Uni­ver­si­tät Bay­reuth: Magne­tis­mus im Erd­man­tel entdeckt

Symbolbild Bildung

Neue Erkennt­nis­se über das Erd­ma­gnet­feld: For­scher zei­gen, dass das Eisen­oxid Häma­tit tief im Erd­man­tel magne­tisch ist / Stu­die in „Natu­re“.

Das Innere der Erde grafisch dargestellt. Die gestrichelten blauen Linien zeigen das Magnetfeld, das die Erde umgibt. Die Forscher pressten und erhitzten Proben des im Erdmantel vorkommenden Eisenoxids Hämatit zwischen zwei Diamanten (rechts), um die extremen Bedingungen im Erdmantel nachzustellen. Sie beobachteten, dass das Eisenoxid unter diesen Bedingungen magnetisch ist. Bild: Timofey Fedotenko.

Das Inne­re der Erde gra­fisch dar­ge­stellt. Die gestri­chel­ten blau­en Lini­en zei­gen das Magnet­feld, das die Erde umgibt. Die For­scher press­ten und erhitz­ten Pro­ben des im Erd­man­tel vor­kom­men­den Eisen­oxids Häma­tit zwi­schen zwei Dia­man­ten (rechts), um die extre­men Bedin­gun­gen im Erd­man­tel nach­zu­stel­len. Sie beob­ach­te­ten, dass das Eisen­oxid unter die­sen Bedin­gun­gen magne­tisch ist. Bild: Timo­fey Fedotenko.

Das rie­si­ge Magnet­feld, das die Erde umgibt, sie vor Strah­len und gela­de­nen Teil­chen aus dem All schützt und an dem sich vie­le Tie­re sogar ori­en­tie­ren kön­nen, ist in stän­di­gem Wan­del – wes­halb es auch unter stän­di­ger Beob­ach­tung von Geo­wis­sen­schaft­lern ist. Die alt­be­kann­te Quel­le des Erd­ma­gnet­felds ist der bis etwa 6.000 Kilo­me­ter im Erd­in­ne­ren lie­gen­de Kern. Der Erd­man­tel hin­ge­gen, 35 bis 2.900 Kilo­me­ter tief, wur­de bis­her wei­test­ge­hend als „magne­tisch tot“ ange­se­hen. Ein inter­na­tio­na­les For­scher­team aus Deutsch­land, Frank­reich, Däne­mark und den USA hat nun gezeigt, dass eine Form des Eisen­oxids, das Häma­tit, auch tief im Erd­man­tel sei­ne magne­ti­schen Eigen­schaf­ten behal­ten kann. Das pas­siert in ver­hält­nis­mä­ßig kal­ten Gesteins­plat­ten, die vor allem unter dem West­pa­zi­fi­schen Oze­an vorkommen.

„Das neue Wis­sen über den Erd­man­tel und die stark magne­ti­sche Regi­on im West­pa­zi­fik könn­te ein neu­es Licht auf die Beob­ach­tun­gen des Erd­ma­gnet­felds wer­fen“, sagt Mine­ral­phy­si­ker und Erst­au­tor Dr. Ilya Kupen­ko vom Insti­tut für Mine­ra­lo­gie an der West­fä­li­schen Wil­helms-Uni­ver­si­tät Mün­ster (WWU), der an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth pro­mo­viert wur­de und hier als Post­doc am Baye­ri­schen Geo­in­sti­tut (BGI) geforscht hat. Die Erkennt­nis­se kön­nen zum Bei­spiel für zukünf­ti­ge Beob­ach­tun­gen der erd­ma­gne­ti­schen Auf­fäl­lig­kei­ten rele­vant sein. Dar­über hin­aus könn­ten sie auch Auf­schlüs­se über den Magne­tis­mus ande­rer Pla­ne­ten wie Mars geben. Der Grund: Mars besitzt kei­nen soge­nann­ten Dyna­mo in sei­nem Kern mehr und damit auch kei­ne Quel­le, um ein star­kes Magnet­feld wie die Erde auf­zu­bau­en – es könn­te sich nun aber loh­nen, einen genaue­ren Blick auf sei­nen Man­tel zu wer­fen. Die Stu­die ist in der Fach­zeit­schrift „Natu­re“ erschienen.

Hin­ter­grund und Methode:

Tief im metal­li­schen Erd­kern ist es flüs­si­ges Eisen, das elek­tri­sche Strö­me aus­löst. In der äußer­sten Erd­kru­ste sind Gestei­ne vom magne­ti­schen Feld magne­ti­siert. Auf­grund der sehr hohen Tem­pe­ra­tu­ren und Druck­be­din­gun­gen in den tie­fe­ren Regio­nen des Erd­in­ne­ren war ange­nom­men wor­den, dass Gestei­ne ihre magne­ti­schen Eigen­schaf­ten ver­lie­ren. Die For­scher sahen sich nun die poten­zi­el­len Quel­len für Magne­tis­mus im Erd­man­tel genau­er an: Eisen­oxi­de, die eine hohe kri­ti­sche Tem­pe­ra­tur auf­wei­sen – sprich die Tem­pe­ra­tur, ab der Mate­ria­li­en ihre magne­ti­schen Eigen­schaf­ten ver­lie­ren. Eisen­oxi­de tre­ten im Erd­man­tel in Gesteins­plat­ten auf, die durch Plat­ten­ver­schie­bun­gen von der Erd­kru­ste wei­ter in den Man­tel gedrückt wur­den. Die Plat­ten kön­nen eine Tie­fe zwi­schen 410 und 660 Kilo­me­ter im Erd­in­ne­ren errei­chen, die soge­nann­te Über­gangs­zo­ne zwi­schen dem obe­ren und unte­ren Erd­man­tel. Bis­her war es aller­dings nicht gelun­gen, die magne­ti­schen Eigen­schaf­ten des Eisen­oxids wäh­rend der extre­men Druck- und Tem­pe­ra­tur­be­din­gun­gen zu mes­sen, die dort unten herrschen.

Nun kom­bi­nier­ten die Wis­sen­schaft­ler zwei Metho­den mit­ein­an­der. Mit­hil­fe einer soge­nann­ten Dia­mant­stem­pel­zel­le, einem Ver­fah­ren, bei dem sehr klei­ne Mate­ri­al­pro­ben zwi­schen zwei Dia­man­ten zusam­men­ge­presst wer­den, übten sie einen Druck von bis zu 90 Giga­pas­cal auf das Eisen­oxid Häma­tit aus. Zusätz­lich erhitz­ten sie die win­zi­ge Gesteins­pro­be mit einem Laser auf bis zu mehr als 1.000 Grad Cel­si­us. Die­ses Ver­fah­ren kom­bi­nier­ten sie mit der soge­nann­ten Möß­bau­er-Spek­tro­sko­pie, bei der mit­hil­fe von Syn­chro­tron-Strah­len der magne­ti­sche Zustand der Pro­ben unter­sucht wer­den kann. „Die Idee, die­se bei­den Metho­den zu ver­knüp­fen, haben wir am Baye­ri­schen Geo­in­sti­tut im Rah­men eines vom BMBF geför­der­ten Pro­jekts ent­wickelt und aus­ge­ar­bei­tet“, sagt Co-Autorin Dr. Cathe­ri­ne McCam­mon vom BGI. Die spek­tro­sko­pi­schen Unter­su­chun­gen wur­den dann in der Syn­chro­tron­an­la­ge ESRF in Gre­no­ble (Frank­reich) durch­ge­führt und mach­ten es mög­lich, die Ver­än­de­run­gen des Eisen­oxids zu beobachten.

Das über­ra­schen­de Ergeb­nis: Das Häma­tit blieb magne­tisch bis zu einer Tem­pe­ra­tur von rund 925 Grad – der Tem­pe­ra­tur, die am Ort ihres Vor­kom­mens in den „abge­tauch­ten“ Plat­ten im Erd­man­tel unter dem Pazi­fi­schen Oze­an herrscht. „Damit zei­gen wir, dass der Erd­man­tel bei wei­tem nicht so ‚magne­tisch tot‘ ist, wie zuvor ange­nom­men“, sagt Prof. Dr. Car­men Sanchez-Val­le vom Insti­tut für Mine­ra­lo­gie der WWU. „Die­se Erkennt­nis­se könn­ten Schluss­fol­ge­run­gen für das gesam­te Magnet­feld der Erde zulassen.“

Rele­vanz für Unter­su­chun­gen des Erd­ma­gnet­felds und der Bewe­gung der Pole

For­scher beob­ach­ten das Erd­ma­gnet­feld und die stän­di­gen loka­len und regio­na­len Ver­än­de­run­gen in der magne­ti­schen Stär­ke, indem sie Satel­li­ten ein­set­zen und Gestei­ne unter­su­chen. Hin­ter­grund: Die geo­ma­gne­ti­schen Pole der Erde – nicht zu ver­wech­seln mit den geo­gra­fi­schen Polen – sind lau­fend in Bewe­gung. Infol­ge ihrer Wan­de­rung haben sie in der jün­ge­ren Erd­ge­schich­te sogar alle paar hun­dert­tau­send Jah­re ihre Posi­ti­on mit­ein­an­der getauscht. Der letz­te Pol­sprung ereig­ne­te sich vor 780.000 Jah­ren, und seit ein paar Jahr­zehn­ten berich­ten Wis­sen­schaft­ler davon, dass sich die magne­ti­schen Pole der Erde schnel­ler bewe­gen. Ein Umdre­hen der Magnet­po­le hät­te Aus­wir­kun­gen auf die moder­ne mensch­li­che Zivi­li­sa­ti­on, zum Bei­spiel wären Satel­li­ten weni­ger geschützt und die Funk­ti­on von Strom­net­zen bedroht. Eine der beob­ach­te­ten Rou­ten der Pole bei ihrer Wan­de­rung ver­läuft über den West­pa­zi­fik – und stimmt damit auf­fäl­lig mit den nun auf­ge­deck­ten elek­tro­ma­gne­ti­schen Quel­len im Erd­man­tel über­ein. Daher zie­hen die For­scher die Mög­lich­keit in Betracht, dass die im Pazi­fik beob­ach­te­ten Magnet­fel­der nicht die Wan­de­rungs­rou­te der auf der Erd­ober­flä­che gemes­se­nen Pole dar­stel­len, son­dern von der bis­her unbe­kann­ten elek­tro­ma­gne­ti­schen Quel­le der Häma­tit-hal­ti­gen Gestei­ne im Erd­man­tel unter dem West­pa­zi­fik stammen.

„Das neue Wis­sen, dass es dort unten im Erd­man­tel magne­tisch geord­ne­te Mate­ria­li­en gibt, soll­te bei zukünf­ti­gen Unter­su­chun­gen des Magnet­felds der Erde und der Bewe­gung ihrer Pole mit­ein­be­zo­gen wer­den“, sagt Co-Autor Prof. Dr. Leo­nid Dubro­vin­sky vom Baye­ri­schen Geo­in­sti­tut der Uni­ver­si­tät Bayreuth.

För­de­rung:

Die Stu­die erhielt finan­zi­el­le Unter­stüt­zung durch die West­fä­li­sche Wil­helms-Uni­ver­si­tät Mün­ster (WWU), die Deut­sche For­schungs­ge­mein­schaft und das Bun­des­mi­ni­ste­ri­um für Bil­dung und Forschung.

Ori­gi­nal­pu­bli­ka­ti­on:

I. Kupen­ko, G. Apri­l­is, D.M. Vasi­ukov, C. McCam­mon, S. Cha­ri­ton, V. Ceran­to­la, I. Kan­tor, A.I. Chu­ma­kov, R. Rüf­fer, L. Dubro­vin­sky, and C. Sanchez-Val­le (2019): Magne­tism in cold sub­du­cing slabs at man­t­le tran­si­ti­on zone depths. Natu­re; DOI: 10.1038/s41586-019‑1254‑8