Neu­es EU-Pro­jekt an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth zielt auf The­ra­pien neu­ro­na­ler Störungen

Prof. Dr. Andreas Möglich, Professor für Biochemie an der Universität Bayreuth, und David Golonka M.Sc., Doktorand und wissenschaftlicher Mitarbeiter. Foto: Christian Wißler.
Prof. Dr. Andreas Möglich, Professor für Biochemie an der Universität Bayreuth, und David Golonka M.Sc., Doktorand und wissenschaftlicher Mitarbeiter. Foto: Christian Wißler.

Licht steu­ert Gehirnzellen

Stö­run­gen der Signal­über­tra­gung im Gehirn sol­len künf­tig mit Hil­fe von Licht­si­gna­len unter­sucht und gemil­dert wer­den. Dies ist das Ziel von NEU­RO­PA, eines neu­en euro­päi­schen Ver­bund­pro­jekts, an dem die For­scher­grup­pe um Prof. Dr. Andre­as Mög­lich an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth wesent­lich betei­ligt ist. Die Wis­sen­schaft­ler wol­len mit­tels Laser­be­strah­lung Pho­to­re­zep­tor-Pro­te­ine steu­ern, um Netz­wer­ke von Ner­ven­zel­len im Gehirn the­ra­peu­tisch zu beein­flus­sen. Ins­be­son­de­re wer­den sie die­ses Vor­ge­hen auf die Alz­hei­mer- und die Hun­ting­ton-Krank­heit anwen­den, die sich in Zukunft auf die­sem Weg mög­li­cher­wei­se abschwä­chen las­sen. Die Euro­päi­sche Uni­on för­dert das Vor­ha­ben in den näch­sten drei Jah­ren mit 3,6 Mil­lio­nen Euro.

Schon län­ger ist bekannt, dass die Groß­hirn­rin­de des Men­schen Ner­ven­zel­len ent­hält, die als Pro­jek­ti­ons­neu­ro­nen klas­si­fi­ziert wer­den. Sobald die­se Zel­len aktiv sind, beein­flus­sen sie Netz­wer­ke von Ner­ven­zel­len, die sich in tie­fe­ren Schich­ten des Gehirns befin­den. Hier kann es, bei­spiels­wei­se infol­ge von Erkran­kun­gen oder Unfäl­len, zu Unter­bre­chun­gen oder Ver­zö­ge­run­gen wich­ti­ger Signal­über­tra­gun­gen kom­men. Mit dem Ziel, sol­che Stö­run­gen auf scho­nen­de Wei­se zu besei­ti­gen oder abzu­schwä­chen, sol­len Pro­jek­ti­ons­neu­ro­nen in der Groß­hirn­rin­de künf­tig ziel­ge­nau über Laser­licht akti­viert werden.

Zu die­sem Zweck pla­nen die am NEU­RO­PA-Pro­jekt betei­lig­ten For­scher die Ent­wick­lung neu­ar­ti­ger Phy­tochrom-Pho­to­re­zep­to­ren. Phy­tochro­me sind Pro­te­ine, die zwi­schen zwei Zustän­den hin und her geschal­tet wer­den kön­nen. Von der Wel­len­län­ge des Lichts, dem sie aus­ge­setzt sind, hängt es ab, in wel­cher Wei­se sie aktiv sind und wel­che Impul­se sie somit an ihre Umge­bung abge­ben. Die neu zu ent­wickeln­den Phy­tochro­me sol­len durch kom­pak­te Laser so gesteu­ert wer­den, dass sie ihrer­seits die Pro­jek­ti­ons­neu­ro­nen in der Groß­hirn­rin­de in der ange­streb­ten Wei­se akti­vie­ren. Unre­gel­mä­ßig­kei­ten bei der Signal­über­tra­gung in tie­fe­ren Schich­ten des Gehirns sol­len dadurch bes­ser ver­stan­den und in Zukunft auch gelin­dert werden.

Aber wie gelan­gen die durch Laser­strah­len steu­er­ba­ren Phy­tochro­me an the­ra­peu­tisch geeig­ne­te Stel­len in der Groß­hirn­rin­de? Es wäre durch­aus mög­lich, die Phy­tochro­me durch die Schä­del­decke in die Groß­hirn­rin­de ein­zu­sprit­zen. Doch das NEU­RO­PA-Pro­jekt will der­ar­ti­ge inva­si­ve Ver­fah­ren ver­mei­den und statt­des­sen eine inno­va­ti­ve, nicht-inva­si­ve Lösung ent­wickeln. Erkennt­nis­se und Ver­fah­ren der Gen­tech­nik sol­len künf­tig dafür sor­gen, dass sich die Phy­tochro­me an geeig­ne­ten Stel­len der Groß­hirn­rin­de von selbst her­aus­bil­den. Zudem kön­nen die ver­wen­de­ten Laser­strah­len mit Mikro­me­ter-Wel­len­län­ge die Schä­del­decke durchdringen.

„Unser euro­päi­sches Ver­bund­pro­jekt lei­stet Pio­nier­ar­beit auf einem noch jun­gen For­schungs­feld. Gemein­sam mit unse­ren Part­nern wol­len wir neue Erkennt­nis­se aus der Opto­ge­ne­tik, der Pho­to­nik und der Neu­ro­lo­gie zusam­men­füh­ren, um bei der Ent­wick­lung scho­nen­der The­ra­pien von Ner­ven-Netz­wer­ken im Gehirn neu­ar­ti­ge Ansät­ze zu ent­wickeln. Dies gilt ins­be­son­de­re im Hin­blick auf schwe­re neu­ro­de­ge­nera­ti­ve Erkran­kun­gen wie Alz­hei­mer oder Cho­rea Hun­ting­ton“, sagt Prof. Dr. Andre­as Mög­lich, Pro­fes­sor für Bio­che­mie an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth. Sei­ne For­schungs­grup­pe ver­fügt über lang­jäh­ri­ge Erfah­run­gen auf dem Gebiet der Pho­to­re­zep­to­ren und hat mit Ver­öf­fent­li­chun­gen auf dem Gebiet der Opto­ge­ne­tik in letz­ter Zeit inter­na­tio­nal gro­ße Beach­tung gefunden.

Inter­na­tio­na­le For­schungs­part­ner und Forschungsförderung

Im Ver­bund­pro­jekt NEU­RO­PA arbei­ten sechs Part­ner­ein­rich­tun­gen zusam­men: die Uni­ver­si­tät Bay­reuth, die Aston Uni­ver­si­ty in Bir­ming­ham, die Uni­ver­si­tät Oulu, die Uni­ver­si­tät Bar­ce­lo­na, die Uni­ver­si­té de Sor­bon­ne in Paris und die Phar­ma­co­idea Ltd in Sze­ged. NEU­RO­PA wird von der Euro­päi­schen Uni­on im Rah­men von „Hori­zon 2020“ als ein FET-Open-Pro­jekt (Future and Emer­ging Tech­no­lo­gies) geför­dert. Pro­jek­te die­ser Art sind sehr kom­pe­ti­tiv und zie­len dar­auf ab, hoch­in­no­va­ti­ve und tech­no­lo­gisch anspruchs­vol­le For­schungs­ideen so wei­ter­zu­ent­wickeln, dass nutz­brin­gen­de Anwen­dun­gen in Wirt­schaft und Gesell­schaft in greif­ba­re Nähe rücken.