All­ge­mein­ver­fü­gung: Mini­ster­prä­si­dent Mar­kus Söder erteilt „Grund­le­gen­de Aus­gangs­be­schrän­kun­gen“ in Bayern

Vor­läu­fi­ge Aus­gangs­be­schrän­kung anläss­lich der Corona-Pandemie

Bay­ern hat auf­grund der Aus­brei­tung des Coro­na­vi­rus eine zwei­wö­chi­ge Aus­gangs­be­schrän­kung ver­hängt. „Wir müs­sen jetzt han­deln“, sag­te Mini­ster­prä­si­dent Söder.

Bekannt­ma­chung des Baye­ri­schen Staats­mi­ni­ste­ri­ums für Gesund­heit und Pfle­ge vom 20.03.2020, Az. Z6a-G8000-2020/122–98

Das Baye­ri­sche Staats­mi­ni­ste­ri­um für Gesund­heit und Pfle­ge erlässt auf der Grund­la­ge des § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Infek­ti­ons­schutz­ge­set­zes (IfSG) in Ver­bin­dung mit § 65 Satz 2 Nr. 2 der Zustän­dig­keits­ver­ord­nung (ZustV) folgende

All­ge­mein­ver­fü­gung

1. Jeder wird ange­hal­ten, die phy­si­schen und sozia­len Kon­tak­te zu ande­ren Men­schen außer­halb der Ange­hö­ri­gen des eige­nen Haus­stands auf ein abso­lut nöti­ges Mini­mum zu redu­zie­ren. Wo immer mög­lich ist ein Min­dest­ab­stand zwi­schen zwei Per­so­nen von 1,5 m einzuhalten.

2. Unter­sagt wer­den Gastro­no­mie­be­trie­be jeder Art. Aus­ge­nom­men ist die Abga­be und Lie­fe­rung von mit­nah­me­fä­hi­gen Speisen.

3. Unter­sagt wird der Besuch von

a) Kran­ken­häu­sern sowie Vor­sor­ge- und Reha­bi­li­ta­ti­ons­ein­rich­tun­gen, in denen eine den Kran­ken­häu­sern ver­gleich­ba­re medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung erfolgt (Ein­rich­tun­gen nach § 23 Abs. 3 Nr. 1 und 3 IfSG); aus­ge­nom­men hier­von sind Geburts- und Kin­der­sta­tio­nen für eng­ste Ange­hö­ri­ge und Pal­lia­tiv­sta­tio­nen und Hospize,

b) voll­sta­tio­nä­ren Ein­rich­tun­gen der Pfle­ge gem. § 71 Abs. 2 des Elf­ten Buches Sozi­al­ge­setz­buch (SGB XI),

c) Ein­rich­tun­gen für Men­schen mit Behin­de­run­gen im Sin­ne des § 2 Abs. 1 des Neun­ten Buches Sozi­al­ge­setz­buch (SGB IX), in denen Lei­stun­gen der Ein­glie­de­rungs­hil­fe über Tag und Nacht erbracht werden,

d) ambu­lant betreu­ten Wohn­ge­mein­schaf­ten nach Art. 2 Abs. 3 Pfle­ge­wohn­qua­li­täts­ge­setz (Pfle­Wo­qG) zum Zwecke der außer­kli­ni­schen Inten­siv­pfle­ge (Inten­siv­pfle­geWGs), in denen ambu­lan­te Pfle­ge­dien­ste gemäß § 23 Abs. 6a IfSG Dienst­lei­stun­gen erbrin­gen und

e) Alten­hei­men und Seniorenresidenzen.

4. Das Ver­las­sen der eige­nen Woh­nung ist nur bei Vor­lie­gen trif­ti­ger Grün­de erlaubt.

5. Trif­ti­ge Grün­de sind insbesondere:

a) die Aus­übung beruf­li­cher Tätigkeiten,

b) die Inan­spruch­nah­me medi­zi­ni­scher und vete­ri­när­me­di­zi­ni­scher Ver­sor­gungs­lei­stun­gen (z. B. Arzt­be­such, medi­zi­ni­sche Behand­lun­gen; Blut­spen­den sind aus­drück­lich erlaubt) sowie der Besuch bei Ange­hö­ri­gen hel­fen­der Beru­fe, soweit dies medi­zi­nisch drin­gend erfor­der­lich ist (z. B. Psy­cho- und Physiotherapeuten),

c) Ver­sor­gungs­gän­ge für die Gegen­stän­de des täg­li­chen Bedarfs (z. B. Lebens­mit­tel­han­del, Geträn­ke­märk­te, Tier­be­darfs­han­del, Brief- und Ver­sand­han­del, Apo­the­ken, Dro­ge­rien, Sani­täts­häu­ser, Opti­ker, Hör­ge­rä­te­aku­sti­ker, Ban­ken und Geld­au­to­ma­ten, Post, Tank­stel­len, Kfz-Werk­stät­ten, Rei­ni­gun­gen sowie die Abga­be von Brief­wahl­un­ter­la­gen). Nicht zur Deckung des täg­li­chen Bedarfs gehört die Inan­spruch­nah­me son­sti­ger Dienst­lei­stun­gen wie etwa der Besuch von Friseurbetrieben,

d) der Besuch bei Lebens­part­nern, Alten, Kran­ken oder Men­schen mit Ein­schrän­kun­gen (außer­halb von Ein­rich­tun­gen) und die Wahr­neh­mung des Sor­ge­rechts im jewei­li­gen pri­va­ten Bereich,

e) die Beglei­tung von unter­stüt­zungs­be­dürf­ti­gen Per­so­nen und Minderjährigen,

f) die Beglei­tung Ster­ben­der sowie Beer­di­gun­gen im eng­sten Familienkreis,

g) Sport und Bewe­gung an der fri­schen Luft, aller­dings aus­schließ­lich allei­ne oder mit Ange­hö­ri­gen des eige­nen Haus­stan­des und ohne jede son­sti­ge Grup­pen­bil­dung und

h) Hand­lun­gen zur Ver­sor­gung von Tieren.

6. Die Poli­zei ist ange­hal­ten, die Ein­hal­tung der Aus­gangs­be­schrän­kung zu kon­trol­lie­ren. Im Fal­le einer Kon­trol­le sind die trif­ti­gen Grün­de durch den Betrof­fe­nen glaub­haft zu machen.

7. Ein Ver­stoß gegen die­se All­ge­mein­ver­fü­gung kann nach § 73 Abs. 1a Nr. 6 des Infek­ti­ons­schutz­ge­set­zes als Ord­nungs­wid­rig­keit geahn­det werden.

8. Wei­ter gehen­de Anord­nun­gen der ört­li­chen Gesund­heits­be­hör­den blei­ben unberührt.

9. Die­se All­ge­mein­ver­fü­gung ist nach § 28 Abs. 3, § 16 Abs. 8 des Infek­ti­ons­schutz­ge­set­zes sofort vollziehbar.

10. Die­se All­ge­mein­ver­fü­gung tritt am 21.03.2020, 00:00 Uhr in Kraft und mit Ablauf des 03.04.2020 außer Kraft. Die Aus­gangs­be­schrän­kun­gen enden damit am 03.04.2020, 24:00 Uhr.

Begrün­dung

Das neu­ar­ti­ge Coro­na­vi­rus SARS-CoV‑2 stellt die gesam­te Gesell­schaft und das Gesund­heits­sy­stem vor enor­me Her­aus­for­de­run­gen. Es besteht welt­weit, deutsch­land- und bay­ern­weit eine sehr dyna­mi­sche und ernst­zu­neh­men­de Situa­ti­on mit star­ker Zunah­me der Fall­zah­len inner­halb weni­ger Tage. Die Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on hat die Aus­brei­tung des Virus und der dadurch her­vor­ge­ru­fe­nen Erkran­kung COVID-19 am 11. März 2020 als Pan­de­mie eingestuft.

Die Gefähr­dung für die Gesund­heit der Bevöl­ke­rung in Deutsch­land wird der­zeit ins­ge­samt als hoch ein­ge­schätzt. COVID-19 ist sehr infek­ti­ös. Beson­ders älte­re Men­schen und sol­che mit vor­be­stehen­den Grund­er­kran­kun­gen sind von schwe­ren Krank­heits­ver­läu­fen betrof­fen und kön­nen an der Krank­heit ster­ben. Da der­zeit weder eine Imp­fung noch eine spe­zi­fi­sche The­ra­pie zur Ver­fü­gung ste­hen, müs­sen alle Maß­nah­men ergrif­fen wer­den, um die wei­te­re Aus­brei­tung des Virus zu ver­zö­gern. Ziel ist es, durch eine Ver­lang­sa­mung des Infek­ti­ons­ge­sche­hens die Bela­stung für das Gesund­heits­we­sen ins­ge­samt zu redu­zie­ren, Bela­stungs­spit­zen zu ver­mei­den und die medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung sicher­zu­stel­len. Die Staats­re­gie­rung hat dazu bereits zahl­rei­che Maß­nah­men eingeleitet.

Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG trifft die zustän­di­ge Behör­de die not­wen­di­gen Schutz­maß­nah­men, soweit und solan­ge es zur Ver­hin­de­rung der Ver­brei­tung über­trag­ba­rer Krank­hei­ten erfor­der­lich ist.

Nach § 28 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 IfSG kann die zustän­di­ge Behör­de Per­so­nen ver­pflich­ten, den Ort an dem sie sich befin­den, nicht zu ver­las­sen oder von ihr bestimm­te Orte nicht zu betre­ten, bis die not­wen­di­gen Schutz­maß­nah­men durch­ge­führt wor­den sind.

Zur Begrün­dung im Einzelnen:

Zu 1.:

Die weit­ge­hen­de Reduk­ti­on bzw. Beschrän­kung sozia­ler Kon­tak­te im pri­va­ten und öffent­li­chen Bereich trägt ent­schei­dend dazu bei, die Über­tra­gung des neu­ar­ti­gen Coro­na­vi­rus SARS-CoV‑2 in der Bevöl­ke­rung zu ver­rin­gern. Die­sem Zweck die­nen Aus­gangs­be­schrän­kun­gen. Indem die Aus­brei­tung ver­lang­samt wird, kön­nen die zu erwar­ten­den schwe­ren Erkran­kungs­fäl­le von COVID-19 über einen län­ge­ren Zeit­raum ver­teilt und Ver­sor­gungs­eng­päs­se in den Kran­ken­häu­sern ver­mie­den werden.

Zu 2.:

Zur Ver­hin­de­rung einer wei­te­ren schnel­len Ver­brei­tung des Coro­na­vi­rus ist die Schlie­ßung sämt­li­cher gastro­no­mi­schen Betrie­be mit Aus­nah­me der Abga­be von mit­nah­me­fä­hi­gen Spei­sen und Lie­fer­dien­sten gebo­ten. Gastro­no­mi­sche Betrie­be ber­gen auf­grund des regel­mä­ßig – auch bei Abstand­hal­tung zwi­schen den Gästen durch ent­spre­chen­de Vor­keh­run­gen bei den Tischen – erfol­gen­den Aus­tauschs von unver­pack­ten Geträn­ken und Mahl­zei­ten zwi­schen Bedie­nung und Gästen ein erhöh­tes Risi­ko der Über­tra­gung des Coro­na­vi­rus. Zudem bil­den sie als Stät­ten der Zusam­men­kunft zwi­schen Men­schen ein erhöh­tes Risi­ko im Hin­blick auf Ansteckun­gen durch ste­tig wech­seln­den Publi­kums­ver­kehr. Da bis­he­ri­ge mil­de­re Mit­tel, die in der All­ge­mein­ver­fü­gung zu Ver­an­stal­tungs­ver­bo­ten und Betriebs­un­ter­sa­gun­gen des Baye­ri­schen Staats­mi­ni­ste­ri­ums für Gesund­heit und Pfle­ge und des Baye­ri­schen Staats­mi­ni­ste­ri­ums für Fami­lie, Arbeit und Sozia­les vom 16.03.2020, Az. 51-G8000-2020/122–67, geän­dert durch Bekannt­ma­chung vom 17.03.2020, Az. Z6a-G8000-2020/122–83, nicht zu einer Reduk­ti­on des Infek­ti­ons­ge­sche­hens geführt haben, ist die Schlie­ßung gastro­no­mi­scher Betrie­be als ulti­ma ratio zum Schutz der Gesund­heit der Bevöl­ke­rung gebo­ten und ver­hält­nis­mä­ßig. Die Abga­be von mit­nah­me­fä­hi­gen Spei­sen und der Wei­ter­be­trieb von Lie­fer­dien­sten blei­ben auf­recht­erhal­ten. Dies ist ins­be­son­de­re auch für Per­so­nen erfor­der­lich, die das Haus auch aus trif­ti­gen Grün­den nicht ver­las­sen können.

Zu 3.:

In den genann­ten Ein­rich­tun­gen wer­den viel­fach Per­so­nen betreut, die durch eine Infek­ti­on mit dem neu­en Erre­ger in beson­ders schwe­rer Wei­se gesund­heit­lich gefähr­det wären. Zum Schutz die­ser beson­ders vul­ner­ablen Per­so­nen­grup­pen muss der Besuch der Ein­rich­tun­gen als ulti­ma ratio voll­stän­dig unter­sagt wer­den, weil bereits ange­ord­ne­te weni­ger ein­grei­fen­de Maß­nah­men in Gestalt der All­ge­mein­ver­fü­gung zur Ein­schrän­kung der Besuchs­rech­te für Kran­ken­häu­ser, Pfle­ge- und Behin­der­ten­ein­rich­tun­gen des Baye­ri­schen Staats­mi­ni­ste­ri­ums für Gesund­heit und Pfle­ge vom 13.03.2020, Az. G51b-G8000-2020/122–56, geän­dert durch Bekannt­ma­chung vom 17.03.2020, Az. GZ6a-G8000-2020/122–82 nicht zu einer Reduk­ti­on des Infek­ti­ons­ge­sche­hens geführt hat. Da vor­lie­gend ledig­lich der Besuch der Ein­rich­tun­gen unter­sagt wird, ist das Auf­su­chen der Ein­rich­tung zum Zweck des Behan­delt­wer­dens nicht umfasst. Neben der Ver­mei­dung von Ein­trä­gen des Erre­gers wird durch das Besuchs­ver­bot auch die medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung unter­stützt. Das Erkran­kungs­ri­si­ko des betreu­en­den und medi­zi­ni­schen Per­so­nals wird ver­rin­gert. Dadurch tra­gen die Maß­nah­men für die erfass­ten medi­zi­ni­schen Ein­rich­tun­gen auch zur Auf­recht­erhal­tung der Ver­sor­gungs­ka­pa­zi­tä­ten bei und sind daher auch zum Schutz der Gesund­heit der All­ge­mein­heit unabdingbar.

Zu 4.–6.:

Auf­grund des mas­si­ven Anstiegs und des bis­lang weit­ge­hend unge­brem­sten Ver­laufs der Neu­in­fek­tio­nen zeigt sich, dass die bis­her getrof­fe­nen mil­de­ren Mit­tel, die in der All­ge­mein­ver­fü­gung zu Ver­an­stal­tungs­ver­bo­ten und Betriebs­un­ter­sa­gun­gen des Baye­ri­schen Staats­mi­ni­ste­ri­ums für Gesund­heit und Pfle­ge und des Baye­ri­schen Staats­mi­ni­ste­ri­ums für Fami­lie, Arbeit und Sozia­les vom 16.03.2020, Az. 51-G8000-2020/122–67, geän­dert durch Bekannt­ma­chung vom 17.03.2020, Az. Z6a-G8000-2020/122–83, nicht zu einer Reduk­ti­on des Infek­ti­ons­ge­sche­hens geführt haben. Dar­über hin­aus sind nach wie vor auch grö­ße­re Ansamm­lun­gen von Per­so­nen an öffent­li­chen Plät­zen zu beob­ach­ten. Ent­spre­chend sind als ulti­ma ratio Aus­gangs­be­schrän­kun­gen zwin­gend gebo­ten, um das Infek­ti­ons­ge­sche­hen ein­zu­däm­men. Es han­delt sich vor­lie­gend nicht um eine Frei­heits­ent­zie­hung, son­dern ledig­lich um eine Ein­schrän­kung der per­sön­li­chen Bewe­gungs­frei­heit. Das Ver­las­sen der Woh­nung ist aus Ver­hält­nis­mä­ßig­keits­grün­den bei Vor­lie­gen trif­ti­ger Grün­de gestat­tet, die im Ein­zel­nen in Nr. 6 auf­ge­li­stet sind. Das Vor­lie­gen die­ser Grün­de ist bei Kon­trol­len durch die Poli­zei glaub­haft zu machen.

Zu 7.:

Zuwi­der­hand­lun­gen sind als Ord­nungs­wid­rig­kei­ten mit einer Geld­bu­ße bis zu 25.000 Euro bewehrt (§ 73 Abs. 1a Nr. 6 und Abs. 2 IfSG). Die Zuwi­der­hand­lung gegen eine voll­zieh­ba­re Anord­nung nach § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG ist gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 1 IfSG strafbewehrt.

Zu 8.:

Wei­ter gehen­de Anord­nun­gen der ört­li­chen Gesund­heits­be­hör­den blei­ben unberührt.

Zu 9.:

Die sofor­ti­ge Voll­zieh­bar­keit ergibt sich aus § 28 Abs. 3, § 16 Abs. 8 IfSG.

Zu 10.:

Das Inkraft­tre­ten rich­tet sich nach Art. 41 Abs. 4 Satz 4 BayVwVfG.

gez.
Win­fried Brechmann
Mini­ste­ri­al­di­rek­tor