Bay­reu­ther For­scher ent­decken neue Arsen­ver­bin­dun­gen in Reisfeldern

Symbolbild Bildung

Risi­ko oder Chan­ce für den Reisanbau?

Prof. Dr. Britta Planer-Friedrich, Dr. Carolin Kerl und Jiajia Wang M.Sc. (v.l.n.r.) vor dem Massenspektrometer in Bayreuth, mit dem der Nachweis der Thioarsenate in Reisböden gelang. Foto: José Miguel Leon Ninin.

Prof. Dr. Brit­ta Pla­ner-Fried­rich, Dr. Caro­lin Kerl und Jia­jia Wang M.Sc. (v.l.n.r.) vor dem Mas­sen­spek­tro­me­ter in Bay­reuth, mit dem der Nach­weis der Thio­ar­se­na­te in Reis­bö­den gelang. Foto: José Miguel Leon Ninin.

For­scher der Uni­ver­si­tät Bay­reuth haben zusam­men mit Wis­sen­schaft­lern aus Ita­li­en und Chi­na erst­mals syste­ma­tisch unter­sucht, unter wel­chen Bedin­gun­gen und in wel­chem Umfang schwe­fel­hal­ti­ge Arsen-Ver­bin­dun­gen in Reis­bö­den ent­ste­hen. Die­se Thio­ar­se­na­te wur­den bei Beur­tei­lun­gen der gesund­heit­li­chen Fol­gen des Reis­kon­sums bis­her nicht berück­sich­tigt. Im Fach­ma­ga­zin „Natu­re Geo­sci­ence“ stel­len die Wis­sen­schaft­ler ihre Ergeb­nis­se vor und iden­ti­fi­zie­ren drin­gen­den For­schungs­be­darf mit dem Ziel, die Ver­brau­cher vor gesund­heit­li­chen Risi­ken zu schützen.

Ein neu­es Mess­ver­fah­ren für Thioarsenate

Das For­schungs­team unter Lei­tung der Bay­reu­ther Umwelt­geo­che­mi­ke­rin Prof. Dr. Brit­ta Pla­ner-Fried­rich hat ein Mess­ver­fah­ren ent­wickelt, mit dem sich Thio­ar­se­na­te in Reis­bö­den zuver­läs­sig nach­wei­sen las­sen. Hier­für rei­chen die Ver­fah­ren, die bis­her rou­ti­ne­mä­ßig zur Kon­trol­le des Arsens auf Reis­fel­dern ein­ge­setzt wer­den, nicht aus. Denn sie sind nicht in der Lage, schwe­fel­hal­ti­ge Arsen-Ver­bin­dun­gen als sol­che zu iden­ti­fi­zie­ren und von sau­er­stoff­hal­ti­gen Arsen-Ver­bin­dun­gen zu unter­schei­den. Die­ser Man­gel ist im Hin­blick auf mög­li­che Gesund­heits­ri­si­ken hoch­pro­ble­ma­tisch. Zumin­dest von einer orga­ni­schen schwe­fel­hal­ti­gen Arsen-Ver­bin­dung, die auf Reis­fel­dern ent­deckt wur­de, ist bereits bekannt, dass sie die Ent­ste­hung von Krebs­er­kran­kun­gen begün­stigt. Umso wich­ti­ger ist es, orga­ni­sche schwe­fel­hal­ti­ge Arsen-Ver­bin­dun­gen gezielt auf­zu­spü­ren und auf ihre Gif­tig­keit hin zu unter­su­chen. Ver­mut­lich wur­den die­se Ver­bin­dun­gen infol­ge unzu­rei­chen­der Mess­ver­fah­ren bis­her mit ungif­ti­gen orga­ni­schen sau­er­stoff­hal­ti­gen Arsen-Ver­bin­dun­gen verwechselt.

Grenz­wert­kon­trol­len für alle gif­ti­gen Arsen-Verbindungen

„Die Auf­nah­me der unter­schied­li­chen Thio­ar­se­na­te in Reis­pflan­zen und davon aus­ge­hen­de poten­ti­el­le Gefah­ren für die mensch­li­che Gesund­heit müs­sen drin­gend wei­ter erforscht wer­den. Reis ist das welt­weit wich­tig­ste Nah­rungs­mit­tel und sichert die Lebens­grund­la­ge für mehr als die Hälf­te der Welt­be­völ­ke­rung“, erklärt Pla­ner-Fried­rich und for­dert, dass künf­tig für alle gif­ti­gen Arsen-Ver­bin­dun­gen gesetz­lich fest­ge­leg­te Grenz­wer­te gel­ten. „Ana­ly­ti­sche Ver­fah­ren zur Grenz­wert­kon­trol­le, die alle die­se Ver­bin­dun­gen kor­rekt erfas­sen, müs­sen zur Rou­ti­ne wer­den“, sagt die Bay­reu­ther Wis­sen­schaft­le­rin. Bis­lang gibt es nur für anor­ga­ni­sche sau­er­stoff­hal­ti­ge Arsen-Ver­bin­dun­gen einen gesetz­li­chen Grenz­wert, orga­ni­sche sau­er­stoff­hal­ti­ge Arsen-Ver­bin­dun­gen gel­ten als ungiftig.

Neue Ansät­ze für Prognose-Verfahren

Jiajia Wang M.Sc., der Erstautor der Studie, bei Untersuchungen auf einer Reisfeld-Versuchsanlage in Italien. Foto: Huiyun Zuo.

Jia­jia Wang M.Sc., der Erst­au­tor der Stu­die, bei Unter­su­chun­gen auf einer Reis­feld-Ver­suchs­an­la­ge in Ita­li­en. Foto: Hui­yun Zuo.

Mit ihrem neu­en Mess­ver­fah­ren haben die For­scher über lan­ge Zeit­räu­me hin­weg die Ent­ste­hung von schwe­fel­hal­ti­gen Arsen-Ver­bin­dun­gen auf Reis­fel­dern in Ita­li­en und Chi­na beob­ach­tet. Dabei stell­te sich her­aus: Die Men­gen der auf­tre­ten­den Thio­ar­se­na­te ste­hen in einem signi­fi­kan­ten Zusam­men­hang mit den pH-Wer­ten der Böden und wei­te­ren ein­fach zu mes­sen­den Para­me­tern. „Die­se Erkennt­nis­se ent­hal­ten wert­vol­le Ansatz­punk­te für die Ent­wick­lung von Pro­gno­se-Ver­fah­ren. Wenn sich künf­tig ohne gro­ßen tech­ni­schen Auf­wand vor­her­sa­gen lässt, auf wel­chen Reis­fel­dern beson­ders gro­ße oder nur gerin­ge Men­gen schwe­fel­hal­ti­ger Arsen-Ver­bin­dun­gen zu erwar­ten sind, wäre dies ein wich­ti­ger Bei­trag zur Ein­schät­zung von Gesund­heits­ri­si­ken“, sagt der Bay­reu­ther Dok­to­rand und Erst­au­tor der Stu­die, Jia­jia Wang MSc.

Drin­gen­der For­schungs­be­darf zu Chan­cen und Risiken

Um die von Thio­ar­se­na­ten aus­ge­hen­den Gesund­heits­ri­si­ken wis­sen­schaft­lich beur­tei­len zu kön­nen, hal­ten die Autoren der neu­en Stu­die wei­te­re For­schungs­ar­bei­ten für unab­ding­bar. So ist bei­spiels­wei­se zu klä­ren, auf wel­chen Trans­port­we­gen und in wel­chem Umfang die­se Arsen-Ver­bin­dun­gen von den Reis­fel­dern in die Reis­kör­ner gelan­gen. Dass schwe­fel­hal­ti­ge Arsen-Ver­bin­dun­gen in die Reis­pflan­ze und auch bis in Reis­korn gelan­gen kön­nen, wur­de bei Unter­su­chun­gen in Bay­reu­ther Labo­ra­to­ri­en schon bestä­tigt. Aller­dings ist beim der­zei­ti­gen Erkennt­nis­stand nicht aus­zu­schlie­ßen, dass die Gesamt­be­la­stung von Reis­ern­ten mit Arsen sogar sinkt, wenn sich in den Böden schwe­fel­hal­ti­ge statt sau­er­stoff­hal­ti­ge Arsen­ver­bin­dun­gen bil­den. Das wäre dann der Fall, wenn schwe­fel­hal­ti­ge Arsen-Ver­bin­dun­gen im Boden größ­ten­teils zurück­ge­hal­ten wer­den oder wenn Reis­pflan­zen die­se Ver­bin­dun­gen schlech­ter auf­neh­men könnten.

An der Uni­ver­si­tät Bay­reuth wer­den die­se Zusam­men­hän­ge in den Arbeits­grup­pen von Prof. Dr. Brit­ta Pla­ner-Fried­rich und dem Pflan­zen­phy­sio­lo­gen Prof. Dr. Ste­phan Cle­mens unter­sucht. Die Deut­sche For­schungs­ge­mein­schaft (DFG) und das Bun­des­mi­ni­ste­ri­um für Bil­dung und For­schung (BMBF) för­dern die­se inter­dis­zi­pli­när ange­leg­ten For­schungs­pro­jek­te. „Unse­re wei­te­ren Stu­di­en wer­den zei­gen, ob Thio­ar­se­na­te ins­ge­samt ein Risi­ko oder eine Chan­ce für die Pro­duk­ti­on von Reis dar­stel­len, der mög­lichst gerin­ge Men­gen an gesund­heits­ge­fähr­den­dem Arsen ent­hält. Erst dann kön­nen fun­dier­te Hand­lungs­an­wei­sun­gen für das Was­ser- oder Boden­ma­nage­ment auf Reis­fel­dern sowie die geziel­te Züch­tung neu­er Reis­sor­ten gege­ben wer­den“. sagt Planer-Friedrich.

Publi­ka­ti­on:

Wang J, Kerl C, Hu P, Mar­tin M, Mu T, Brüg­gen­wirth L, Wu G, Said-Pul­li­ci­no D, Roma­ni M, Wu L, Pla­ner-Fried­rich B: Thio­la­ted arse­nic spe­ci­es obser­ved in pad­dy soil pore-waters, Natu­re Geo­sci­ence, DOI: http://dx.doi.org/10.1038/s41561-020‑0533‑1