Inter­view mit dem Chef­arzt der Geburts­hil­fe am Kli­ni­kum Forch­heim-Frän­ki­sche Schweiz

Dr. Ste­fan Wein­gärt­ler zu Coro­na­vi­rus & Schwan­ger­schaft, Ent­bin­dung und Wochenbett

Weingärtler Stefan © Klinikum Forchheim

Wein­gärt­ler Ste­fan © Kli­ni­kum Forchheim

Auf­grund eines bestä­tig­ten COVID-19 Fal­les ist die Geburts­hil­fe am Kli­ni­kum Forch­heim-Frän­ki­sche Schweiz bis nach Ostern geschlos­sen. Dr. med. Ste­fan Wein­gärt­ler, Chef­arzt der Fach­ab­tei­lung Gynä­ko­lo­gie und Geburts­hil­fe im Interview:

Herr Dr. Wein­gärt­ler, war die­ser Schritt – die Schlie­ßung der Geburts­hil­fe – not­wen­dig und wenn ja, war­um dann nur zwei Wochen?

Dr. Ste­fan Wein­gärt­ler: Wir haben die Geburts­hil­fe für Neu­auf­nah­men geschlos­sen als rei­ne Vor­sichts­maß­nah­me zum Schutz der wer­den­den Müt­ter und der Mitarbeiter.

Wäh­rend der näch­sten vier­zehn Tage wer­den alle Mit­ar­bei­ter, die Pati­en­ten­kon­takt haben, mehr­mals gete­stet, so dass wir nach Ablauf die­ser Zeit sehr sicher sein kön­nen, dass die Mit­ar­bei­ter, die die Schwan­ge­ren und Wöch­ne­rin­nen betreu­en, nicht das Coro­na­vi­rus wei­ter­ge­ben kön­nen. Zu Geburts­an­mel­dun­gen für die Zeit danach steht jedoch täg­lich von 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr eine Heb­am­me im Kreiß­saal tele­fo­nisch zur Ver­fü­gung (Tele­fon­num­mer 09191 610 334).

Sind Schwan­ge­re durch das Coro­na­vi­rus stär­ker gefährdet?

Ich bezie­he mich in mei­nen Ant­wor­ten auf die neue­sten Emp­feh­lun­gen der Deut­schen Gesell­schaft für Gynä­ko­lo­gie und Geburts­hil­fe (DGGG). Dem­nach schei­nen Schwan­ge­re dem Coro­na­vi­rus (SARS-CoV‑2) nicht expo­nier­ter zu sein als alle ande­ren. Wir gehen davon aus, dass die gro­ße Mehr­heit der schwan­ge­ren Frau­en nur leich­te oder mit­tel­schwe­re Sym­pto­me auf­weist, vor­aus­ge­setzt es lie­gen kei­ne Herz- oder Lun­gen­er­kran­kun­gen vor.

Was gilt, wenn Schwan­ge­re engen Kon­takt zu Per­so­nen hat­ten, die auf COVID-19 posi­tiv gete­stet wurden?

Die­se wen­den sich unver­züg­lich und unab­hän­gig von Sym­pto­men tele­fo­nisch an ihr zustän­di­ges Gesund­heits­amt oder rufen den ärzt­li­chen Bereit­schafts­dienst unter der Tele­fon­num­mer 116117, sowie ihren Frauenarzt/​ärztin. Die­ser klärt über alle wei­te­ren Maß­nah­men auf. Wir haben unse­re betrof­fe­nen Pati­en­tin­nen bereits selbst infor­miert und an das Gesund­heits­amt wei­ter­ge­lei­tet. Sie wer­den dann auto­ma­tisch vom Gesund­heits­amt kontaktiert.

Das SARS-CoV‑2 ist ein Virus, das Sym­pto­me wie Fie­ber, trocke­nen Husten und Abge­schla­gen­heit ver­ur­sacht. Auch Atem­pro­ble­me, Hals­krat­zen, Kopf- und Glie­der­schmer­zen und Schüt­tel­frost kön­nen auf­tre­ten. Die Erkran­kung wird von Mensch zu Mensch durch Tröpf­chen­in­fek­ti­on über­tra­gen. Die Zeit von Ansteckung zum Erkran­kungs­be­ginn kann 14 Tage betra­gen, im Mit­tel 5 bis 6 Tage. Die Dia­gno­se wird mit einem Abstrich­be­fund aus dem Mund- und Rachen­be­reich gestellt. Aktu­ell sind noch kei­ne Behand­lungs­mög­lich­kei­ten oder Imp­fun­gen bekannt.

Was sol­len Schwan­ge­re tun, wenn die­se posi­tiv auf das Coro­na­vi­rus gete­stet wurde?

Wenn wer­den­de Müt­ter posi­tiv auf das Coro­na­vi­rus gete­stet wur­den, soll­ten die­se sich tele­fo­nisch an den Frau­en­arzt wen­den und mit die­sem die Dia­gno­se bespre­chen. Wenn sie kei­ne oder leich­te Sym­pto­me haben und kei­ne Risi­ko­fak­to­ren für Kom­pli­ka­tio­nen bei ihnen oder wei­te­ren Per­so­nen im Haus­halt vor­lie­gen (z. B. rele­van­te chro­ni­sche Grund­er­kran­kun­gen), blei­ben sie unter Betreu­ung durch einen behan­deln­den Arzt iso­liert zu Hause.

Wel­che Aus­wir­kun­gen hat eine dia­gno­sti­zier­te Infek­ti­on auf das Ungeborene?

Es gibt weder Hin­wei­se auf ein erhöh­tes Risi­ko für Fehl­ge­bur­ten noch dar­auf, dass das Virus wäh­rend der Schwan­ger­schaft auf das Baby über­tra­gen wer­den kann. Aller­dings ist die Daten­ba­sis sehr klein. Bei den bis­her doku­men­tier­ten Schwan­ger­schaf­ten war kei­nes der Neu­ge­bo­re­nen infi­ziert. Es wur­den kei­ne Auf­fäl­lig­kei­ten bei Mut­ter und Kind berichtet.

Was sol­len iso­lier­te wer­den­de Müt­ter tun?

Schwan­ge­re, denen gera­ten wur­de, sich selbst zu iso­lie­ren, soll­ten im Haus blei­ben und 14 Tage lang den Kon­takt mit ande­ren ver­mei­den. Das Robert Koch Insti­tut (RKI) gibt kon­kre­te Anwei­sun­gen unter https://​www​.rki​.de/​D​E​/​C​o​n​t​e​n​t​/​I​n​f​A​Z​/​N​/​N​e​u​a​r​t​i​g​e​s​_​C​o​r​o​n​a​v​i​r​u​s​/​a​m​b​u​l​a​n​t​.​h​tml.

Was ist mit vor­ge­burt­li­chen Ter­mi­nen in der Selbst­iso­la­ti­on bei einer mög­li­chen bezie­hungs­wei­se bestä­tig­ten Coronavirus-Infektion?

Die zustän­di­ge Frau­en­ärz­tin bzw. der Frau­en­arzt erwägt, ob der rou­ti­ne­mä­ßi­ge vor­ge­burt­li­che Ter­min ohne Scha­den für Mut­ter und/​oder Kind her­aus gezö­gert wer­den kann, bis die Iso­la­ti­on endet.

Wenn der Ter­min nicht war­ten kann, wer­den die erfor­der­li­chen Vor­keh­run­gen getrof­fen, damit die Schwan­ge­re den Ter­min wahr­neh­men kann.

Wie wirkt sich eine bestä­tig­te Infek­ti­on mit COVID-19 auf die Geburt aus?

Es gibt bis jetzt kei­ne Anhalts­punk­te dafür, dass nicht vagi­nal ent­bun­den wer­den kann. Wenn eine Atem­wegs­er­kran­kung vor­liegt, kann eine Kai­ser­schnitt­ge­burt erfor­der­lich sein. Gene­rell emp­fiehlt die Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on (WHO), einen Kai­ser­schnitt nur dann durch­zu­füh­ren, wenn dies medi­zi­nisch gerecht­fer­tigt ist. Frau­en mit Ver­dacht auf oder mit bestä­tig­ter Coro­na­vi­rus- Infek­ti­on kön­nen auch eine PDA haben. Das Kli­ni­kum Forch­heim- Frän­ki­sche Schweiz ver­wen­det kein Lach­gas, um die Aus­brei­tung des Virus zu verhindern.

Was pas­siert, wenn die Wehen wäh­rend der Selbst­iso­la­ti­on einsetzen?

Bit­te im Kreiß­saal des Kli­ni­kums anru­fen, auf die ver­mu­te­te oder bestä­tig­te Coro­na­vi­rus-Infek­ti­on hin­wei­sen und sich vom Geburts­team bera­ten lassen.

Darf bei einer gesun­den Gebä­ren­den der Part­ner bei der Ent­bin­dung dabei sein?

Ja, sofern die Part­ner nicht posi­tiv auf SARS-CoV‑2 gete­stet wur­den oder Krank­heits­sym­pto­me haben.

Kann das Coro­na­vi­rus auf das Neu­ge­bo­re­ne über­tra­gen werden?

Bis jetzt ist dar­über noch wenig bekannt. Schwan­ge­re in einer Stu­die, bei denen im drit­ten Schwan­ger­schaft­stri­me­ster eine Coro­na­vi­rus- Infek­ti­on dia­gno­sti­ziert wur­de, haben das Virus im Mut­ter­leib nicht an ihre Babys weitergegeben.

Wird das Neu­ge­bo­re­ne auf Coro­na­vi­rus getestet?

Ja, wenn zum Zeit­punkt der Geburt des Babys ein Coro­na­vi­rus bei der Mut­ter ver­mu­tet oder bestä­tigt wur­de, wird das Kind auf Coro­na­vi­rus getestet.

Kann die Mut­ter beim Baby blei­ben, wenn das Coro­na­vi­rus bei ihr ver­mu­tet oder bestä­tigt wird?

Ja, wenn sie das möch­te unter der Vor­aus­set­zung, dass es dem Baby gut geht. Die­se Emp­feh­lung kann sich ändern, wenn sich das Wis­sen über das neue Virus weiterentwickelt.

Ist stil­len erlaubt?

Ja. Im Moment gibt es kei­ne Hin­wei­se dar­auf, dass das Virus über die Mut­ter­milch über­tra­gen wer­den kann. Die Vor­tei­le des Stil­lens über­wie­gen die poten­zi­el­len Risi­ken einer Über­tra­gung des Coro­na­vi­rus. Infi­zier­te Müt­ter oder Ver­dachts­fäl­le soll­ten beim Stil­len durch Hygie­ne­maß­nah­men wie sorg­fäl­ti­ges Hän­de­wa­schen vor und nach dem Kon­takt mit dem Kind und durch das Tra­gen eines Mund­schut­zes eine Über­tra­gung des Virus durch Tröpf­chen­in­fek­ti­on ver­hin­dern. Die­se Emp­feh­lung kann sich ändern, wenn sich das Wis­sen über das neue Virus weiterentwickelt.