Uni­ver­si­tät Bay­reuth: Auf dem Weg zu bes­se­ren Wirk­stof­fen gegen Krebs

Symbolbild Bildung

Neue Erkennt­nis­se zum wich­ti­gen mensch­li­chen Onko­gen CDK8

Felix Klatt und Dr. Claus-D. Kuhn (re.) bei der Arbeit mit High Five Insektenzellen. Foto: Juli Eberle.

Felix Klatt und Dr. Claus‑D. Kuhn (re.) bei der Arbeit mit High Five Insek­ten­zel­len. Foto: Juli Eberle.

Der Bay­reu­ther Bio­che­mi­ker Dr. Claus‑D. Kuhn hat mit sei­nem For­schungs­team ent­schlüs­selt, wie das wich­ti­ge mensch­li­che Onko­gen CDK8 in Zel­len gesun­der Men­schen akti­viert wird. Die For­schungs­er­geb­nis­se, die jetzt in der Zeit­schrift ‚Pro­ce­e­dings of the Natio­nal Aca­de­my of Sci­en­ces U.S.A.‘ ver­öf­fent­licht wor­den sind, erklä­ren, war­um als viel­ver­spre­chend ange­se­he­ne Wirk­stof­fe zwar unter Labor­be­din­gun­gen, jedoch nicht im Men­schen wirk­sam sind. Zudem zei­gen die Ergeb­nis­se einen neu­en Weg auf, wie zukünf­tig CDK8-spe­zi­fi­sche Wirk­stof­fe ent­wickelt wer­den können.

Die mei­sten Krebs­er­kran­kun­gen wer­den durch eine Viel­zahl von indi­vi­du­el­len und von einem Men­schen zum ande­ren unter­schied­li­chen Fak­to­ren aus­ge­löst. Um die­se Kom­ple­xi­tät zu ent­wir­ren, müs­sen Gene iden­ti­fi­ziert wer­den, die zur Ent­ste­hung der jewei­li­gen Krebs­er­kran­kung bei­tra­gen. Sol­che Gene bezeich­net man als Onko­ge­ne. Ein bei­spiel­haf­tes Onko­gen ist CDK8 (engl.: Cyclin-depen­dent kina­se 8). Fehl­re­gu­lier­tes CDK8 ist ein wich­ti­ger Fak­tor bei der Ent­ste­hung von Darm‑, Brust- und Haut­krebs. Daher wur­de in den letz­ten Jah­ren viel in die Ent­wick­lung von Wirk­stof­fen inve­stiert, die aus­schließ­lich auf CDK8 abzie­len und nicht ande­re Mole­kü­le beein­flus­sen, die zwar eng mit CDK8 ver­wandt, jedoch für mensch­li­che Zel­len über­le­bens­wich­tig sind. Ein For­schungs­team an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth um den Bio­che­mi­ker Dr. Claus‑D. Kuhn hat nun her­aus­ge­fun­den, wie CDK8 in Zel­len gesun­der Men­schen akti­viert wird. Die For­schungs­er­geb­nis­se wur­den jetzt in der Zeit­schrift ‚Pro­ce­e­dings of the Natio­nal Aca­de­my of Sci­en­ces U.S.A.‘ vor­ge­stellt. Zudem zei­gen die Bay­reu­ther Wis­sen­schaft­ler und Wis­sen­schaft­le­rin­nen einen neu­en Weg auf, wie CDK8-spe­zi­fi­sche Wirk­stof­fe künf­tig ent­wickelt wer­den können.

MED12 bin­det und akti­viert CDK8

Das For­schungs­team war vor allem dar­an inter­es­siert, wie das Onko­gen CDK8 in gesun­den Zel­len akti­viert wird. „Dazu muss man wis­sen, dass CDK8 in unse­ren Zel­len nicht als ein­zel­nes Mole­kül vor­kommt, son­dern stets im Kom­plex mit drei Part­nern. Als Teil die­ses Kom­ple­xes besitzt CDK8 kom­plett ande­re Eigen­schaf­ten, wes­halb es uner­läss­lich ist, CDK8 als Teil die­ses Kom­ple­xes zu unter­su­chen“, erläu­tert der Erst­au­tor der Stu­die, der Bay­reu­ther Dok­to­rand Felix Klatt. Durch struk­tu­rel­le Bio­che­mie – gekop­pelt mit System­bio­lo­gie – ent­schlüs­sel­te das For­schungs­team, wie CDK8 durch zwei der drei Part­ner, Cyclin C und MED12, akti­viert wird. Dem­nach ist vor allem ein win­zi­ger Teil von MED12 dafür ver­ant­wort­lich, dass CDK8 akti­viert wird. Auf­grund sei­ner Struk­tur benann­ten die Bay­reu­ther Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler die­sen Teil ‚MED12 acti­va­ti­on helix‘.

Die ‚MED12 acti­va­ti­on helix‘ liegt in Tumo­ren oft mutiert vor

„Nach­dem wir die ‚MED12 acti­va­ti­on helix‘ ent­deckt hat­ten, waren wir sehr über­rascht, genau in die­sem Bereich einen Groß­teil der Muta­tio­nen zu fin­den, die in Myo­men der Gebär­mut­ter, bei Brust­krebs und bei chro­ni­scher lympha­ti­scher Leuk­ämie gefun­den wur­den“, berich­tet Dr. Claus‑D. Kuhn, der Lei­ter des Bay­reu­ther For­schungs­teams ‚Gene Regu­la­ti­on by Non-coding RNA‘ im Eli­te­netz­werk Bay­ern. „Die Über­ein­stim­mung unse­rer bio­che­mi­schen Grund­la­gen­for­schung und der Sequenz­ana­ly­se mensch­li­cher Tumo­ren war von uns in die­ser Klar­heit nicht erwar­tet wor­den.“ Durch nach­fol­gen­de bio­che­mi­sche Expe­ri­men­te konn­te sein Team zei­gen, dass die Muta­tio­nen nicht – wie frü­her ver­mu­tet – zu einer Desta­bi­li­sie­rung des CDK8 ent­hal­ten­den Kom­ple­xes füh­ren. Es kommt viel­mehr zu einer räum­li­chen Umla­ge­rung der ‚MED12 acti­va­ti­on helix‘ inner­halb des Kom­ple­xes, die zu einer abnor­mal ver­rin­ger­ten Akti­vi­tät von CDK8 führt – einem Zustand, der höchst­wahr­schein­lich zur Tumor­ent­ste­hung beiträgt.

Hoff­nung auf neue CDK8-spe­zi­fi­sche Wirkstoffe

Die Bin­dung von MED12 an CDK8 ver­än­dert jedoch nicht nur des­sen Akti­vi­tät, sie ändert auch das akti­ve Zen­trum des Enzyms CDK8. (Zur Erklä­rung: CDK8 ist eine soge­nann­te Kina­se, d.h. sie modi­fi­ziert ver­schie­den­ste Ziel­mo­le­kü­le mit Phos­phat­grup­pen, die wich­tig für die Gen­ab­le­se­ma­schi­ne­rie der Zel­le sind). Wie die For­schungs­grup­pe um Dr. Claus‑D. Kuhn zuletzt zei­gen konn­te, führt die­se Struk­tur­än­de­rung dazu, dass soge­nann­te Typ-II Kina­se-Inhi­bi­to­ren nicht mehr effek­tiv an CDK8 bin­den und die­ses hem­men. „Im Umkehr­schluss bedeu­tet dies, dass alle zukünf­ti­gen Ver­su­che, CDK8 zu inhi­bie­ren, zumin­dest auf Drei­er­kom­ple­xe von CDK8, Cyclin C und MED12 fokus­siert sein müs­sen. Wer­den, wie in der Ver­gan­gen­heit gesche­hen, Inhi­bi­to­ren nur gegen CDK8 in Kom­plex mit Cyclin C ent­wickelt, so sind die dar­aus resul­tie­ren­den Wirk­stof­fe sehr wahr­schein­lich kaum wirk­sam gegen CDK8“, zieht Dr. Claus‑D. Kuhn das Fazit.

Ver­öf­fent­li­chung
Felix Klatt et al.: A pre­cis­e­ly posi­tio­ned MED12 acti­va­ti­on helix sti­mu­la­tes CDK8 kina­se acti­vi­ty, Proc. Natl. Acad. Sci. U.S.A. (2020),

DOI: https://​dx​.doi​.org/​1​0​.​1​0​7​3​/​p​n​a​s​.​1​9​1​7​6​3​5​117