Bay­reu­ther Stu­die: Medi­en­be­rich­te über Migra­ti­on ver­stär­ken Sor­ge vor Fremdenfeindlichkeit

Symbolbild Bildung

Je häu­fi­ger Medi­en in Deutsch­land über Migra­ti­on berich­ten, desto grö­ßer wer­den die Sor­gen in der Bevöl­ke­rung. Dies hat eine inter­na­tio­na­le For­scher­grup­pe unter der Lei­tung des Bay­reu­ther Öko­no­men Prof. Dr. David Sta­del­mann nach­ge­wie­sen. Die im Jour­nal of Eco­no­mic Beha­vi­or & Orga­nizati­on ver­öf­fent­lich­te Stu­die zeigt, dass Migra­ti­ons­äng­ste, aber auch die Sor­ge vor Frem­den­feind­lich­keit stei­gen, sobald in den Medi­en mehr über Ein­wan­de­rung berich­tet wird. Die­se Zusam­men­hän­ge sind weit­ge­hend unab­hän­gig davon, ob Migra­ti­on eher posi­tiv oder eher nega­tiv dar­ge­stellt wird. Sie sind am stärk­sten aus­ge­prägt, wenn die Ein­wan­de­rer selbst und nicht all­ge­mei­ne Sach­fra­gen in den Fokus rücken.

Die Stu­die greift auf reprä­sen­ta­ti­ve Befra­gun­gen zurück, die das Deut­sche Insti­tut für Wirt­schafts­for­schung (DIW) im Rah­men des Sozio-oeco­no­mi­schen Panel (SOEP) durch­führt. Im Ein­zel­nen stützt sie sich auf Inter­views mit 35.200 Ein­zel­per­so­nen in allen deut­schen Bun­des­län­dern aus den Jah­ren 2009 bis 2014. Die Sor­gen der Befrag­ten in Bezug auf Ein­wan­de­rer und Migra­ti­on haben die Wis­sen­schaft­ler mit Infor­ma­tio­nen zu Medi­en­be­rich­ten abge­gli­chen, die weni­ge Tage oder sogar nur einen Tag zuvor in Deutsch­land ver­öf­fent­licht wur­den. Daten­grund­la­ge hier­für waren die Aus­wer­tun­gen des Media Tenor Inter­na­tio­nal, eines Unter­neh­mens, das sich auf Inhalts­ana­ly­sen von Medi­en spe­zia­li­siert hat. In die Unter­su­chung ein­be­zo­gen wur­den ins­be­son­de­re TV-und Radio-Nach­rich­ten, TV-Maga­zi­ne, Nach­rich­ten­ma­ga­zi­ne und Sonn­tags­zei­tun­gen mit jeweils hoher Reichweite.

Auf die­ser Basis konn­ten die Wis­sen­schaft­ler mit hoher Genau­ig­keit Ursa­che-Wir­kungs-Zusam­men­hän­ge sicht­bar machen. So stell­te sich bei­spiels­wei­se her­aus, dass die glei­chen Medi­en­be­rich­te bei Frau­en, Arbeits­lo­sen und älte­ren Men­schen ver­gleichs­wei­se grö­ße­re Besorg­nis­se aus­lö­sen als bei Män­nern, Berufs­tä­ti­gen und Jün­ge­ren. Die Sor­gen, die durch zuneh­men­de Medi­en­be­rich­te über Ein­wan­de­rer gestärkt wer­den, bezie­hen sich dabei nicht allein auf den Vor­gang der Ein­wan­de­rung selbst. Sie gel­ten auch und vor allem einer zuneh­men­den Frem­den­feind­lich­keit in der Öffent­lich­keit, die durch häu­fi­ge Bericht­erstat­tung aus­ge­löst wer­den könn­te. Als schwä­cher erweist sich hin­ge­gen der Ein­fluss der Medi­en­be­richt­erstat­tung über Migra­ti­on, wenn es um Sor­gen vor einem Anstieg der Kri­mi­na­li­tät oder vor zuneh­men­der Arbeits­lo­sig­keit geht. „Es fällt auf, dass die durch Medi­en­be­rich­te aus­ge­lö­sten Besorg­nis­se zu einem erheb­li­chen Anteil nicht die Ein­wan­de­rer selbst, son­dern das Mei­nungs­kli­ma im eige­nen Land betref­fen. Vie­le Men­schen befürch­ten, dass Vor­be­hal­te und Äng­ste gegen­über Migran­ten oder gene­rell gegen­über Aus­län­dern zuneh­men, sobald das The­ma Ein­wan­de­rung ver­stärkt in Mas­sen­me­di­en the­ma­ti­siert wird“, erklärt der Bay­reu­ther Wirt­schafts­wis­sen­schaft­ler Prof. Dr. David Sta­del­mann, der die Stu­die koor­di­niert hat.

Die kau­sa­len Zusam­men­hän­ge zu iden­ti­fi­zie­ren, war für die Autoren der Stu­die eine beson­de­re Her­aus­for­de­rung. Denn falls häu­fi­ge­re Medi­en­be­rich­te über Migra­ti­on mit zuneh­men­den Besorg­nis­sen in der Öffent­lich­keit ein­her­ge­hen, könn­te dies mög­li­cher­wei­se auch dadurch erklär­bar sein, dass äuße­re Ereig­nis­se par­al­lel in bei­de Rich­tun­gen wir­ken: Sie befeu­ern die Medi­en und beun­ru­hi­gen die Öffent­lich­keit. Um der­ar­ti­ge Erklä­run­gen aus­zu­schlie­ßen und eine kau­sa­le Wir­kung von Medi­en auf Besorg­nis­se in der Bevöl­ke­rung mög­lichst genau nach­wei­sen zu kön­nen, haben sich die Wis­sen­schaft­ler eines unge­wöhn­li­chen Kunst­griffs bedient. Sie haben zusätz­lich zur gesam­ten Bericht­erstat­tung auch spe­zi­ell Berich­te deut­scher Medi­en über Volks­ab­stim­mun­gen in der Schweiz unter­sucht, in denen es um Migra­ti­ons­fra­gen ging – bei­spiels­wei­se die in der Schweiz abge­hal­te­ne Abstim­mung unter dem Titel „Für die Aus­schaf­fung kri­mi­nel­ler Aus­län­der“. „Sobald die Ergeb­nis­se der Volks­ab­stim­mun­gen in der Schweiz fest­stan­den, haben sie unmit­tel­bar danach auch in Deutsch­land einen signi­fi­kan­ten Anstieg der Medi­en­be­rich­te aus­ge­löst. Da unmit­tel­bar nach die­sen Medi­en­be­rich­ten die Sor­gen über Migra­ti­on in Deutsch­land stei­gen, han­delt es sich um einen direk­ten Ein­fluss der Medi­en­be­richt­erstat­tung auf die Mei­nun­gen und Emo­tio­nen der Bür­ger“, sagt Stadelmann.

Ver­öf­fent­li­chung:

Chri­sti­ne Benesch, Simon Loretz, David Sta­del­mann, Tobi­as Tho­mas: Media Covera­ge and Immi­gra­ti­on Worries: Eco­no­me­tric Evi­dence, Jour­nal of Eco­no­mic Beha­vi­or and Orga­nizati­on, 160, 52–67, 2019.
DOI: 10.1016/j.jebo.2019.02.011