Ato­ma­re Ursa­chen von Supra­lei­tung: Bay­reu­ther For­scher erzie­len neue Erkennt­nis­se zu Metallhydriden

Symbolbild Bildung
Das Bayreuther Forschungsteam: Dr. Thomas Meier, Prof. Dr. Leonid Dubrovinsky, Prof. Dr. Natalia Dubrovinskaia, Timofey Fedotenko M.Sc., Saiana Khandarkhaeva M.Sc., PD Dr. Gerd Steinle-Neumann, Florian Trybel M.Sc., Dr. Sylvain Petitgirard (v.l.n.r.). Foto: Christian Wißler.

Das Bay­reu­ther For­schungs­team: Dr. Tho­mas Mei­er, Prof. Dr. Leo­nid Dubro­vin­sky, Prof. Dr. Nata­lia Dubro­vins­ka­ia, Timo­fey Fedo­ten­ko M.Sc., Sai­a­na Khand­ark­hae­va M.Sc., PD Dr. Gerd Stein­le-Neu­mann, Flo­ri­an Try­bel M.Sc., Dr. Syl­vain Petit­girard (v.l.n.r.). Foto: Chri­sti­an Wißler.

Supra­lei­ter könn­ten die Ener­gie­ver­sor­gung eines Tages revo­lu­tio­nie­ren. Dafür müs­sen sie aller­dings auch bei nor­ma­ler Raum­tem­pe­ra­tur in der Lage sein, elek­tri­schen Strom ohne Wider­stand zu trans­por­tie­ren. Im Unter­schied zu ande­ren Supra­lei­tern besit­zen was­ser­stoff­rei­che Metall­hy­dride die­se Fähig­keit nicht erst bei extre­mer Käl­te, son­dern schon bei Tief­kühl­schrank-Tem­pe­ra­tu­ren. Die Ursa­che hier­für sind ato­ma­re Pro­zes­se, die ein For­schungs­team der Uni­ver­si­tät Bay­reuth jetzt erst­mals expe­ri­men­tell nach­ge­wie­sen hat und theo­re­tisch erklä­ren konn­te. Die im „Phy­si­cal Review X“ ver­öf­fent­lich­ten Erkennt­nis­se ent­hal­ten wert­vol­le Ansatz­punk­te für die Ent­wick­lung tech­no­lo­gisch attrak­ti­ver Supraleiter.

In den letz­ten fünf Jah­ren ist es Wis­sen­schaft­lern an ver­schie­de­nen For­schungs­ein­rich­tun­gen gelun­gen, unter extre­men Drücken was­ser­stoff­rei­che Metall­hy­dride her­stel­len, die bei Tief­kühl­schrank-Tem­pe­ra­tu­ren – also bei etwa minus 20 Grad Cel­si­us – supra­lei­tend wer­den. Die­se soge­nann­te Sprung­tem­pe­ra­tur liegt somit bei Metall­hy­driden erheb­lich höher als bei allen ande­ren Supra­lei­tern, die nur bei extre­mer Käl­te unter­halb von minus 200 Grad Cel­si­us Strom ohne Wider­stand trans­por­tie­ren. Die Ursa­chen dafür, dass es sich bei Metall­hy­driden anders ver­hält, lagen bis­her im Dun­keln. Die For­scher am Baye­ri­schen Geo­in­sti­tut (BGI) und am Labor für Kri­stal­lo­gra­phie der Uni­ver­si­tät Bay­reuth haben nun die fun­da­men­ta­len Wech­sel­wir­kun­gen von Was­ser­stoff­ato­men in Metall­hy­driden ent­deckt und erklärt. Die­se Erkennt­nis­se ermög­li­chen es, zu einem tie­fe­ren Ver­ständ­nis des supra­lei­ten­den Zustands und sei­ner Ent­ste­hung vorzudringen.

„Wir ver­fü­gen jetzt über wert­vol­le Ansatz­punk­te für das Design von Metall­hy­driden, die mög­li­cher­wei­se bei noch höhe­ren Tem­pe­ra­tu­ren supra­lei­tend wer­den. Mit den neu­en Tech­no­lo­gien der Hoch­druck­for­schung im Baye­ri­schen Geo­in­sti­tut kön­nen wir die­se Mate­ria­li­en syn­the­ti­sie­ren und unse­re Vor­her­sa­gen direkt vor Ort empi­risch über­prü­fen. Die Mes­sun­gen unter Hoch­druck wir­ken wie­der­um auf unse­re theo­re­ti­schen Annah­men zurück. Dadurch ermög­li­chen sie immer prä­zi­se­re Vor­her­sa­gen der ato­ma­ren Pro­zes­se, die Metall­hy­dride in den supra­lei­ten­den Zustand ver­set­zen“, sagt Dr. Tho­mas Mei­er, der Lei­ter des Bay­reu­ther Forschungsteams.

Die Visi­on der Bay­reu­ther For­scher reicht weit in die Zukunft: Im Wech­sel­spiel von theo­re­ti­schen Vor­her­sa­gen und empi­ri­schen Mes­sun­gen wol­len sie Mate­ria­li­en syn­the­ti­sie­ren, deren Sprung­tem­pe­ra­tu­ren sich der nor­ma­len Raum­tem­pe­ra­tur immer wei­ter annä­hern. Die­se Mate­ria­li­en könn­ten eines Tages tat­säch­lich eine zen­tra­le Bedeu­tung für den ver­lust­frei­en Trans­port elek­tri­scher Ener­gie gewin­nen. Bis dahin ist aller­dings noch eine ande­re Hür­de zu über­win­den: Die bis­her unter­such­ten Metall­hy­dride sind nur so lan­ge supra­lei­tend, wie der hohe Kom­pres­si­ons­druck anhält, unter dem sie ent­stan­den sind. Sinkt der Druck, zer­fal­len die Mate­ria­li­en. Aber nur dann, wenn Supra­lei­ter mit einer hohen Sprung­tem­pe­ra­tur sich unter nor­ma­len Umge­bungs­be­din­gun­gen als sta­bil erwei­sen, kom­men sie für tech­no­lo­gi­sche Anwen­dun­gen infrage.

Die jetzt ver­öf­fent­li­chen Erkennt­nis­se zu ato­ma­ren Pro­zes­sen in was­ser­stoff­rei­chen Metall­hy­driden konn­ten dadurch erzielt wer­den, dass die Bay­reu­ther For­scher zeit­gleich zwei For­schungs­tech­no­lo­gien ange­wen­det haben: die geo- und mate­ri­al­wis­sen­schaft­li­che Hoch­druck­for­schung und die magne­ti­sche Kern­re­so­nanz­spek­tro­sko­pie (NMR). Für die­se Kom­bi­na­ti­on wur­de das Baye­ri­sche Geo­in­sti­tut der Uni­ver­si­tät Bay­reuth im Jahr 2018 als einer der „100 aus­ge­zeich­ne­ten Orte im Land der Ideen“ aus­ge­wählt. Dr. Tho­mas Mei­er hat­te mit sei­nen For­schungs- und Ent­wick­lungs­ar­bei­ten maß­geb­lich dazu bei­tra­gen, die­se bis vor kur­zem noch getrenn­ten Ver­fah­ren zu verknüpfen.

Ver­öf­fent­li­chung:

Tho­mas Mei­er et al.: Pres­su­re-Indu­ced Hydro­gen-Hydro­gen Inter­ac­tion in Metal­lic FeH Reve­a­led by NMR. Phys. Rev. X 9, 031008 (2019). DOI: 10.1103/PhysRevX.9.031008