Bam­ber­ger Wirt­schaft: Rück­kehr zur Nor­ma­li­tät? – IHK-Prä­si­den­tin Son­ja Weig­and mel­det sich zu Wort

IHK-Prä­si­den­tin Son­ja Weig­and / Foto: Privat

„Seit dem 2. Welt­krieg war der Druck auf die Bam­ber­ger Wirt­schaft nicht mehr so hoch wie in den ver­gan­ge­nen Wochen“, so Son­ja Weig­and, Prä­si­den­tin der IHK für Ober­fran­ken Bay­reuth. Die Coro­na Pan­de­mie und die damit ein­her­ge­hen­den Maß­nah­men zur Ein­däm­mung füh­ren zu enor­men Ver­wer­fun­gen in der Wirt­schaft. 82 Pro­zent der Unter­neh­men erwar­ten – so das Ergeb­nis einer aktu­el­len IHK-Umfra­ge – für 2020 einen Umsatz­rück­gang, jedes drit­te Unter­neh­men rech­net mit einem Per­so­nal­ab­bau, zwölf Pro­zent der Unter­neh­men droht dem­nach sogar die Insol­venz. Umso wich­ti­ger sei es, die Beschrän­kun­gen schritt­wei­se wie­der zu lockern.

Das Gesamt­pa­ket aus Coro­na-Sofort­hil­fe, der Aus­wei­tung der Kurz­ar­bei­ter­re­ge­lung, Steu­er­erleich­te­run­gen und Kre­dit­pro­gram­men mit weit­ge­hen­der Haf­tungs­frei­stel­lung ist aus­ge­wo­gen zusam­men­ge­stellt. Auch im natio­na­len und inter­na­tio­na­len Ver­gleich gibt es nir­gend­wo ähn­lich umfang­rei­che Hilfs­maß­nah­men. „Dafür im Namen der betrof­fe­nen Unter­neh­me­rin­nen und Unter­neh­mer herz­li­chen Dank an die Poli­tik“, so die IHK-Ver­tre­te­rin. Sie lobt auch die Regie­rung von Ober­fran­ken, wo in den ver­gan­ge­nen Wochen über 10.000 Anträ­ge geprüft wur­den. Wich­tig sei nun, dass das Geld auch zeit­nah bei den Unter­neh­men ankommt. Weig­and: „Der Druck auf vie­le Unter­neh­men ist groß, oft kommt es buch­stäb­lich auf jeden Tag an.

Ein­zel­han­del: Unge­rech­te Abgrenzungen?
Weig­and begrüßt die schritt­wei­se Rück­kehr zur Nor­ma­li­tät. Dass die­se Öff­nun­gen in Etap­pen voll­zo­gen wer­den müs­sen, sei nach­voll­zieh­bar. Weig­and: „Unse­re Unter­neh­men und die vie­len Solo­selb­stän­di­gen brau­chen aber mög­lichst früh­zei­tig Infor­ma­tio­nen und vor allem Pla­nungs­si­cher­heit, unter wel­chen Rah­men­be­din­gun­gen die Akti­vi­tä­ten wie­der gestar­tet oder aus­ge­wei­tet wer­den dür­fen.“ Bei allen Regu­lie­run­gen soll­te der Grund­satz „so ein­fach und unbü­ro­kra­tisch wie mög­lich“ gelten.

„Hilf­reich wären hier kla­re Regeln für alle Bran­chen. Es ist dem Betrei­ber eines klei­nen Schuh­la­dens oder einer klei­nen Mode-Bou­tique in einer Shop­ping­mall nur schwer ver­mit­tel­bar, war­um er ab dem 27. April nicht öff­nen darf, sei­ne Kon­kur­renz in der Fuß­gän­ger­zo­ne aber schon“, so die IHK-Prä­si­den­tin. „Ich kann die Argu­men­ta­ti­on nach­voll­zie­hen, trotz­dem soll­te Glei­ches nicht ungleich behan­delt wer­den. Ob es hier um die Grö­ße eines Geschäf­tes geht, des­sen Lage oder sei­ne Bran­chen­zu­ge­hö­rig­keit, unter­schied­li­che Vor­ge­hens­wei­sen sind nur schwer nach­voll­zieh­bar. Das emp­fin­den die betrof­fe­nen Händ­ler als unge­recht, wie auch zahl­rei­che Anru­fe bei der IHK zei­gen.“ Erste gericht­li­che Ent­schei­dun­gen bestä­ti­gen den Zwei­fel an der Recht­mä­ßig­keit die­ser Abgren­zung. Zwei Drit­tel der Ein­zel­händ­ler haben in der IHK-Blitz­um­fra­ge einen Still­stand der geschäft­li­chen Tätig­keit angegeben.

Beson­ders betrof­fen sind auch die Unter­neh­men im Ver­an­stal­tungs­sek­tor, im Mes­se­we­sen sowie Schau­stel­ler, da bis auf wei­te­res kei­ne Groß­ver­an­stal­tun­gen, Mes­sen oder Volks­fe­ste stattfinden.

Wann dür­fen Hotels und Gast­stät­ten wie­der öffnen?
Vor enor­men Her­aus­for­de­run­gen ste­hen Gastro­no­mie und Hotel­le­rie, die auch wei­ter­hin geschlos­sen blei­ben müs­sen. Im Gegen­satz zu ande­ren Bran­chen kann der ent­gan­ge­ne Umsatz nicht mehr nach­ge­holt wer­den. Weig­and: „Den Unter­neh­men setzt das immens zu, gera­de in die­ser Bran­che sind vie­le Unter­neh­men von einer Insol­venz bedroht.“ Wenn im Zuge der Locke­rung auch die­se Betrie­be öff­nen dür­fen, wird dies sicher­lich mit Ein­schrän­kun­gen ver­bun­den sein, etwa die Begren­zung der Öff­nungs­zei­ten, die Ein­hal­tung eines Min­dest­ab­stan­des von 1,50 Metern, der Ver­zicht auf Büfetts, Boden­mar­kie­run­gen beim Check-in von Hotels oder die Anbrin­gung einer Hygie­ne­schutz­wand an der Rezep­ti­on. Um einen rele­van­ten Umsatz zu gewähr­lei­sten, soll­ten die Öff­nungs­zei­ten von Gastro­no­mie­be­trie­ben einen Früh­stücks­ser­vice sowie Mit­tags- und Abend­tisch ermög­li­chen“, for­dert Weig­and. Zusätz­li­che Auf­la­gen stel­len kein Pro­blem dar. Bei der IHK-Blitz­um­fra­ge haben 90 Pro­zent der Unter­neh­men ange­ge­ben, aktu­ell kei­nen Umsatz zu machen, über 70 Pro­zent den­ken über Ent­las­sun­gen nach.

Rei­se­bü­ros vor dem Aus?
Noch här­ter trifft es Rei­se­ver­an­stal­ter und Rei­se­bü­ros. Weig­and: „Rei­se­bü­ros dür­fen zwar wie­der öff­nen, haben aber nichts zu ver­kau­fen.“ Nicht nur, dass sta­tio­nä­ren Rei­se­bü­ros fast das kom­plet­te Neu­ge­schäft weg­ge­bro­chen ist, der Umsatz aus dem Rei­se­ver­trieb wird nur sehr lang­sam wie­der zurück­keh­ren. Hin­zu kommt, dass Rei­sen im gro­ßen Stil stor­niert wur­den. Damit ent­fal­len rück­wir­kend die Pro­vi­sio­nen, die das Rei­se­bü­ro bereits erhal­ten hat, also auch der Gewinn der ver­gan­ge­nen Mona­te. „Kein Neu­ge­schäft, die Zurück­zah­lung bereits erhal­te­ner Pro­vi­sio­nen, unbe­zahl­te Mehr­ar­beit wegen der Stor­nie­run­gen und unsi­che­re Zukunfts­aus­sich­ten: Vor die­sem Hin­ter­grund fin­de ich die For­de­rung der Bran­che nach einem eige­nen Ret­tungs­mo­dell abso­lut nach­voll­zieh­bar“, so Weig­and. Über 80 Pro­zent der Unter­neh­men in der Rei­se­wirt­schaft machen, so die jüng­ste IHK-Blitz­um­fra­ge, aktu­ell kei­nen Umsatz, zwei von drei Unter­neh­men schlie­ßen Ent­las­sun­gen nicht aus.

Indu­strie von Wert­schöp­fungs­ket­ten abhängig
„Im Bereich der Indu­strie muss statt der ein­zel­be­trieb­li­chen Situa­ti­on die gesam­te Wert­schöp­fungs­ket­te betrach­tet wer­den“, betont Weig­and. „Die Indu­strie ist ein wich­ti­ger Erfolgs­fak­tor unse­rer ober­frän­ki­schen Wirt­schaft. Gera­de in unse­rem Bezirk spü­ren wir die Aus­wir­kun­gen enorm. Ziel muss es des­halb sein, dass die gesam­te Wert­schöp­fungs­ket­te zum Lau­fen kommt und nicht nur ein­zel­ne Tei­le dar­aus.“ Deut­lich wird dies an der Auto­mo­bil­bran­che in ihrem engen Zusam­men­spiel mit den vie­len Zulie­fe­rern auf der einen und den Auto­häu­sern auf der ande­ren Sei­te. Weig­and: „Not­wen­dig ist ein mög­lichst EU-weit abge­stimm­ter Zeit­plan, damit Indu­strie­be­trie­be und Logi­sti­ker euro­pa­weit die Lie­fer­ket­ten wie­der auf­ein­an­der abstim­men kön­nen. Wir brau­chen auf EU-Ebe­ne wie­der mehr Mit­ein­an­der statt Neben- oder Gegeneinander!“

Appell an Verbraucher
„Für die beson­ders betrof­fe­nen Bran­chen im Gast­ge­wer­be oder im Ein­zel­han­del set­ze ich auf die Soli­da­ri­tät der Ver­brau­cher. Wer auch künf­tig noch lebens-und lie­bens­wer­te Innen­städ­te haben will, muss lokal ein­kau­fen und kon­su­mie­ren“, appel­liert Weig­and. „Leben­di­ge Innen­städ­te und Orts­ker­ne sind ein wich­ti­ger Bestand­teil unse­rer Kul­tur, die es ohne ein viel­fäl­ti­ges Ange­bot an Geschäf­ten, Gast­stät­ten und Dienst­lei­stern in die­ser Form nicht gäbe.“

Weig­and dankt auch den Mit­ar­bei­tern der IHK-Task Force in Bay­reuth, die die betrof­fe­nen Unter­neh­men infor­mie­ren und unter­stüt­zen: Über 230.000 Zugrif­fe auf die täg­lich mehr­fach aktua­li­sier­te Home­page seit dem 13. März, gut 18.000 tele­fo­ni­sche Bera­tun­gen und über 40 News­let­ter an mitt­ler­wei­le 1.700 Abon­nen­ten spre­chen eine deut­li­che Spra­che: www​.bay​reuth​.ihk​.de/​c​o​r​ona