„Unter­neh­men im Kreis Kulm­bach sol­len sich an Tarif­ver­trä­ge halten“

NGG warnt vor Tarif­flucht – Appell an 2.000 Betrie­be im Landkreis

Schlech­te­re Bezah­lung, län­ge­re Arbeits­zei­ten, weni­ger Urlaub: Beschäf­tig­te, die im Land­kreis Kulm­bach in einem Unter­neh­men arbei­ten, in dem kein Tarif­ver­trag gilt, sind im Job klar benach­tei­ligt. Dar­auf hat die Gewerk­schaft Nah­rung-Genuss-Gast­stät­ten hin­ge­wie­sen. Nach Ein­schät­zung der NGG hal­ten sich mitt­ler­wei­le vie­le der rund 2.000 Betrie­be im Kreis nicht mehr an Tarif­ver­trä­ge. Das hat auch Fol­gen für die Unter­neh­men selbst, warnt Gewerk­schaf­ter Micha­el Grundl: „Tarif­lo­se Fir­men haben in punc­to Moti­va­ti­on und Pro­duk­ti­vi­tät der Mit­ar­bei­ter meist schlech­te­re Kar­ten. Auch die Suche nach Fach­kräf­ten fällt ihnen schwe­rer“, so der Geschäfts­füh­rer der NGG Ober­fran­ken mit Blick auf aktu­el­le Stu­di­en der Hans-Böckler-Stiftung.

Grundl ruft die Fir­men in der Regi­on dazu auf, sich zur Sozi­al­part­ner­schaft und zur Mit­be­stim­mung zu beken­nen. „Gera­de beim digi­ta­len Wan­del der Arbeits­plät­ze muss man die Beleg­schaf­ten mit­neh­men. Gewerk­schaf­ten und Betriebs­rä­te sichern nicht nur Jobs. Sie hel­fen auch dabei, die Zukunft zu gestal­ten – von neu­en Arbeits­zeit­mo­del­len bis hin zur Wei­ter­bil­dung der Mitarbeiter.“

Nach Anga­ben des Insti­tuts für Arbeits­markt- und Berufs­for­schung (IAB) arbei­te­ten zuletzt 56 Pro­zent der Beschäf­tig­ten in Bay­ern in einem Betrieb mit Tarif­ver­trag. In ganz West­deutsch­land liegt die Quo­te bei 57 Pro­zent – im Jahr 2000 waren es noch 70 Pro­zent. Nach Beob­ach­tung von Gewerk­schaf­ter Grundl greift die „Tarif­flucht“ auch im Kreis Kulm­bach um sich: „Immer mehr Betrie­be ver­su­chen, sich um Tarif­ver­trä­ge zu drücken. Damit set­zen sie bewähr­te Stan­dards aufs Spiel und bie­ten ein Ein­falls­tor für Dum­ping-Kon­kur­renz.“ Beson­ders nied­rig ist die Tarif­bin­dung nach Anga­ben des IAB dabei in klei­nen Fir­men: Nur 17 Pro­zent der baye­ri­schen Betrie­be mit weni­ger als zehn Mit­ar­bei­tern hal­ten sich aktu­ell an einen Tarif­ver­trag. In Unter­neh­men mit mehr als 200 Beschäf­tig­ten liegt die Quo­te hin­ge­gen bei 77 Prozent.

Um die­sen Trend zu stop­pen, macht sich die NGG ins­be­son­de­re für Flä­chen­ta­rif­ver­trä­ge stark. Sol­che habe man etwa in Braue­rei­en, in der Geträn­ke­ab­fül­lung und in der Nähr­mit­tel- und Süß­wa­ren­in­du­strie durch­ge­setzt. Zugleich sei die Poli­tik gefor­dert. Lan­des- und Bun­des­re­gie­rung soll­ten sich für eine höhe­re Tarif­bin­dung ein­set­zen: „Wer sich um die Zukunft der sozia­len Markt­wirt­schaft sorgt, muss sich dar­um küm­mern, dass die Tarif­part­ner gestärkt wer­den“, sagt Grundl. Unter­neh­men, die im Arbeit­ge­ber­ver­band sei­en, müss­ten dazu ver­pflich­tet wer­den, sich an Tarif­ab­schlüs­se zu hal­ten. Außer­dem müs­se es ein­fa­cher wer­den, Tarif­ver­trä­ge für gan­ze Bran­chen ver­pflich­tend zu machen. Davon pro­fi­tie­re am Ende auch der Staat – durch höhe­re Ein­nah­men etwa bei der Renten‑, Kran­ken- und Sozialversicherung.

Aller­dings ist die Zahl der Tarif­ver­trä­ge, die für alle Betrie­be einer Bran­che per Gesetz gelten,
zuletzt stark gesun­ken. Eine so genann­te All­ge­mein­ver­bind­lich­keit wur­de im Jahr 2017
ledig­lich 25 Mal vom Bun­des­ar­beits­mi­ni­ste­ri­um erteilt. Im Jahr 2000 waren es noch 133 Fälle.

Das geht aus einer aktu­el­len Ant­wort der Bun­des­re­gie­rung auf eine Anfra­ge der Lin­ken hervor
(Bun­des­tags-Druck­sa­che 19/8626).