Nano­par­ti­kel beein­flus­sen ihre flüs­si­ge Umge­bung: Bay­reu­ther Stu­die prä­sen­tiert ato­ma­re Einblicke

Symbolbild Bildung
Sabrina Thomä, Erstautorin der Studie, demonstriert das Verhalten magnetischer Nanopartikel. Foto: Christian Wißler.

Sabri­na Tho­mä, Erst­au­torin der Stu­die, demon­striert das Ver­hal­ten magne­ti­scher Nano­par­ti­kel. Foto: Chri­sti­an Wißler.

Fein ver­teil­te Nano­par­ti­kel in einer Lösung wer­den heu­te in vie­len Berei­chen ein­ge­setzt – bei­spiels­wei­se in kos­me­ti­schen Pro­duk­ten, als Kata­ly­sa­to­ren in der Indu­strie oder als Kon­trast­mit­tel bei medi­zi­ni­schen Unter­su­chun­gen. Einem For­scher­team an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth ist es jetzt erst­mals gelun­gen, die Wech­sel­wir­kun­gen magne­ti­scher Nano­par­ti­kel mit der umge­ben­den Flüs­sig­keit prä­zi­se zu bestim­men und dabei bis in den ato­ma­ren Bereich vor­zu­drin­gen. Wie sich her­aus­stell­te, hängt es haupt­säch­lich von der kri­stal­li­nen Struk­tur der Nano­par­ti­kel ab, wie sich Was­ser­mo­le­kü­le in ihrer direk­ten Nach­bar­schaft neu aus­rich­ten. In Natu­re Com­mu­ni­ca­ti­ons stel­len die Wis­sen­schaft­ler ihre Ergeb­nis­se vor.

Auf­grund von theo­re­ti­schen und expe­ri­men­tel­len Stu­di­en ging die For­schung schon län­ger davon aus, dass die Mole­kü­le einer Flüs­sig­keit sich wie in einer Hül­le um ein festes Nano­par­ti­kel her­um grup­pie­ren. Inner­halb die­ser soge­nann­ten „Sol­vat­hül­le“ – im Fal­le einer wäss­ri­gen Lösung wird sie auch als „Hydrat­hül­le“ bezeich­net – las­sen sich, ent­spre­chend der Anord­nung der Flüs­sig­keits­mo­le­kü­le, drei bis fünf Schich­ten unter­schei­den. Bis­her waren jedoch nur Infor­ma­tio­nen über die Anzahl und Reich­wei­te die­ser Schich­ten zugänglich.

Die Wis­sen­schaft­ler um die Bay­reu­ther Juni­or­pro­fes­so­rin Dr. Miri­jam Zobel haben sich daher erst­mals die ato­ma­ren und mole­ku­la­ren Struk­tu­ren die­ser Schich­ten expe­ri­men­tell genau­er ange­schaut. Dafür wur­den Mes­sun­gen mit hoch­en­er­ge­ti­schen Rönt­gen­strah­len an der Dia­mond Lightsour­ce, einem Elek­tro­nen­syn­chro­tron in Groß­bri­tan­ni­en, durch­ge­führt. Die Unter­su­chun­gen kon­zen­trier­ten sich auf magne­ti­sche Nano­par­ti­kel, wie sie heu­te in der Bio­me­di­zin – ins­be­son­de­re in der geziel­ten Wirk­stoff­ab­ga­be – und in der Magnet­re­so­nanz­to­mo­gra­phie zum Ein­satz kom­men. Dabei fan­den die For­scher her­aus, dass sogar die Abstän­de zwi­schen den Ato­men der Was­ser­mo­le­kü­le, die ein Nano­par­ti­kel unmit­tel­bar umge­ben, exakt gemes­sen wer­den kön­nen. So wur­de erst­mals sicht­bar, wie sich die Was­ser­mo­le­kü­le an das Nano­par­ti­kel anla­gern: in eini­gen Fäl­len durch dis­so­zia­ti­ve Bin­dun­gen, in ande­ren Fäl­len durch mole­ku­la­re Adsorption.

„Es hat uns über­rascht, dass sich Was­ser in der Nähe von win­zi­gen magne­ti­schen Eisen­oxid-Nano­par­ti­keln ähn­lich struk­tu­riert wie an ebe­nen Eisen­oxid-Ober­flä­chen im makro­sko­pi­schen Bereich. Wir konn­ten jetzt nach­wei­sen, dass es vor allem von der kri­stal­li­nen Struk­tur eines Nano­par­ti­kels abhängt, wie sich die Flüs­sig­keits­mo­le­kü­le in sei­ner Nach­bar­schaft anord­nen. Klei­ne orga­ni­sche Mole­kü­le, die sich auf der Ober­flä­che des Nano­par­ti­kels befin­den und es sta­bi­li­sie­ren, haben hin­ge­gen kei­nen direk­ten Ein­fluss auf die Anord­nung der Flüs­sig­keits­mo­le­kü­le“, erklärt Pro­jekt­lei­te­rin Miri­jam Zobel.

„Dies sind wich­ti­ge Erkennt­nis­se für die wei­te­re For­schung und ihre Anwen­dun­gen. Denn die Mole­kü­le, wel­che die Nano­par­ti­kel sta­bi­li­sie­ren, die­nen als Anknüp­fungs­punk­te, wenn die Nano­par­ti­kel für bio­me­di­zi­ni­sche Anwen­dun­gen bei­spiels­wei­se mit Anti­kör­pern bela­den wer­den. Daher ist es für die Frei­set­zung sol­cher medi­zi­ni­schen Wirk­stof­fe von gro­ßer Bedeu­tung, den Ein­fluss die­ser Mole­kü­le auf die Eigen­schaf­ten und das Ver­hal­ten der Nano­par­ti­kel genau zu ken­nen“, erklärt die Bay­reu­ther Dok­to­ran­din Sabri­na Tho­mä M.Sc., die Erst­au­torin der in Natu­re Com­mu­ni­ca­ti­ons ver­öf­fent­lich­ten Stu­die. Juni­or­pro­fes­so­rin Miri­jam Zobel ergänzt: „Die Unter­su­chung der Sol­vat­hül­len von Nano­par­ti­keln hat sich inter­na­tio­nal als eine eige­ne Fach­rich­tung eta­bliert. Wir sind über­zeugt, dass sich die von uns ent­wickel­te Metho­de, die wir für die neue Stu­die ein­ge­setzt haben, all­ge­mein anwen­den lässt. So wer­den wir in Zukunft noch vie­le wei­te­re span­nen­de Ein­blicke in der ‚Sol­va­ti­on Sci­ence‘ erlan­gen kön­nen, wie etwa auf den Gebie­ten der Kata­ly­se oder der Keimbildung.“

Hin­ter­grund:

Um die Struk­tu­ren der Flüs­sig­keits­mo­le­kü­le in Sol­vat­hül­len zu ermit­teln, bedient sich das For­schungs­team um Prof. Dr. Miri­jam Zobel eines rönt­gen­ba­sier­ten For­schungs­ver­fah­rens, das als „Paar­ver­tei­lungs­funk­ti­on“ (engl.: „Pair Dis­tri­bu­ti­on Func­tion“, „PDF“) bezeich­net wird. Ein hoch­lei­stungs­fä­hi­ges Rönt­gen­dif­f­rak­to­me­ter, das die Anwen­dung die­ses für die Nano­wis­sen­schaf­ten unent­behr­li­chen Ver­fah­rens künf­tig wei­ter vor­an­bringt, ist vor kur­zem auf dem Cam­pus der Uni­ver­si­tät Bay­reuth auf­ge­stellt worden.

Ver­öf­fent­li­chung:

Sabri­na L. J. Tho­mä et al.: Ato­mic insight into hydra­ti­on shells around facet­ted nano­par­tic­les, Natu­re Com­mu­ni­ca­ti­ons (2019), DOI: 10.1038/s41467-019–09007‑1.

For­schungs­för­de­rung:

Die For­schungs­ar­bei­ten an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth wur­den von der Deut­schen For­schungs­ge­mein­schaft (DFG) im Rah­men des SFB 840 „Von par­ti­ku­lä­ren Nano­sy­ste­men zur Meso­tech­no­lo­gie“ gefördert.