Aktu­el­le Abhol­zung auf Streu­obst­wie­sen ist Naturfrevel

Von Land­wir­ten befürch­te­te Ein­schrän­kun­gen sind durch Rechts­gut­ach­ten wider­legt – Immenser Ver­lust von Streu­obst­bäu­men macht bes­se­ren Schutz drin­gend notwendig

Der­zeit häu­fen sich Mel­dun­gen, dass Land­wir­te unter ande­rem in den Land­krei­sen Forch­heim aber auch Rosen­heim alte Obst­bäu­me in Streu­obst­wie­sen fäl­len. Die Land­wir­te begrün­den dies mit dem Volks­be­geh­ren Arten­viel­falt, durch das sie die Bäu­me angeb­lich in Zukunft nicht mehr nut­zen könn­ten. Der Trä­ger­kreis des Volks­be­geh­rens stellt des­halb klar: „Zwar stellt der Gesetz­ent­wurf Streu­obst­wie­sen ab einer Grö­ße von 2.500 Qua­drat­me­tern unter Schutz des baye­ri­schen Natur­schutz­ge­set­zes. Davon aus­ge­nom­men sind aber Bäu­me, die weni­ger als 50 Meter vom nächst­ge­le­ge­nen Wohn- oder Hof­ge­bäu­de ent­fernt sind“, erklärt Agnes Becker, die Beauf­trag­te des Volks­be­geh­rens und Stell­ver­tre­ten­de Vor­sit­zen­de der ÖDP Bay­ern. „Der noch nicht rechts­kräf­ti­ge Gesetz­ent­wurf des Volks­be­geh­rens dient dazu, den rasan­ten und anhal­ten­den Ver­lust von unzäh­li­gen Streu­obst­wie­sen end­lich auf­zu­hal­ten“, so Becker wei­ter. Laut Erhe­bun­gen der Lan­des­an­stalt für Land­wirt­schaft sind im Frei­staat von 1965 bis 2012 rund 70 Pro­zent der Streu­obst­bäu­me ver­schwun­den (von rund 20 auf sechs Millionen).

Streu­obst­wie­sen sind der Lebens­raum von über 5.000 Tier- und Pflan­zen­ar­ten und zäh­len damit zu den arten­reich­sten Lebens­räu­men Euro­pas. Sie haben in der tra­di­tio­nel­len Kul­tur­land­schaft einen wich­ti­gen Ring um die Sied­lun­gen gebil­det, der bedroh­ten Arten wie Gar­ten­rot­schwanz und den hoch­be­droh­ten Wie­de­hopf, Wen­de­hals und Stein­kauz ein Zuhau­se bie­tet. In den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten ist auch in Bay­ern der größ­te Teil der Streu­obst­wie­sen ver­lo­ren gegan­gen. Meist sind sie Wohn- und Gewer­be­ge­bie­ten zum Opfer gefal­len oder in eine inten­si­ve­re Nut­zung wie Acker über­führt wor­den. „Damit war für uns drin­gen­der Hand­lungs­be­darf gege­ben, um die Über­re­ste unse­rer baye­ri­schen Streu­obst­wie­sen für die Zukunft zu erhal­ten. Ein Wei­ter So beim Rück­gang kann es auch hier nicht geben“, so der LBV-Vor­sit­zen­de Dr. Nor­bert Schäf­fer. „Vie­le Streu­obst­wie­sen­be­sit­zer sehen ihre Flä­chen als gene­ra­tio­nen­über­grei­fen­den Schatz. Wer jetzt aber auf­grund von Des­in­for­ma­ti­on oder unlau­te­ren Moti­ven Obst­bäu­me in Streu­obst­wie­sen fällt, begeht Natur­fre­vel“, stellt Schäf­fer klar.

Ein vom Trä­ger­kreis bei der Rechts­an­walts­kanz­lei Mei­ster­ernst in Auf­trag gege­be­nes Gut­ach­ten hat­te klar­ge­stellt, dass eine übli­che Nut­zung der Streu­obst­wie­sen durch die Unter­schutz­stel­lung nicht behin­dert wird. „Das Gut­ach­ten beschei­nigt, dass die Ent­nah­me von alten oder über­al­ter­ten Bäu­men wei­ter­hin mög­lich ist. Eben­so kann die Zusam­men­set­zung der Obst­baum­ar­ten geän­dert wer­den“, erklärt Nor­bert Schäf­fer wei­ter. Ist eine Streu­obst­wie­se mit staat­li­cher För­de­rung ent­stan­den, kann sie inner­halb von 15 Jah­ren nach Been­di­gung der För­de­rung auch einer ande­ren land­wirt­schaft­li­chen Nut­zung zuge­führt wer­den. „Wer jetzt sei­ne Streu­obst­wie­se rodet, nur um unter 2.500 Qua­drat­me­ter zu kom­men, han­delt ein­deu­tig ver­werf­lich. Ob der­ar­ti­ge Rodun­gen von Höh­len­bäu­men zur Vogel­brut­zeit ohne­hin recht­lich über­haupt erlaubt sind, zwei­feln wir an und wer­den dies über­prü­fen las­sen“, so Schäffer.

Das Gut­ach­ten der Trä­ger­krei­ses wur­de allen betei­lig­ten Ver­bän­den am von Alo­is Glück mode­rier­ten Run­den Tisch, dar­un­ter auch der Baye­ri­sche Bau­ern­ver­band, bereits am 21. März 2019 zur Ver­fü­gung gestellt. Dazu wur­de das The­ma inten­siv in der Fach­grup­pe „Offe­ne Landschaft/​Landwirtschaft“ erör­tert. „Unser Gesetz­ent­wurf stellt ein­deu­tig klar, dass die Nut­zung und Pfle­ge der Streu­obst­wie­sen aus­drück­lich gewünscht wird und wei­ter­hin zuläs­sig ist“, so Lud­wig Hart­mann der Frak­ti­ons­vor­sit­zen­de von Bünd­nis 90/​Die Grü­nen im baye­ri­schen Land­tag. Dabei wur­de der Rah­men für die Nut­zung klar defi­niert: 1. Für betriebs­wirt­schaft­lich ver­an­lass­te Ver­än­de­run­gen und Erwei­te­run­gen der Hof­stel­le kön­nen Obst­bäu­me gero­det wer­den. Dafür ist an ande­rer Stel­le ein Eins-zu-Eins-Aus­gleich zu schaf­fen. 2. Im Streu­obst übli­che Pfle­ge- und Erneue­rungs­maß­nah­men unter­lie­gen kei­ner Beschrän­kung. 3. Für beson­de­re Scha­dens­si­tua­tio­nen kann auf der Grund­la­ge einer zu erlas­sen­den Aus­füh­rungs­ver­ord­nung auch der Ein­satz von Pflan­zen­schutz­mit­teln erfolgen.

Der Trä­ger­kreis des Volks­be­geh­rens sieht den Baye­ri­schen Bau­ern­ver­band (BBV) hier in der Pflicht, sei­ne Mit­glie­der sach­lich rich­tig zu infor­mie­ren. „Wenn es dem BBV Ernst um den Erhalt der Arten­viel­falt ist, muss er alles dar­an­set­zen, wei­te­re Fäl­lun­gen von Obst­bäu­men durch Land­wir­te zu ver­hin­dern“, for­dert Lud­wig Hart­mann. Das Baye­ri­sche Land­wirt­schafts­mi­ni­ste­ri­um hat am 12. April die Ämter für Ernäh­rung, Land­wirt­schaft und For­sten über die recht­li­che Situa­ti­on informiert.