„Volks­be­geh­ren Arten­viel­falt – Ret­tet die Bie­nen!“ – 100 Jah­re Volks­be­geh­ren in Bayern

Frei­staat füh­rend bei direkt-demo­kra­ti­schen Gesetz­in­itia­ti­ven, vie­le davon erfolgreich

Es ist ein Reform­pro­jekt von histo­ri­schem Zuschnitt, das den Auf­takt zum poli­ti­schen Jahr 2019 in Bay­ern gibt. Das „Volks­be­geh­ren Arten­viel­falt – Ret­tet die Bie­nen!“ will den Natur­schutz im Frei­staat grund­le­gend moder­ni­sie­ren und die baye­ri­sche Land­wirt­schaft fit für die Her­aus­for­de­run­gen des 21. Jahr­hun­derts machen. Doch im Gegen­satz zu zahl­rei­chen Online-Peti­tio­nen im Inter­net ist das Volks­be­geh­ren ein Teil der Ver­fas­sung des Frei­staats und gehört somit zur direk­ten Demo­kra­tie. Daher müs­sen alle Unter­stüt­zer vom 31. Janu­ar bis zum 13. Febru­ar auch per­sön­lich im Rat­haus unter Vor­la­ge des Per­so­nal­aus­wei­ses für die­se direkt-demo­kra­ti­sche Gesetz­in­itia­ti­ve unterschreiben.

Der Bay­ern ist Spit­zen­rei­ter bei Volks­be­geh­ren in Deutsch­land und blickt auf eine lan­ge Tra­di­ti­on der direk­ten Demo­kra­tie zurück. Das Instru­ment der Volks­ge­setz­ge­bung wur­de erst­mals mit der Ver­fas­sung von 1919 ein­ge­führt – und fei­ert somit in die­sem Jahr sei­nen 100. Geburts­tag. Das Initia­tiv­recht der Bür­ge­rin­nen und Bür­ger, ein neu­es Gesetz zur Abstim­mung vor­zu­le­gen, steht dabei dem des Par­la­ments gleich. Dies bedeu­tet, dass ein bür­ger­li­ches Geset­zes­vor­ha­ben tat­säch­lich auch bin­den­des Gesetz wird, sofern es eine qua­li­fi­zier­te Mehr­heit im Wahl­volk fin­det und mit der baye­ri­schen Ver­fas­sung ver­ein­bar ist.

Ein Volks­be­geh­ren ist kei­ne Online-Petition

Die Macht, direkt ein Gesetz zu erwir­ken, unter­schei­det ein Volks­be­geh­ren grund­le­gend von den belieb­ten Online-Peti­tio­nen im Inter­net. Letz­te­re sind mei­stens eine öffent­licht­keits­wirk­sa­me Form des digi­ta­len Pro­tests im Netz­zeit­al­ter, nicht mehr. „Das Volks­be­geh­ren ist das mäch­tig­ste Werk­zeug der direk­ten Demo­kra­tie,“ sagt Agnes Becker, Beauf­trag­te des Volks­be­geh­rens Arten­viel­falt und Stell­ver­tre­ten­de Vor­sit­zen­de der ÖDP Bay­ern. „Es wird mehr in Bewe­gung brin­gen als jede Art von Petition!“

Bür­ger wird zum Gesetzgeber

Seit dem Inkraft­tre­ten der Nach­kriegs­ver­fas­sung 1946 hat es im Frei­staat bereits 20 Volks­be­geh­ren gege­ben. Schon immer ging es den baye­ri­schen Bür­gern bei ihren gesetz­li­chen Eigen­in­itia­ti­ven dar­um, dem Land ein moder­nes Update zu ver­pas­sen. So hoben sie in den 1960er-Jah­ren die Tren­nung von evan­ge­li­schen und katho­li­schen Kin­dern im Schul­un­ter­richt auf oder führ­ten im Jahr 1995 über ein erfolg­rei­ches Volks­be­geh­ren den Bür­ger­ent­scheid in Städ­ten und Gemein­den ein. „Erst vor weni­gen Wochen konn­ten dadurch mit gro­ßem Bür­ger­en­ga­ge­ment in Bam­berg ein öko­lo­gisch wert­vol­les Wald­ge­biet vor Asphalt und Beton geret­tet wer­den“, so Richard Mer­gner, Vor­sit­zen­der des Bund Natur­schutz in Bayern.

Ziel des aktu­el­len Volks­be­geh­rens ist es, Bay­ern zum Vor­rei­ter des Natur­schut­zes und der Öko­lo­gi­sie­rung der Land­wirt­schaft in Deutsch­land zu machen. Bay­ern­weit sol­len Bio­to­pe ver­netzt wer­den, um das Aus­ster­ben von Bie­nen, Schmet­ter­lin­gen, Vögeln, Feld­ha­sen und ande­ren Arten zu ver­hin­dern. Das Aus­brin­gen von Pesti­zi­den soll ein­ge­dämmt wer­den. Der Aus­bau der bio­lo­gi­schen Land­wirt­schaft soll gesetz­lich fest­ge­leg­ten Zie­len fol­gen – erst­mals in Deutsch­land. „Wenn die Poli­tik nicht han­delt, muss die Gesell­schaft han­deln. Wir sehen die­ses Volks­be­geh­ren als ein­ma­li­ge Chan­ce, eine Trend­wen­de beim Arten­ster­ben in Bay­ern her­bei­zu­füh­ren“, sagt Dr. Nor­bert Schäf­fer, Vor­sit­zen­der des LBV, der auf die Ret­tung der Arten­viel­falt durch direk­te Demo­kra­tie hofft.

Die Orga­ni­sa­to­ren des Volks­be­geh­rens sind zuver­sicht­lich, dass die Initia­ti­ve bei den baye­ri­schen Wahl­bür­ge­rin­nen und Wahl­bür­gern gro­ße Zustim­mung fin­den wird. Sie set­zen vor­erst dar­auf, deut­lich über die 1 Mil­li­on der benö­tig­ten Ein­tra­gun­gen zu kom­men, was ein mäch­ti­ges Signal an die Poli­tik wäre. Sie hof­fen hier­bei auch auf das Nach­wir­ken der Land­tags­wahl, die ein­deu­tig gezeigt hat, dass die baye­ri­sche Bevöl­ke­rung den Schutz von Natur und Umwelt als zen­tra­les poli­ti­sches The­ma sieht.

Lud­wig Hart­mann, Frak­ti­ons­vor­sit­zen­der der Grü­nen im Baye­ri­schen Land­tag, weiß aus sei­nen Gesprä­chen mit den Bür­ge­rin­nen und Bür­gern: „Das stil­le Ster­ben unse­rer hei­mi­schen Tier- und Pflan­zen­ar­ten bewegt die Men­schen in Bay­ern. Sie for­dern zurecht, dass die ver­ant­wort­li­che Poli­tik – also die schwarz­oran­ge Staats­re­gie­rung – end­lich gegen­steu­ert. Gemein­sam brin­gen wir das Volks­be­geh­ren jetzt zum Erfolg!“ Mit dem Instru­ment der direk­ten Demo­kra­tie habe das baye­ri­sche Wahl­volk schon mehr­mals sei­nen Wunsch nach Ver­än­de­rung erfolg­reich durch­ge­setzt, zum Bei­spiel beim Nicht­rau­cher­schutz oder bei der Abschaf­fung der Studiengebühren.

Über das Volks­be­geh­ren Arten­viel­falt – Ret­tet die Bie­nen!

Das Volks­be­geh­ren ist ein Mit­tel der direk­ten Demo­kra­tie. Es ermög­licht Bür­gern die Ein­brin­gung eines Geset­zes­ent­wurfs in den Baye­ri­schen Land­tag. Die erste Hür­de ist über­wun­den: Knapp 100.000 Men­schen haben in der ersten Zulas­sungs­pha­se für das Volks­be­geh­ren unter­schrie­ben, im Okto­ber wur­de es vom Innen­mi­ni­ste­ri­um zuge­las­sen. Jetzt müs­sen sich vom 31. Janu­ar 2019 bis zum 13. Febru­ar 2019 eine Mil­li­on Wahl­be­rech­tig­te per­sön­lich in den Rat­häu­sern in Listen ein­tra­gen, um das Volks­be­geh­ren Arten­viel­falt erfolg­reich zu machen. Online ist dies nicht mög­lich. Zur Ein­tra­gung muss der gül­ti­ge Aus­weis vor­ge­legt wer­den. Zum Trä­ger­kreis des Volks­be­geh­rens Arten­viel­falt – Ret­tet die Bie­nen! gehö­ren die Öko­lo­gisch-Demo­kra­ti­sche Par­tei Bay­ern (ÖDP), der Lan­des­bund für Vogel­schutz in Bay­ern (LBV), das Bünd­nis 90/​Die Grü­nen Bay­ern und der BUND Natur­schutz in Bay­ern. Ein brei­tes gesell­schaft­li­ches Bünd­nis von mehr als 100 Orga­ni­sa­tio­nen, Unter­neh­men, Ver­bän­den und Par­tei­en unter­stüt­zen die­se direkt­de­mo­kra­ti­sche Initia­ti­ve für ein neu­es Natur­schutz­ge­setz in Bayern.

Die Kern­for­de­run­gen des Volks­be­geh­rens Arten­viel­falt – Ret­tet die Bie­nen!

Ziel des Volks­be­geh­rens ist es, Rege­lun­gen im baye­ri­schen Natur­schutz­ge­setz zu ver­an­kern, die die Arten­viel­falt ret­ten. Die Kern­for­de­run­gen: die bay­ern­wei­te Ver­net­zung von Lebens­räu­men für Tie­re; die Erhal­tung von Hecken, Bäu­men und klei­nen Gewäs­sern in der Land­wirt­schaft; der Erhalt und die Schaf­fung blü­hen­der Rand­strei­fen an allen Bächen und Grä­ben; der mas­si­ve Aus­bau der öko­lo­gi­schen Land­wirt­schaft; die Umwand­lung von zehn Pro­zent aller Wie­sen in Blüh­wie­sen; die pesti­zid­freie Bewirt­schaf­tung aller staat­li­chen Flä­chen; die Auf­nah­me des Natur­schut­zes in die Aus­bil­dung von Land- und Forstwirten.

Die Akti­ons­bünd­nis­se

Bay­ern­weit kämp­fen 80 Akti­ons­bünd­nis­se in den Gemein­den für eine Wen­de im baye­ri­schen Natur­schutz. Alle Inter­es­sier­ten sind auf­ge­for­dert mit­zu­ma­chen. Auf der Web­site des Volks­be­geh­rens Arten­viel­falt www​.volks​be​geh​ren​-arten​viel​falt​.de fin­det man die Mög­lich­keit, Kon­takt aufzunehmen.

Das Arten­ster­ben

Wis­sen­schaft­li­che Stu­di­en bele­gen, dass in Bay­ern immer mehr Tier- und Pflan­zen­ar­ten vom Aus­ster­ben bedroht oder bereits ver­schwun­den sind. Beson­ders betrof­fen sind die Insek­ten, die unter ande­rem für das Über­le­ben der Mensch­heit als Bestäu­ber von Nah­rungs­pflan­zen exi­sten­zi­ell wich­tig sind. 54 Pro­zent aller Bie­nen sind bedroht oder bereits aus­ge­stor­ben, 73 Pro­zent aller Tag­fal­ter sind ver­schwun­den, über 75 Pro­zent aller Flug­in­sek­ten sind nicht mehr da. Unter ande­rem in Fol­ge des Insek­ten­schwun­des leben in Bay­ern nur noch halb so vie­le Vögel wie vor 30 Jah­ren. Die­se dra­ma­ti­sche Ent­wick­lung will das Volks­be­geh­ren Arten­viel­falt stoppen.