Plat­te in die Tie­fe der Erde beför­dert. Unse­re Ergeb­nis­se deu­ten dar­auf hin, dass Hoch­druck­pha­sen von Feld­spat in kal­ten Sub­duk­ti­ons­zo­nen noch in Tie­fen sta­bil sein könn­ten, die dem obe­ren Erd­man­tel ent­spre­chen, sofern die Tem­pe­ra­tur nicht über 600 Grad ansteigt. Dies könn­te die Dyna­mik und die Ent­wick­lung kalt abtau­chen­der Erd­plat­ten beein­flus­sen und seis­mi­sche Signa­tu­ren verändern.“

Inter­na­tio­na­le  For­schungs­ko­ope­ra­ti­on:

An den For­schungs­ar­bei­ten waren Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler der Uni­ver­si­tät Bay­reuth, der Staat­li­chen Uni­ver­si­tät Sankt Peters­burg, der Uni­ver­si­tät Chi­ca­go und von DESY beteiligt.

For­schungs­för­de­rung:

Die For­schungs­ar­bei­ten an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth wur­den von der Deut­schen For­schungs­ge­mein­schaft (DFG) gefördert.

Ver­öf­fent­li­chung:

Anna Pak­ho­mo­va, Dari­ia Simo­no­va, Iuli­ia Koe­mets, Egor Koe­mets, Geor­gi­os Apri­l­is, Maxim Bykov, Liud­mi­la Gorel­o­va, Timo­fey Fedo­ten­ko, Vita­li Pra­ka­pen­ka, Leo­nid Dubro­vin­sky: Poly­mor­phism of feld­spars abo­ve 10 GPa. Natu­re Com­mu­ni­ca­ti­ons (2020), DOI: https://dx.doi.org/10.1038/s41467-020–16547‑4