Die Fluss­perl­mu­schel kämpft ums Überleben

Die Fischereifachberatung des Bezirks rettet letzte Bestände aus trockenen Bächen
Die Fischereifachberatung des Bezirks rettet letzte Bestände aus trockenen Bächen

„Wir sind mit­ten in einem wei­te­ren Hit­zesom­mer. Nach 2015 und 2018 fal­len vie­le Gewäs­ser der Fluss­perl­mu­schel erneut trocken. Wir kämp­fen dafür, dass die Muschel über­lebt. Aber wenn in Zukunft die geeig­ne­ten Gewäs­ser feh­len, haben wir kei­ne Chan­ce.“ Dr. Tho­mas Spei­erl, Lei­ter der Fach­be­ra­tung für Fische­rei des Bezirks Ober­fran­ken, hat mit sei­nen Mit­ar­bei­tern alle Hebel in Bewe­gung gesetzt, um die Fluss­perl­mu­schel (Mar­ga­ri­ti­fera mar­ga­ri­ti­fera) im Drei-Län­der-Eck im Land­kreis Hof zu erhalten.

Aber gegen die Trocken­heit kön­nen auch das enga­gier­te Team der Fische­rei­fach­be­ra­tung des Bezirks Ober­fran­ken und die wei­te­ren betei­lig­ten Fach­be­hör­den, Ver­bän­de und inter­na­tio­na­len Exper­ten nichts tun. Eini­ge der Per­len­bä­che sind in der ver­gan­ge­nen Hit­ze­pe­ri­ode trocken­ge­fal­len. Mit einer Umsied­lung von Muschel­be­stän­den aus den Per­len­bä­chen an der baye­risch-tsche­chi­schen Gren­ze haben die Muschel­ex­per­ten in den ver­gan­ge­nen Wochen die letz­te mög­li­che Maß­nah­me ergrif­fen. Nun kommt es dar­auf an, ob sich die Fluss­perl­mu­schel auch in dem neu­en Gewäs­ser behaup­ten kann.

Eini­ge Fak­to­ren müs­sen gut zusam­men­spie­len, damit die Umsied­lung erfolg­reich ist: Die kalk­ar­men Muschel­ge­wäs­ser müs­sen eine sehr gute Was­ser­qua­li­tät auf­wei­sen, die Tem­pe­ra­tur­be­la­stung darf nicht zu hoch sein und die Gewäs­ser­strecken müs­sen sau­be­ren, locke­ren Bach­kies auf­wei­sen. Zudem müs­sen Wirts­fi­sche zur Ver­meh­rung vor­han­den und die Vor­kom­men der natür­li­chen Fein­de die­ser Wirts­fi­sche gering sein. „Fluss­perl­mu­schel und Bach­fo­rel­le haben hohe Ansprü­che an die Was­ser­qua­li­tät und beson­ders ihre frü­hen Ent­wick­lungs­sta­di­en sind emp­find­lich gegen­über Sedi­men­ten. Gefähr­det ist die Fluss­perl­mu­schel auch durch schwin­den­de Bestän­de ihres Wirts­fi­sches, der Bach­fo­rel­le“, weiß Bezirks­tags­prä­si­dent Hen­ry Schramm um die gro­ßen Her­aus­for­de­run­gen, die Bestän­de der Fluss­perl­mu­scheln zu erhalten.

Denn auch die Ver­meh­rung der Fluss­perl­mu­schel ist sehr kom­plex und funk­tio­niert in baye­ri­schen Gewäs­sern nur im Zusam­men­spiel mit der Bach­fo­rel­le. Ihre win­zi­ge Früh­form (Gloch­i­di­en), die mit blo­ßem Auge nicht zu erken­nen sind, benö­tigt die Bach­fo­rel­le als Wirts­fisch, auf deren Kie­men die Lar­ven etwa ein Jahr leben. Mit einer Grö­ße von etwa einem hal­ben Mil­li­me­ter fal­len die Jung­mu­scheln dann ab und ent­wickeln sich anschlie­ßend ver­steckt in den Kies­bet­ten der Gewäs­ser. Erst im aus­ge­wach­se­nen Sta­di­um, mit nun har­ter Scha­le, kom­men sie nach etwa sie­ben bis zehn Jah­ren wie­der an die Ober­flä­che des Gewäs­ser­grun­des und wer­den im Alter von 15 Jah­ren geschlechts­reif. Bei einer erfolg­rei­chen Fort­pflan­zung kön­nen dann bis zu 4 Mil­lio­nen Muschel­lar­ven ins Gewäs­ser ent­las­sen wer­den. An den Kie­men der Bach­fo­rel­le kön­nen sich bis zu 1.000 Gloch­i­di­en ansiedeln.

Um die Bach­fo­rel­len-Popu­la­ti­on zu stüt­zen, hat der Bezirk in den ver­gan­ge­nen drei Jah­ren in Abstim­mung mit den tsche­chi­schen Kol­le­gen Brut­bo­xen mit Jung­fi­schen der Bach­fo­rel­le in den ober­frän­ki­schen Perl­mu­schel­ge­wäs­sern ein­ge­setzt. Denn bei einer Bestands­auf­nah­me im Früh­ling die­ses Jah­res stell­ten die Exper­ten des Bezirks einen wei­te­ren dra­sti­schen Rück­gang der Bach­fo­rel­le fest: Im Jahr 2015 konn­ten in den aus­ge­wähl­ten Perl­mu­schel­ge­wäs­sern noch knapp 30 Wirts­fi­sche auf 100 Meter Bach­lauf erfasst wer­den, zwei Jah­re spä­ter nur noch drei Wirts­fi­sche auf der glei­chen Strecke. „Der dra­ma­ti­sche Rück­gang der Bach­fo­rel­le hat unse­rer Ansicht nach zwei Ursa­chen: die zuneh­men­de Erwär­mung und Aus­trock­nung der Bäche durch die anhal­ten­den Hit­ze­pe­ri­oden und die Trocken­heit in den letz­ten Jah­ren sowie ein zuneh­men­der Druck durch Fress­fein­de wie den Fisch­ot­ter“, ver­mu­tet Dr. Tho­mas Spei­erl. Wenn die Bach­fo­rel­le fehlt, hat die Fluss­perl­mu­schel kei­ne Chan­ce auf Vermehrung.

Neben dem geziel­ten Bestands­ma­nage­ment bei der Bach­fo­rel­le durch Brut­bo­xen unter­stützt der Bezirk Ober­fran­ken auch die Nach­zucht der vom Aus­ster­ben bedroh­ten Fluss­perl­mu­schel an der neu eröff­ne­ten Fluss­perl­mu­schel­zucht­sta­ti­on Huscher­müh­le. Zusam­men mit dem tsche­chi­schen Muschel­ex­per­ten Dr. Ondrej Spi­sar ver­sucht man hier­zu in der Lehr­an­stalt für Fische­rei des Bezirks Ober­fran­ken in Auf­seß Bach­fo­rel­len gezielt mit Muschel­lar­ven zu „infi­zie­ren“, um sie künst­lich zu ver­meh­ren. Die so erhal­te­nen Jung­mu­scheln wer­den spä­ter gezielt in geeig­ne­te Gewäs­ser aus­ge­setzt – viel­leicht die letz­te Chan­ce, um die Fluss­perl­mu­schel in Ober­fran­ken zu erhalten.

INFO:

Die Fluss­perl­mu­schel ist eine der älte­sten Tier­ar­ten. Sie lebt in kal­ten, sau­be­ren, kalk­ar­men und sau­er­stoff­rei­chen Bächen. Bestän­de von Fluss­perl­mu­scheln im Grenz­ge­biet Bayern/​Sachsen/​Tschechien sind seit dem Mit­tel­al­ter bekannt. Ihre Per­len und Scha­len wur­den vor allem im nahe gele­ge­nen Vogt­land, aber auch in Fran­ken und Böh­men zu Schmuck und Kunst­ge­gen­stän­den verarbeitet.

Die einst­mals reich­hal­ti­gen Bestän­de der Fluss­perl­mu­schel sind durch vie­le Fak­to­ren wie Ver­schlam­mung der Gewäs­ser, Fress­fein­de und schlech­te Was­ser­qua­li­tät akut vom Aus­ster­ben bedroht. Fluss­perl­mu­scheln wer­den bis zu 100 Jah­re alt, die der­zei­ti­gen Bestän­de im Drei-Län­der-Eck sind etwa 70 Jah­re alt.

Zum Schutz der Fluss­perl­mu­schel hat der Bezirk Ober­fran­ken bereits vor Jah­ren im Drei­län­der­eck Ober­fran­ken-Sach­sen-Tsche­chi­en Fische­rei­rech­te erwor­ben und die von der Was­ser­wirt­schaft durch­ge­führ­ten Maß­nah­men zur Abwas­ser­rei­ni­gung unter­stützt. Die Fach­be­ra­tung für Fische­rei des Bezirks Ober­fran­ken bewirt­schaf­tet gezielt Tei­che, um wei­te­re Sedi­ment­ein­trä­ge in die Perl­mu­schel­ge­wäs­ser zu verhindern.