„Sie wei­nen buch­stäb­lich um Essen und aus Hun­ger“. Coro­na-Pan­de­mie: Die Lei­te­rin der Hemala­ta-Wai­sen­häu­ser schil­dert die dra­ma­ti­sche Situa­ti­on in Süd­in­di­en – Hil­fe kommt seit vie­len Jah­ren aus Franken.

Nur spär­lich drin­gen Infor­ma­tio­nen zu uns, wie die Coro­na-Pan­de­mie mit all den behörd­lich erlas­se­nen Ein­schrän­kun­gen und Ver­bo­ten den All­tag der Men­schen in Indi­en in den ärm­sten Regio­nen bestimmt. Oder sie wer­den auf Grund der eige­nen Pro­ble­ma­tik bei uns nicht wahr­ge­nom­men. Eine Mail von Hemala­ta Edwards, die in Süd­in­di­en seit 1950 zwei Wai­sen­häu­ser betreibt und die von Spon­so­ren aus dem Raum Bai­er­s­dorf unter­stützt wer­den, zeigt die gan­ze Dra­ma­tik von Zwangs­qua­ran­tä­ne der Fami­li­en, Lebens­mit­tel-Unter­ver­sor­gung und geschlos­se­nen Kran­ken­häu­sern auf.

Was die Heim­lei­te­rin Hemala­ta und die Fami­lie Castelhun aus Bräu­nings­hof, die seit 30 Jah­ren die Unter­stüt­zung der Wai­sen­häu­ser koor­di­niert, beson­ders bedrückt ist die Tat­sa­che, das vie­le der zuletzt 280 Kin­der in ihre Fami­li­en und somit in ein unge­wis­ses Schick­sal zurück geführt wer­den muss­ten und dass die im Zion-Home Surut­a­pal­li eta­blier­ten Lehr­werk­stät­ten bis auf wei­te­res geschlos­sen sind. Die­se hat­ten sich Dank der Hil­fe der Spon­so­ren aus Deutsch­land zu einem staat­lich aner­kann­ten Aus­bil­dungs­zen­trum für die Berufs­fel­der Com­pu­ter, Elek­trik, Maschi­nen-schlos­ser und Schwei­ßer sowie Nähen eta­bliert. Die Berufs­schu­le bil­det neben den Schü­lern aus den Hei­men auch jun­ge Leu­te der Regi­on (300 Dör­fer) aus. Die­se stam­men aus den ärm­sten Fami­li­en. Außer­dem betreibt das Zion Home eine ambu­lan­te Kli­nik. Ein­zi­ge Anlauf­stel­le, nach­dem vie­le pri­va­te Kli­ni­ken geschlos­sen wurden.

Kau­fen auf dem Schwarzmarkt

In ihrem Brief vom 4. Mai an Die­ter Castelhun berich­tet die Heim­lei­te­rin, dass die Regie­rung am 24. März ankün­dig­te, dass alle Kin­der zu ihren Fami­li­en geschickt wer­den soll­ten. Zu die­sem Zeit­punkt wur­den vie­le Coro­na-posi­ti­ve Fäl­le gefun­den und die Betrof­fe­nen in Kran­ken­häu­ser ein­ge­lie­fert. Die Schwe­re die­ses Virus kann­te man nicht. Zu die­ser Zeit schrie­ben Kin­der in den Hei­men ihre Regie­rungs­prü­fun­gen. „Sie sag­ten mir auch, wenn ich die Kin­der nicht sen­de, wer­de ich offi­zi­ell in Schwie­rig­kei­ten gera­ten“, berich­tet Hemala­ta. Am 26. März wur­de der Lock­down ver­kün­det und die Poli­zei­be­hör­den hat­ten unter Andro­hung von Geld­stra­fen dafür zu sor­gen, dass nie­mand her­aus­kom­men soll­te. „Bis wir Unter­stüt­zung beka­men, haben wir viel gelit­ten und geges­sen, was wir auf Lager hat­ten. Alle pri­va­ten und öffent­li­chen Sek­to­ren – geschlos­sen. Alle Märk­te geschlos­sen. Kein Trans­port, Bus­se, Züge und Flug­ha­fen geschlos­sen. Alle Bil­dungs­ein­rich­tun­gen geschlos­sen. Pri­va­te Kran­ken­häu­ser geschlos­sen. Kein Was­ser, kei­ne Milch, kein Gemü­se, kein Gas. Wir haben alles auf dem Schwarz­markt gekauft und kau­fen immer noch zu höhe­ren Prei­sen“ schil­dert Hemala­ta Edwards. Zu allem Unglück haben zwei­mal gigan­ti­sche Stür­me mit Regen alle Man­gos auf der Plan­ta­ge des Zion-Hei­mes zerstört.

Tage­löh­ner ster­ben auf der Straße

Der Lock­down ist bis zum 17. Mai ver­län­gert wor­den. Es ist obli­ga­to­risch, Mas­ken zu tra­gen und Des­in­fek­ti­ons­mit­tel zu ver­wen­den, um die Hän­de so oft wie mög­lich zu waschen. Die Regie­rung hat zum 3. Mai Chen­nai und Chit­to­or (Andhra Pra­desh) zu Gebie­ten der Roten Zone erklärt, da die Zahl der Fäl­le täg­lich steigt und auch Todes­fäl­le auf­tre­ten. Vie­le Fäl­le sind auf den gro­ßen Gemüse‑, Obst- und Blu­men­märk­ten auf­ge­tre­ten, wes­halb die­se ver­sie­gelt wur­den. Vie­le Men­schen (Tage­löh­ner) wan­der­ten auf der Suche nach Arbeit und Nah­rung in nahe gele­ge­ne Staa­ten aus. Aber sie konn­ten kei­ne Arbeit fin­den, waren vom Virus betrof­fen und kehr­ten nach Chen­nai und Andhra zurück. Wo sie aber aus Angst vor der Aus­brei­tung des Virus nicht über die Gren­ze durf­ten und ohne Nah­rung und Was­ser zurück blei­ben. Vie­le Men­schen star­ben an Hun­ger und blie­ben als Lei­chen am Stra­ßen­rand. „Ein schreck­li­cher Anblick“, sagt Hemalata.

Sehr trau­rig hat alle gemacht, dass einer der bekann­ten Ärz­te aus Andhra mit Sym­pto­men von Coro­na nach drei Tagen im Kran­ken­haus gestor­ben ist. Die Regie­rung brach­te ihn per Kran­ken­wa­gen in sein Hei­mat­dorf, wo die Bewoh­ner die Ein­rei­se ver­wei­ger­ten, den Chauf­feur schlu­gen und Stei­ne auf das Fahr­zeug war­fen. Sie befürch­te­ten, dass sich die Krank­heit auf alle aus­brei­ten wür­de und sie ster­ben müss­ten. Der Fah­rer begrub den Toten auf dem Weg nach Chen­nai an einem offe­nen Ort „wie ein Waisenkind“.

Zion bringt Nah­rung in die Dörfer

Vie­le Ärz­te, Kran­ken­schwe­stern, Sani­tär­ar­bei­ter und Poli­zi­sten sind in Gefahr. Kran­ken­häu­ser und Qua­ran­tä­ne­schutz voll. Über­all wer­den Lebens­mit­tel, Medi­ka­men­te, Mas­ken und Was­ser ange­for­dert. Die Regie­rung for­der­te N.G.O. (Nicht-Regie­rungs-Org­naisa­tio­nen) wie auch das Zion-Home auf, all jenen, die in Dör­fern woh­nen und Tag und Nacht in Kran­ken­häu­sern arbei­ten sowie Pati­en­ten und Men­schen in Qua­ran­tä­ne Nah­rung, Medi­ka­men­te und Was­ser zur Ver­fü­gung zu stel­len. „Sie wei­nen buch­stäb­lich um Essen und aus Hun­ger“. Zion ist Hei­mat für Dorf­be­woh­ner, wo es kei­nen Trans­port und kei­ne Ver­bin­dung zur Stadt gibt. Reis, Gemü­se und Dall wird dort an hun­gern­de Kin­der abge­ge­ben. Die Eltern der Heim-Kin­der sind infor­miert, „dass wir da sind um ihnen zu hel­fen, zu kom­men und zu sam­meln“. Zum gro­ßen Glück ist bis jetzt kei­nes der Kin­der von Viren befal­len, außer dass sie unter Nah­rungs­man­gel lei­den. Auch von der Heim­lei­tung und den Betreu­ern ist nie­mand von Coro­na betrof­fen. Mit den in den Hei­men ver­blie­be­nen Kin­dern sit­zen die­se in einem Abstand von zwei Metern von Kind zu Kind, beob­ach­ten, wie sie ihre Hän­de rei­ni­gen, zwei­mal am Tag baden und nicht mit­ein­an­der spie­len und sich unter­hal­ten. Hemala­ta hat­te Pro­vi­ant für März und April gekauft. Täg­lich kom­men Gemü­se, Milch und Was­ser hinzu.

Die Regie­rung will alle Schu­len ab Juni öff­nen. Erwar­tet wird, dass die Kin­der am 18. Mai in die Wai­sen­häu­ser zurück­keh­ren und die Zehnt­kläs­ser ihre Prü­fun­gen been­den kön­nen. Jedem Kind wur­de eine Mas­ke gege­ben, die es min­de­stens 18 Mona­te lang tra­gen muss; vor­sorg­lich auch ein Des­in­fek­ti­ons­mit­tel zum Hän­de­wa­schen. Es ist sehr teu­er, eine Mas­ke auf dem Markt zu erwer­ben, und es wird emp­foh­len, Stoff zum Nähen zu kaufen.

„Wir sind Gott, der Fami­lie Castelhun und den vie­len Spon­so­ren dank­bar, dass sie uns bei die­ser Kata­stro­phe mit viel Lie­be und Für­sor­ge gehol­fen haben. Wir freu­en uns, dass die Kin­der in Sicher­heit sind, wenn auch mit Ein­schrän­kun­gen. Für alle beten wir täg­lich zusam­men mit mei­ner Fami­lie, mei­nen Mit­ar­bei­tern und den Kin­dern bei­der Häu­ser“, schließt Hemala­ta Edwards ihren Brief vom 4. Mai an die Freun­de in Franken.

Die bei­den Wai­sen­häu­ser Webbs Home in Chen­nai (Madras) und Zion-Home im Nach­bar­staat Suru­tua­plli wer­den von der Fami­lie Edwards seit 1950 betrie­ben. Die evang­lisch-christ­li­che Ein­rich­tung (heu­te eine Stif­tung) steht allen Reli­gio­nen offen. Die ev. Kir­chen­ge­mein­de Bai­er­s­dorf hat die Paten­schaft über­nom­men. Hemala­ta wird von ihrer Schwe­ster Grace und den Kin­dern Simon, Hazel und Helen (bei­des Ärz­tin­nen) unter­stützt. Dank des gro­ßen Ein­sat­zes der im ver­gan­ge­nen Jahr ver­stor­be­nen Irm­gard Castelhun konn­ten rund 200 Paten­schaf­ten ver­mit­telt und vie­le Spon­so­ren gewon­nen wer­den, die das Fort­be­stehen der Wai­sen­häu­ser gewährleisten.

Spen­den­kon­to DE 08 7635104 0000 5759485 Hemala­ta Waisenhäuser.

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen unter www​.hemala​ta​-wai​sen​haeu​ser​.de