BUND Natur­schutz: „Kanu­ver­leih­ver­bot auf der Wie­sent miss­ach­tet – das Land­rats­amt hilft dem kom­mer­zi­el­len Verleih“

BN-Kla­ge zum Kanu­fah­ren auf der Wiesent

Der BUND Natur­schutz hat­te am 8. April 2019 Kla­ge gegen die Schiff­fahrts­ge­neh­mi­gung des Land­rats­am­tes Forch­heim ein­ge­reicht, die den Ver­leih von Boo­ten durch Pri­vat­fir­men auf der Wie­sent regelt. Ziel war und ist es, den Schutz der Wie­sent als natur­na­her Fluss, der euro­pä­isch geschütz­ten Lebens­räu­me und der geschütz­ten und bedroh­ten Fisch- und Vogel­ar­ten sicher­zu­stel­len. In einem Pres­se­ge­spräch in Forch­heim berich­te­ten Ver­tre­ter des BUND Natur­schutz und des Baye­ri­schen Kanu­ver­ban­des über den aktu­el­len Stand der Auseinandersetzung:

Die Kla­ge hat­te zur Fol­ge, dass die drei im Land­kreis Forch­heim ansäs­si­gen Kanu­ver­leih­be­trie­be ab 1. Mai kei­ne Kanus für die Befah­rung der Wie­sent ver­lei­hen durf­ten. Und obwohl das zustän­di­ge Ver­wal­tungs­ge­richt Bay­reuth die­se Betrie­be über die Kla­ge infor­miert und sie zum Ver­fah­ren bei­gela­den hat, wur­den ab dem 1. Mai wider­recht­lich Kanus verliehen.

„Zunächst befrem­det uns das Vor­ge­hen der Kanu­ver­lei­her, die ja wuss­ten, was auf sie zukommt. Die seit Jah­ren wuss­ten, dass sie eine Ver­träg­lich­keits­prü­fung nach EU-Recht im Vogel­schutz­ge­biet brau­chen. Dass sie trotz­dem das Recht bre­chen, hät­ten wir nicht erwar­tet“, so Dr. Ulrich Buch­holz, Vor­sit­zen­der der BN-Kreis­grup­pe Forch­heim. „Wir haben das natür­lich doku­men­tiert und das Land­rats­amt und das Gericht informiert.“

Das Land­rats­amt Forch­heim reagier­te schnell. Aber nicht, um den euro­päi­schen Schutz­auf­trag zu erfül­len oder das unrecht­mä­ßi­ge Ver­hal­ten der drei Wirt­schafts­be­trie­be zu been­den. Bereits am 7. Mai erließ das Amt auf Antrag der Kanu­ver­lei­her einen sog. Sofort­voll­zug, mit dem ihnen der Betrieb wie­der gestat­tet wur­de. Das Land­rats­amt stellt hier die Inter­es­sen der drei Betrie­be über das der All­ge­mein­heit und behaup­tet, „der Nach­weis, dass das Kanu­fah­ren zu erheb­li­chen Ein­grif­fen führt, kann nicht geführt werden.“

Tat­säch­lich hat das Land­rats­amt aber in der Schiff­fahrts­ge­neh­mi­gung eine Ver­träg­lich­keits­prü­fung für erfor­der­lich gehal­ten und die­se nach eige­nen Aus­sa­gen zwi­schen­zeit­lich in Auf­trag gegeben.

„Das ist schon bemer­kens­wert. Das Amt hat den staat­li­chen Auf­trag, die All­ge­mein­wohl­be­lan­ge zu schüt­zen und Recht und Ord­nung sicher­zu­stel­len. Statt­des­sen wird hier die kom­mer­zi­el­le Aneig­nung der Natur­gü­ter durch pri­va­te Wirt­schafts­be­trie­be geschützt. Land­rat Dr. Her­mann Ulm muss sich schon fra­gen las­sen, wem er dient, der gesam­ten Bevöl­ke­rung oder den Unter­neh­mern“, so Tom Konop­ka, Regio­nal­re­fe­rent für Mit­tel- und Oberfranken.

Am 15.5.19 stell­te der BUND Natur­schutz des­halb Eil­an­trag mit dem Ziel, den Ver­leih gericht­lich wie­der zu unter­sa­gen. Hin­ter­grund ist die Rechts­auf­fas­sung des BN, dass vor dem Erlass der Schiff­fahrts­ge­neh­mi­gung eine Ver­träg­lich­keits­prü­fung vor­lie­gen muss und nicht erst Jah­re spä­ter. Der BN hält auch die Argu­men­ta­ti­on des Land­rats­am­tes, man brau­che den lau­fen­den Kanu­ver­leih, damit die aktu­el­len Unter­su­chun­gen durch­ge­führt wer­den könn­ten, für fach­lich unhaltbar.

„Das wäre so, als wür­de man erst eine Stra­ße bau­en, um dann zu mes­sen, ob die Lärm­grenz­wer­te ein­ge­hal­ten wer­den. Zu Recht wird sowas vor­her pro­gno­sti­ziert und gege­be­nen­falls die Pla­nung geän­dert oder Lärm­schutz ange­ord­net“, so Buchholz.

„Wir las­sen uns nicht beir­ren. Die Beob­ach­tun­gen unse­rer Akti­ven an der Wie­sent haben erge­ben, dass unmit­tel­bar an der Kanu­strecke zwi­schen Mug­gen­dorf und Streit­berg Eis­vö­gel brü­ten und vor allem durch die unge­üb­ten und unge­schul­ten Kanu­fah­rer mit den Leih­boo­ten bei der Brut behin­dert wer­den. Des­we­gen haben wir den Eil­an­trag gestellt, der den Ver­leih wie­der unter­bin­den soll“, so Konopka.

Her­bert Kör­ber vom Baye­ri­scher Kanu­ver­band: „Wir als Ver­band der Kanu­fah­rer sehen die Bela­stungs­gren­ze an der Wie­sent deut­lich über­schrit­ten und unter­stüt­zen die Kla­ge des BUND Natur­schutz. Wir schu­len unse­re Mit­glie­der regel­mä­ßig zu umwelt­ver­träg­li­chem Ver­hal­ten, das pas­siert bei den Ver­leih­be­trie­ben ent­we­der gar nicht oder nur bei­läu­fig. Und die Fol­gen sind lei­der erheblich.“

Die vom Land­rats­amt Forch­heim aus­ge­stell­te Schiff­fahrts­ge­neh­mi­gung ist aus Sicht des BN nicht pra­xis­taug­lich und intrans­pa­rent. Es ist bei­spiels­wei­se völ­lig unklar, auf wel­chen Kri­te­ri­en die Fest­set­zung des Mini­mal­pe­gel­stan­des für das Befah­ren beruht. Die Wie­sent ist ein Gewäs­ser mit stän­dig wech­seln­dem Grund­ni­veau. Selbst bei Nor­mal­pe­gel­stän­den fah­ren sich Boo­te, unab­hän­gig vom fah­re­ri­schen Kön­nen, regel­mä­ßig am Grund fest. Eine ein­zel­ne Mess­stel­le als Grund­la­ge für den gesam­ten Fluss­ab­schnitt her­an­zu­zie­hen ent­behrt daher jeder fach­li­chen Grundlage.

Der BUND Natur­schutz hat ange­regt, dass es beim Gericht einen Erör­te­rungs­ter­min geben soll. Dem haben das Land­rats­amt und die Kanu­ver­lei­her zwi­schen­zeit­lich zugestimmt.

Der BUND Natur­schutz hat­te zuletzt 2018 das Land­rats­amt Forch­heim auf­ge­for­dert, den Kanu­ver­leih­be­trieb an der Wie­sent wäh­rend der Vogel­brut­zeit bis 15.6. zu unter­bin­den. In den zum Boots­fah­ren zuge­las­se­nen Som­mer­mo­na­ten sind zu vie­le Boo­te unter­wegs, des­halb kön­nen die euro­pä­isch geschütz­ten Vogel­ar­ten wie Eis­vo­gel oder Zwerg­tau­cher dort kaum mehr brü­ten. Und weil sich zu vie­le Kanu­ten nicht an die Regeln hal­ten und unter­wegs mal im Fluss aus­stei­gen, gegen die Strö­mung pad­deln oder unge­eig­ne­te, nicht zuge­las­se­ne Boo­te nut­zen, ist auch die euro­pä­isch geschütz­te Unter­was­ser­ve­ge­ta­ti­on, das Mar­ken­zei­chen der Wie­sent, stark im Rück­gang. 2018 wur­de durch das Land­rats­amt die Schiff­fahrts­ge­neh­mi­gung erneut erteilt, die den Kanu­ver­lei­hern den Ver­leih bereits zum 1.5.2019 und auch in den Fol­ge­jah­ren ab die­sem Zeit­punkt erlaubt.

Dage­gen hat der BUND Natur­schutz Kla­ge beim Ver­wal­tungs­ge­richt Bay­reuth ein­ge­reicht. Zunächst geht es dar­um, der Vogel­welt im Ufer­be­reich der Wie­sent einen nur gering gestör­ten Brut­be­trieb zu ermög­li­chen. Der sog. Gemein­ge­brauch, das Kanu­fah­ren durch Ein­zel­tou­ri­sten mit eige­nen Boo­ten, oft orga­ni­siert in Kanu­ver­bän­den, wird nicht ange­grif­fen. Der Boots­ver­leih steht nach der Sta­ti­stik für 80 % der Boots­fahr­ten auf dem Fluss. Wäre recht­zei­tig die not­wen­di­ge Ver­träg­lich­keits­prü­fung für den Kanu­sport auf dem Fluss durch­ge­führt wor­den, so hät­te man heu­te das Pro­blem nicht. Der BN hat die­se recht­lich vor­ge­schrie­be­ne Prü­fung schon 2010 ein­ge­for­dert, lei­der ohne Erfolg. Mit der Kla­ge betritt der BN recht­lich Neu­land. Weder wird der Natur­schutz­ver­band bei den Gesprä­chen über Beein­träch­ti­gun­gen und Rege­lun­gen (Run­der Tisch) zuge­las­sen noch im Geneh­mi­gungs­ver­fah­ren betei­ligt. Die Kla­ge stützt sich des­halb auf EU-Recht.

Das Fluss­sy­stem Wie­sent ist Bestand­teil des euro­päi­schen Natu­ra-2000-Schutz­ge­biets „Wie­sent­tal mit Sei­ten­tä­lern“ Nr. 6233–371 sowie des Vogel­schutz­ge­biets Nr. 6233–471.