Mit Blau­licht zur RNA-Kon­trol­le: For­scher der Uni­ver­si­tä­ten Bay­reuth und Bonn regu­lie­ren die Akti­vi­tät von RNA-Molekülen

Symbolbild Bildung

Boten-RNA-Mole­kü­le ent­hal­ten Erb­infor­ma­tio­nen und steu­ern damit die Syn­the­se von Pro­te­inen in leben­den Zel­len. Bio­che­mi­ker der Uni­ver­si­tät Bay­reuth und der Uni­ver­si­tät Bonn haben jetzt einen Weg ent­deckt, die­sen für die Gen­ex­pres­si­on zen­tra­len Vor­gang zu regu­lie­ren: In bestimm­ten Acti­no­bak­te­ri­en kommt ein Pro­te­in vor, das unter blau­em Licht RNA-Mole­kü­le bin­det und somit inak­ti­viert. So ist es prin­zi­pi­ell mög­lich, die RNA-gesteu­er­te Pro­te­in­syn­the­se nicht nur in Bak­te­ri­en, son­dern auch in den Zel­len von Säu­ge­tie­ren bis hin zum Men­schen über Licht ein- und aus­zu­schal­ten. Die in „Natu­re Che­mical Bio­lo­gy“ ver­öf­fent­lich­ten Erkennt­nis­se begrün­den eine neue For­schungs­rich­tung: die Optoribogenetik.

Schon län­ger wer­den Licht­si­gna­le ein­ge­setzt, um auf DNA-Ebe­ne die Tran­skrip­ti­on der Erb­infor­ma­ti­on – und folg­lich auch die von RNA-Mole­kü­len bewirk­te Pro­te­in­syn­the­se – zu ver­än­dern. Die­ser Ansatz ist ein Teil der Opto­ge­ne­tik und stellt mitt­ler­wei­le eine fest eta­blier­te Metho­de der Mole­ku­lar- und Zell­bio­lo­gie dar. Die neue Stu­die zeigt nun aber erst­mals einen Mecha­nis­mus auf, wie sich die Inter­ak­ti­on zwi­schen RNA und benach­bar­ten spe­zi­fi­schen Pro­te­inen durch Licht beein­flus­sen lässt. Die Gen­ex­pres­si­on in Bak­te­ri­en kann so direkt auf der Ebe­ne der RNA-Mole­kü­le (engl. Ribo­nu­cleic Acids) gesteu­ert werden.

Prof. Dr. Andreas Möglich und Jennifer Kaiser M.Sc. in einem Labor des Lehrstuhls für Biochemie der Universität Bayreuth. © Foto: Verena Kastner.

Prof. Dr. Andre­as Mög­lich und Jen­ni­fer Kai­ser M.Sc. in einem Labor des Lehr­stuhls für Bio­che­mie der Uni­ver­si­tät Bay­reuth. © Foto: Vere­na Kastner.

Den For­schern um Prof. Dr. Andre­as Mög­lich in Bay­reuth und Prof. Dr. Gün­ter May­er in Bonn ist der Nach­weis gelun­gen, dass die­ser Mecha­nis­mus auf die Zel­len von Säu­ge­tie­ren über­trag­bar ist. „In den näch­sten Jah­ren wol­len wir unse­re Erkennt­nis­se zu einer licht­ge­steu­er­ten, bei der RNA anset­zen­den Re-gulie­rung diver­ser zel­lu­lä­rer Pro­zes­se wei­ter ver­tie­fen. Dar­aus resul­tie­ren­de, bis dato nicht zur Ver­fü­gung ste­hen­de Werk­zeu­ge wer­den die Unter­su­chung zen­tra­ler zel­lu­lä­rer Vor­gän­ge unge­mein beför­dern. Der Grund­stein für die Opto­ri­bo­ge­ne­tik, eine neu­ar­ti­ge Ergän­zung der Opto­ge­ne­tik, ist jetzt gelegt“, sagt Prof. Dr. Andre­as Möglich.

Fahn­dung nach einem geeig­ne­ten Pro­te­in, das auf Licht reagiert

Aus­gangs­punkt der For­schungs­ar­bei­ten war die Suche nach einem bak­te­ri­el­len Pho­to­re­zep­tor­pro­te­in, wel­ches in der Lage ist, unter dem Ein­fluss von Licht das eige­ne Bin­dungs­ver­hal­ten in Bezug auf RNA zu ändern. Die Wis­sen­schaft­ler durch­such­ten die vor­han­de­nen Sequenz-Daten­ban­ken und wur­den fün­dig. Bak­te­ri­en der Spe­zi­es Naka­mu­rel­la mul­ti­par­ti­ta ent­hal­ten ein Pro­te­in mit einer auf­fäl­li­gen drei­glied­ri­gen Archi­tek­tur: Drei ver­schie­de­ne Abschnit­te – soge­nann­te Domä­nen namens „PAS“, „ANT­AR“ und „LOV“ – sind dar­in in einer unge­wöhn­li­chen Rei­hen­fol­ge hin­ter­ein­an­der geschal­tet. Wie in Koope­ra­ti­on mit der Arbeits­grup­pe von Prof. Dr. Robert Bittl an der Frei­en Uni­ver­si­tät Ber­lin gezeigt wer­den konn­te, reagiert die LOV-Pho­to­sen­sor-Domä­ne auf blau­es Licht und lei­tet die Signa­le an die ANT­AR-Domä­ne wei­ter. Die­se ver­än­dert dar­auf­hin ihre Struk­tur dahin­ge­hend, dass RNA-Mole­kü­le gebun­den und auf die­sem Wege unzu­gäng­lich gemacht wer­den: Sie ste­hen nicht län­ger für die Gen­ex­pres­si­on zur Ver­fü­gung, die in ihnen ent­hal­te­ne Erb­infor­ma­ti­on wird nicht mehr für die Syn­the­se von Pro­te­inen genutzt.

Erst wenn die Blau­licht-Bestrah­lung endet und die ANT­AR-Domä­ne wie­der in ihre nor­ma­le Struk­tur zu-rück­fällt, löst sich die Inter­ak­ti­on mit der RNA. Jetzt wird die RNA wie­der aktiv. Die For­scher haben die­sen Vor­gang zunächst am Bei­spiel der RNA-Apt­ame­ren eta­bliert und nach­ge­wie­sen. Die­se sind klei­ne RNA-Mole­kü­le mit einer haar­na­del­ähn­li­chen Struk­tur, die in die unter Blau­licht geöff­ne­te Struk­tur der ANT­AR-Domä­ne ein­drin­gen kön­nen und hier gebun­den wer­den. May­er: „Apt­ame­re funk­tio­nie­ren modu­lar: Sie las­sen sich wie mit einem Bau­ka­sten­sy­stem an ande­re Ein­hei­ten binden.“

Ihren neu­en For­schungs­an­satz haben die Wis­sen­schaft­ler auch in euka­ry­o­ti­schen Zel­len erprobt, in die sie das bak­te­ri­el­le Pro­te­in und die RNA-Apt­ame­re zuvor ein­ge­schleust hat­ten. Auch in die­sen Zel­len füh­ren die durch Blau­licht aus­ge­lö­sten Struk­tur­än­de­run­gen dazu, dass Boten-RNA-Mole­kü­le an das Pro­te­in bin­den und wäh­rend die­ses Zustands bei der Gen­ex­pres­si­on aus­fal­len. „Wir besit­zen des­halb jetzt einen Licht­schal­ter, mit dem sich die zel­lu­lä­re Akti­vi­tät von unter­schied­lich­sten RNA-Mole­kü­len gezielt ein- und aus­schal­ten lässt“, erklärt Prof. Dr. Gün­ter May­er vom LIMES-Insti­tut der Uni­ver­si­tät Bonn.

Sein Bay­reu­ther Kol­le­ge Prof. Dr. Andre­as Mög­lich ergänzt: „Der Ansatz zur licht­re­gu­lier­ten Kon­trol­le lässt sich prin­zi­pi­ell auf zahl­rei­che ande­re RNA-basier­te Pro­zes­se, wie bei­spiels­wei­se die Pro­zes­sie­rung von micro-RNAs und die damit ver­knüpf­te Gen-Stillegung, über­tra­gen.“ In Fol­ge­stu­di­en wol­len die bei­den Wis­sen­schaft­ler mit ihren Arbeits­grup­pen unter­su­chen, inwie­weit sich der jetzt ent­deck­te Mecha­nis­mus in Modell­or­ga­nis­men zur Kon­trol­le der Gen­ex­pres­si­on anwen­den lässt.

Publi­ka­ti­on:

Anna M. Weber et al.: A blue light recep­tor that media­tes RNA bin­ding and trans­la­tio­nal regu­la­ti­on. Natu­re Che­mical Bio­lo­gy, DOI: 10.1038/s41589-019‑0346‑y.