Uni­ver­si­tät Bay­reuth: Exper­ten­mei­nung zu volks­wirt­schaft­li­chen Aus­wir­kun­gen der Corona-Pandemie

Symbolbild Bildung
Prof. Dr. Mario Larch. Foto: UBT.

Prof. Dr. Mario Larch. Foto: UBT.

Prof. Dr. Mario Larch hat den Lehr­stuhl für Empi­ri­sche Wirt­schafts­for­schung an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth inne. Der Volks­wirt­schaft­ler beschäf­tigt sich mit der empi­ri­schen Ana­ly­se von inter­na­tio­na­lem Han­del, inter­na­tio­na­ler Migra­ti­on und mul­ti­na­tio­na­ler Unter­neh­mens­tä­tig­keit. Aus sei­ner Sicht füh­ren die für die näch­sten drei Wochen auf­grund der Coro­na-Pan­de­mie getrof­fe­nen Maß­nah­men zu einem vor­über­ge­hen­den BIP-Ein­bruch um sechs Pro­zent oder 206 Mil­li­ar­den Euro. Larch geht aber davon aus, dass dies in der zwei­ten Jah­res­hälf­te teil­wei­se wie­der aus­ge­gli­chen wer­den kann. Dafür wären unter ande­rem tem­po­rä­re Steu­er­erleich­te­run­gen nötig. Die Wir­kun­gen auf den Finanz­märk­ten sind dabei nicht berück­sich­tigt. Auch eine even­tu­ell dar­aus län­ger resul­tie­ren­de Rezes­si­on ist noch nicht einschätzbar.

Wel­che Fol­gen hat die Pan­de­mie aus Ihrer Sicht auf den inter­na­tio­na­len Han­del, die inter­na­tio­na­le Migra­ti­on und mul­ti­na­tio­na­le Unternehmenstätigkeit?

Kurz­fri­stig kommt es sicher­lich zu erheb­li­chen Aus­wir­kun­gen. Durch die zuge­nom­me­ne Auf­split­tung von Wert­schöp­fungs­ket­ten und immer mehr Fir­men, die inter­na­tio­nal tätig sind, sind die Ein­schrän­kun­gen in der Mobi­li­tät natür­lich spür­bar. Wenn dies für ein paar Wochen anhält, dann lässt sich davon sicher­lich eini­ges, wenn auch nicht alles, nach­ho­len und damit die Ver­lu­ste etwas ein­gren­zen. Anzu­mer­ken ist, dass die Kon­junk­tur sowohl in Euro­pa als auch in den USA bereits zuvor am Schwä­cheln war. Wenn jetzt noch Schwie­rig­kei­ten auf­grund von COVID19 hin­zu­kom­men, ver­stärkt das schon vor­han­de­ne struk­tu­rel­le Pro­ble­me und kann dann schnel­ler und zu einer stär­ke­ren Abschwä­chung der Kon­junk­tur kom­men, als es ohne COVID19 der Fall gewe­sen wäre.

Wel­che Aus­wir­kun­gen erwar­ten Sie?

Für eine genaue Abschät­zung der Fol­gen muss man noch das tat­säch­li­che Aus­maß und den tat­säch­li­chen Ver­lauf abwar­ten. Wenn wir jetzt durch die getrof­fe­nen Maß­nah­men bis Ostern ent­schleu­ni­gen kön­nen, dann kostet das zwar unmit­tel­bar star­ke Ein­bu­ßen von drei Arbeits­wo­chen (oder sechs Pro­zent des Brut­to­in­lands­pro­dukts (BIP)). Wenn man von einem mehr oder weni­ger voll­stän­di­gen Aus­fall aus­geht und mit 50 Arbeits­wo­chen pro Jahr rech­net, dann kostet eine Arbeits­wo­che ca. zwei Pro­zent Wirt­schafts­lei­stung. Die Aus­wir­kun­gen auf die Finanz­märk­te sind hier­bei jedoch nicht berücksichtigt.

Was heißt das konkret?

Das Brut­to­in­lands­pro­dukt betrug in Deutsch­land im Jahr 2019 etwa 3.436 Mil­li­ar­den Euro. Sechs Pro­zent davon wäre dann ca. 206 Mil­li­ar­den Euro. Also, wenn wir bis Ostern ent­schleu­ni­gen kön­nen, dann kostet das even­tu­ell bis zu 206 Mil­li­ar­den Euro BIP, aber es ver­hin­dert hof­fent­lich län­ger­fri­stig stär­ke­re Aus­wir­kun­gen. Bei Erfolg der Maß­nah­men kann man auch sicher­lich einen Teil die­ser sechs Pro­zent in der zwei­ten Jah­res­hälf­te wie­der aufholen.

Gab es ver­gleich­ba­re Situa­tio­nen, an denen sich Unter­neh­men und Ent­schei­der ori­en­tie­ren könnten?

Es hat natür­lich auch in der Ver­gan­gen­heit immer wie­der tem­po­rä­re Schocks auf­grund von Epi­de­mien auf den Welt­han­del und die inter­na­tio­na­le Migra­ti­on gege­ben. In jün­ge­rer Ent­wick­lung SARS 2002/2003, etwas län­ger her auch die Spa­ni­sche Grip­pe 1918/19 oder ganz frü­her auch die Pest. Natür­lich haben gera­de die letz­te­ren zwei in einem ande­ren wirt­schaft­li­chen und insti­tu­tio­nel­len Umfeld statt­ge­fun­den. Es gibt aber zum Bei­spiel recht gesi­cher­te Evi­denz, dass die Pest 1346–51 ent­lang von Han­dels­rou­ten durch Händ­ler als pri­mä­re Über­trä­ger ver­brei­tet wur­de. Das klingt doch tat­säch­lich gar nicht so unähn­lich zur heu­ti­gen Situa­ti­on – wenn auch hof­fent­lich die Fol­gen deut­lich weni­ger dra­ma­tisch sein werden.

Wel­che Maß­nah­men hal­ten Sie jetzt für ange­bracht, um den größ­ten wirt­schaft­li­chen Scha­den abzuwenden?

Regio­na­le Han­dels­ab­kom­men, Ände­rung von recht­li­chen Insti­tu­tio­nen und Inve­sti­ti­ons­schutz­ab­kom­men wer­den im Moment wohl nicht zur Debat­te stehen.

Inso­fern hal­te ich bei tem­po­rä­ren Pro­ble­men Maß­nah­men für not­wen­dig, die schnell wir­ken, aber eben auch nur zeit­lich beschränkt ein­ge­führt wer­den. Tem­po­rä­re Steu­er­erleich­te­run­gen, Ein­mal­hil­fen an Fir­men, ein­ma­li­ge Aus­fall­haf­tun­gen oder kurz­fri­sti­ge Kre­dit­hil­fen könn­ten hier geeig­ne­te Maß­nah­men sein.

Auf wel­cher Ebe­ne – EU, Bund, Land, Kom­mu­ne – soll­ten die­se Maß­nah­men greifen?

Da es sich aus mei­ner Sicht um ein tem­po­rä­res Pro­blem han­delt, das sicher­lich unter­schied­li­che Regio­nen unter­schied­lich betrifft, macht es durch­aus Sinn, Maß­nah­men auf unter­schied­li­cher Ebe­ne zu ergrei­fen. Tou­ris­mus zum Bei­spiel, eine der sicher­lich am här­te­sten betrof­fe­nen Bran­chen, ist nicht in jeder Regi­on gleich stark vor­han­den und gleich struk­tu­riert. Regio­na­le Maß­nah­men kön­nen hier durch­aus ziel­füh­rend und auch ziel­füh­ren­der sein als Maß­nah­men auf einer höhe­ren Ebe­ne. Für die Ent­schleu­ni­gung der Ver­brei­tung sind sicher­lich Maß­nah­men auf der EU-Ebe­ne oder sogar auf der inter­na­tio­na­len Ebe­ne von Vor­teil und ver­mut­lich auch wirksamer.