Offe­ner Brief der Bam­ber­ger „Mahn­wa­che Asyl“ zum Umgang mit dem Coro­na-Virus in der ANKER-Ein­rich­tung Oberfranken

leserbrief-symbolbild

Sehr geehr­ter Herr Mini­ster­prä­si­dent Söder,
sehr geehr­ter Herr Staats­mi­ni­ster Herrmann,
Sehr geehr­te Frau Staats­mi­ni­ste­rin Huml,
sehr geehr­te Frau Regie­rungs­prä­si­den­tin Piwernetz,
sehr geehr­ter Herr Krug,
sehr geehr­ter Herr Ober­bür­ger­mei­ster Starke,
sehr geehr­ter Herr Land­rat Kalb,

mit größ­ter Sor­ge hören wir beäng­sti­gen­de Berich­te von Bewoh­ne­rIn­nen und Mit­ar­bei­te­rIn­nen aus der ANKER-Ein­rich­tung. Wäh­rend über­all dar­auf hin­ge­wie­sen wird, sozia­le Kon­tak­te wei­test­ge­hend ein­zu­schrän­ken und mas­si­ve Ver­samm­lungs­ver­bo­te aus­ge­spro­chen wer­den, scheint es in der ANKER-Ein­rich­tung bis­her kaum Vor­sichts­maß­nah­men zu geben.

Wei­ter­hin wird das Essen (Stand 18. März 2020) in der Kan­ti­ne mit weit über 1000 Men­schen ein­ge­nom­men. Die Mög­lich­keit, Abstand zu hal­ten, gibt es dabei nicht. Es gibt kei­ne Auf­klä­rung über ein rich­ti­ges Ver­hal­ten (rich­ti­ges Hän­de­wa­schen, Abstand­hal­ten, in die Arm­beu­ge nie­sen) in Pik­to­gram­men und meh­re­ren Sprachen.

Die­se sind längst von den Flücht­lings­or­ga­ni­sa­tio­nen erstellt wor­den und zugänglich.

Außer­dem fehlt es an aus­rei­chen­den Wasch- und Des­in­fek­ti­ons­mög­lich­kei­ten. Auch war­ten die Bewoh­ne­rIn­nen wei­ter­hin zur Aus­ga­be von Sach­lei­stun­gen für län­ge­re Zeit in Men­schen­an­samm­lun­gen. Neu­zu­gän­ge wer­den in einem geson­der­ten Block unter­ge­bracht und dort auch getrennt ver­pflegt, bis die Test­ergeb­nis­se vorliegen.

Bewoh­ne­rIn­nen berich­ten jedoch, dass sie mehr­fach Per­so­nen aus die­sem Block auf der Stra­ße ange­trof­fen hätten.

Die Schu­le und Deutsch­kur­se wur­den abge­sagt, auch ehren­amt­li­che Flücht­lings­or­ga­ni­sa­tio­nen wie Freund statt fremd (Spiel­zim­mer und Café Will­kom­men) muss­ten ihre Arbeit ein­stel­len, Asyl­so­zi­al­be­ra­tun­gen fin­den nur noch tele­fo­nisch statt. Das Sozi­al­amt ist für den Publi­kums­ver­kehr geschlos­sen, Taschen­geld­aus­zah­lun­gen fin­den nicht statt. Ver­un­si­che­rung und Angst wach­sen unter den Bewoh­ne­rIn­nen. Die Unter­brin­gung auf eng­stem Raum ohne Pri­vat­sphä­re ver­stärkt die Unsi­cher­heit noch.

Die Zen­tra­le Aus­län­der­be­hör­de in der ANKER-Ein­rich­tung ist auch für vie­le Flücht­lin­ge, die außer­halb der ANKER-Ein­rich­tung unter­ge­bracht sind, zustän­dig. Bei der Ver­län­ge­rung von Aus­wei­sen und ande­ren Pflich­ten sind Fri­sten ein­zu­hal­ten, die direk­te Aus­wir­kun­gen auf den Asyl­sta­tus haben. Es gibt kei­ne Infor­ma­tio­nen für die Betrof­fe­nen mit prak­ti­ka­blen Lösun­gen Kon­takt zu den Ämtern zu hal­ten. Dar­aus darf nie­man­den ein Nach­teil entstehen.

Seit Inbe­trieb­nah­me der Anker-Ein­rich­tun­gen wei­sen Flücht­lings­or­ga­ni­sa­tio­nen auf die mög­li­che schnel­le Krank­heits­aus­brei­tung in sol­chen Zen­tren hin. Wenn ein Coro­na-Fall in einer Ein­rich­tung unter die­sen Umstän­den auf­tritt, ist eine Aus­brei­tung in gro­ßem Maß unver­meid­lich. Dazu kommt, dass unter den Bewoh­ne­rIn­nen eine gro­ße Anzahl einer Risi­ko­grup­pe zuzu­ord­nen ist, für die mit einem schwe­ren Krank­heits­ver­lauf gerech­net wer­den muss. Dies alles stellt eine gro­ße Gefahr für die Bewoh­ne­rIn­nen dar und gefähr­det die gesam­te Bam­ber­ger Bevölkerung.

Lei­der zeigt sich hier erneut, dass Mas­sen­un­ter­künf­te wie die ANKER-Ein­rich­tung in Bam­berg Pro­ble­me deut­lich ver­schär­fen. Sie ver­hin­dern Inte­gra­ti­on, sind kosten­in­ten­siv, wir­ken sich nega­tiv auf die psy­cho-sozia­le Situa­ti­on von Geflüch­te­ten aus („Lager­kol­ler“) und schaf­fen neue Kon­flikt­po­ten­tia­le. In der jet­zi­gen Situa­ti­on gefähr­den ANKER-Ein­rich­tun­gen die Gesund­heit von den Bewoh­ne­rIn­nen, den Mit­ar­bei­te­rIn­nen und allen Bür­ge­rIn­nen, für die Sie Ver­ant­wor­tung tragen.

Wel­che sofor­ti­gen Maß­nah­men wer­den für die ANKER-Ein­rich­tung umge­setzt, um die Men­schen zu schüt­zen und dazu bei­zu­tra­gen, die Aus­brei­tung des Coro­na-Virus zu ver­lang­sa­men? Was wird getan, um die psy­cho­so­zia­le Gesund­heit der Bewoh­ne­rIn­nen der ANKER-Ein­rich­tung zu sta­bi­li­sie­ren? Wann wer­den vul­nerable Per­so­nen­grup­pen auf klei­ne­re Unter­künf­te ver­teilt? Wir for­dern, umge­hen­de ange­mes­se­ne Vor­sichts­maß­nah­men zu tref­fen und die Öffent­lich­keit hier­über zu informieren.

Mit freund­li­chen Grüßen
für die Bam­ber­ger Mahn­wa­che Asyl, Mir­jam Elsel
Netz­werk Bil­dung und Asyl, Freund statt fremd e. V., Inter­re­li­giö­se Fraueninitiative