Lesung in Forch­heim: Was hat „Geil“ in einem from­men Buch zu suchen?

Alles eine Fra­ge hei­te­rer Betrach­tung. Rein­hold Schmitt stellt sein ach­tes Mund­art­buch „Himmls­dür­la“ vor.

Reinhold. Schmitt. Foto: Mike Wuttke

Rein­hold. Schmitt. Foto: Mike Wuttke

Das Kli­ma geht kaputt. Die Spra­che geht kaputt. Die Mund­art geht kaputt. Klagt Rein­hold Schmitt. Aber er macht was dage­gen. Schreibt Geschich­ten und Gedich­te in Forch­hei­mer Mund­art und hält Lesun­gen, die immer gut besucht sind. Jetzt stellt er am Diens­tag, 29. Okto­ber, um 19 Uhr im Kul­tur­raum St. Gere­on sei­nen ach­ten Band vor. Der Titel: „Himmls­dür­la“.

Das mehr als 150 Sei­ten umfas­sen­de Werk ist in dun­kel­blau­es Lei­nen gebun­den. So lang­sam schei­nen ihm resp. dem Ver­lag die Far­ben aus­zu­ge­hen. Nein, lacht der Stu­di­en­di­rek­tor i. R., die Far­ben nicht und die The­men nicht, und er zeigt in sei­ner Dich­ter­stu­be in der Fran­ken­au auf einen Sta­pel beschrie­be­ner Blät­ter, die dar­auf war­ten, gebun­den zu werden.

Ab und zu ein Zeigefinger

Also kein Alters­werk für den End­sieb­zi­ger, wor­auf der Titel sei­nes jüng­sten Wer­kes schlie­ßen las­sen könn­te. Natür­lich the­ma­ti­siert Rein­hold Schmitt die End­lich­keit des Lebens, der sich ja nie­mand ent­zie­hen kann. Aber er tut es augen­zwin­kernd und mit dem Grund­ton der Hei­ter­keit, der sich durch all sein Mund­art­schaf­fen zieht. Und er ist pein­lich dar­auf bedacht, dass sich Wei­ner­lich­keit nicht in sei­ne Gedich­te und Tex­te ein­schleicht. Der mah­nen­de Zei­ge­fin­ger darf es ab und zu schon sein bei den „Pro­ble­men des moder­nen Lebens“. Im Gedicht „Die annern“ beklagt er den Fort­schritt als die neue Reli­gi­on: „Meh­rer Frei­zeid, meh­rer kaafm, doo­zu braung­mä meh­rer Lohn“. Gedan­ken­lo­ser Kon­sum gene­riert Umwelt- und Luft­ver­schmut­zung: „Wer is schuld? Die annern sen’s … Mir sen’s ned, mir lebm ver­nümfdich, mir sen doch ned su wie die!“. Ein­mal in Har­nisch gera­ten, fließt dem Fach­leh­rer für Deutsch am Gym­na­si­um, der sei­ne Schü­ler für die Schön­heit der deut­schen Spra­che zu begei­stern ver­moch­te, über sei­ne Feder der Aus­druck „geil“ in das Buch. Aller­dings, um es als Teu­fels­wort zu brand­mar­ken („Geiz is geil“). Bei Schnäpp­chen, die zufrie­de­ne Men­schen gie­rig machen. Wer­bung sorgt dafür, „dass nie a Ruh eik­herd, dass mir nie zufriedn wern, dass mir all­fodd des Gfühl hamm, irgend­wos zu ver­bassn“. Wenn das Lachen zur Selbst­er­kennt­nis führt dann ist das ein guter Ausweg.

Kar­rie­re­frau Maria

Aber jetzt zu Schmitts höhe­ren Regio­nen. Der Anstoß zu die­sem Buch kam durch Mode­ra­tio­nen zur Mari­en­ver­eh­rung, um die er bei Kon­zer­ten des Kir­chen­cho­res Wim­mel­bach gebe­ten wur­de. Er soll­te dabei auch eige­ne Tex­te erar­bei­ten und vor­tra­gen. Muss­te dabei, gibt er zu, eine gewis­se Skep­sis gegen­über der über­trie­be­nen Mari­en­ver­eh­rung über­win­den. Aber: Augen­zwin­kern hilft ihm über sei­ne iro­ni­sche Distan­ziert­heit. Im Duk­tus unse­rer Zeit ver­leiht er der Got­tes­mut­ter Maria, die vom „Maad­la, arm, bescheidn“ zur „Kro­ne aller Frau­en“ und zur Him­mels­kö­ni­gin auf­ge­stie­gen ist, den Titel „Kar­rie­re­frau“. Erkennt aber den Sinn der Mari­en­ver­eh­rung: „Die Hei­ling alla zamm dun mir/​ned halb su vill verehrn./ Wie ko mä des ver­steh und wie/​lessd sich des bluuß erg­lern?“ Ganz ein­fach, Bezie­hun­gen muss man haben, denn: „Sie leechd a Word, a guuds,/ für uns beim Aller­högsdn ei./ Und wenn des wirgd, donn kum­män mir/​aa schnell in Himml nei.“

Der Autor behan­delt eine Viel­zahl von The­men. Er schöpft aus sei­ner Mini­stran­ten­zeit, aus dem Reli­gi­ons­un­ter­richt, Beob­ach­tun­gen von Engel und Hei­li­gen im kirch­li­chen Leben, und dem ewi­gen Dis­kurs der Kon­fes­sio­nen. Evan­ge­lisch – katho­lisch: wer darf jetzt durch die Him­mels­tür? Anni und Bet­ti sehen die Lösung in einem „Dop­pel-Pass“, wie ihn heu­te man­che Aus­län­der haben. Aber sie erken­nen auch das Pro­blem: Der Dop­pel-Pass ist äußer­lich, aber „unner Gla­abm is inner­lich“. Im Gedicht „Zu viel des Guten“ schei­tert ein Ver­such: „Die Doch­der is orch jung/​des wär ka gruß‘ Mallör,/ wenn etz der Freund ned aa/​nur evan­ge­lisch wär.“ Die Poin­te sei nicht ver­ra­ten, eben­so bei der Pro­ble­ma­tik einer Misch­ehe, dass sich der Vater („A guu­da Lösung“) im Gra­be her­um­dreht. Wirk­lich zum „grood nauslachn“.

Him­mels­tür und Nadelöhr

Vor dem „Himmls­dür­la“ und vor Petrus ste­hen natür­lich man­cher­lei Gestal­ten. So ein Schieds­rich­ter in kur­zer schwar­zer Hose bei des­sen fata­lem Finale:

„Ich hob wos gmachd, wos Schlimms sugor,
Elf­me­ter gebm, wuu kaa­ner wor.
A Län­ders­pill wor’s außerdem,
ka Wun­ner, dass ä mir etz scheem.

Wie lang des her is, muss i frong,
wenn’s dä nu eifelld, mussd mä’s song.
Wie lang? Des felld mä frei­lich ei:
Drei, vier Min­udn wern’s etz sei.“

Und wie schätzt der Autor sich selbst ein? Er bezieht sich erschrocken auf das Gleich­nis vom Nadelör nach Mar­kus 10.25: „Ich bin ned arm und drum vielleicht/​zu gruuß fürs Nadlöhr/​und hob etz Angsd, dass ich amol/​ned zu die Seling khör.“ Kei­ne Angst. Was wäre das für ein Para­dies, in dem es nichts zu lachen gäbe?

Zum Buch

Rein­hold Schmitt „Himmls­dür­la“, Gschichdla und Gedichdla über Gott und die Welt. Mit Zeich­nun­gen von Wer­ner Röss­ler. Ver­le­ger Franz Streit. 156 Sei­ten, 19,60 Euro. Erhält­lich im ört­li­chen Buch­han­del. Die Buch­vor­stel­lung umrah­men Hil­de Drum­mer und Maria Kin­topp mit Zwie­ge­sprä­chen und die Effel­tri­cher Musi­kan­ten. Ein­tritt frei.