JUSOS Ober­fran­ken: „Der Ver­fas­sungs­schutz ist Teil des Pro­blems – und kei­ne Lösung“

Pres­se­mit­tei­lung der JUSOS: Wie spä­te­stens seit der Auf­ar­bei­tung rund um den NSU bekannt sein soll­te, han­delt es sich bei der Pan­nen­show „Ver­fas­sungs­schutz“ nicht um eine unglück­li­che Ver­ket­tung von Zufäl­len oder indi­vi­du­el­le Unfä­hig­keit. Der „Ver­fas­sungs­schutz“ hat ein Pro­blem in sei­ner ideo­lo­gi­schen Grund­aus­rich­tung. Und die jüng­sten Äuße­run­gen von Herrn Maa­ßen sind nicht allei­ni­ger Aus­druck indi­vi­du­el­ler Unfä­hig­keit, son­dern sind im Zusam­men­hang die­ses grund­sätz­li­chen Pro­blems zu verstehen.

Der Ver­fas­sungs­schutz, ursprüng­lich als Insti­tu­ti­on einer wehr­haf­ten Demo­kra­tie gegrün­det, steht seit Beginn vor allem in einer anti­kom­mu­ni­sti­schen und reak­tio­nä­ren Tra­di­ti­on. Legi­ti­miert wur­de die­se Aus­rich­tung Jahr­zehn­te mit ver­schie­de­nen ideo­lo­gi­schen Ver­ren­kun­gen, wie der Tota­li­ta­ris­mus- oder der Extre­mis­mus­theo­rie. Seit deren Ent­ste­hung haben bei­de Ansät­ze gezeigt, dass sie in Poli­tik und Wis­sen­schaft kein hin­rei­chen­des Erklä­rungs­mo­dell sind, zu regres­si­ven Rück­schlüs­sen füh­ren und kei­ne Pro­blem­lö­sun­gen her­bei­füh­ren kön­nen. Zudem lie­gen die Wur­zeln des Ver­fas­sungs­schutz in der frü­hen Bun­des­re­pu­blik – auch mit dem Ein­satz von aus der Nazi­zeit bela­ste­ten Men­schen, die bereits lang­jäh­ri­ge Erfah­rung in der Ver­fol­gung von Kommunist*innen, Gewerkschafter*innen und Sozialdemokrat*innen hat­ten. So wun­dert es auch nicht, dass der Ver­fas­sungs­schutz als eine der weni­gen staat­li­chen Insti­tu­tio­nen bis heu­te kei­ne ernst­haf­te Auf­ar­bei­tung der Ver­gan­gen­heit hin­ter sich hat, geschwei­ge denn Ver­su­che dazu zulässt.

In einer sol­chen Tra­di­ti­on ste­hend bewies der Ver­fas­sungs­schutz auch im Zuge der Auf­ar­bei­tung des NSU, was die Insti­tu­ti­on wirk­lich von einer par­la­men­ta­ri­schen Demo­kra­tie hält. Koope­ra­ti­on mit demo­kra­tisch legi­ti­mier­ten Gre­mi­en, Trans­pa­renz über Per­so­nen und Arbeits­pro­zes­se oder ganz grund­sätz­lich über­haupt den Ein­druck zu erwecken es gin­ge um ein gemein­sa­mes Vor­ha­ben im Sin­ne der Stär­kung und der Bewah­rung demo­kra­ti­scher Insti­tu­tio­nen und einer offe­nen Gesell­schaft: Fehl­an­zei­ge. Das Ver­ständ­nis, das der Ver­fas­sungs­schutz zum und vom Staat hat, ist auto­ri­tär und alles ande­re als demo­kra­tisch. Der Ver­fas­sungs­schutz sieht sich ganz offen­sicht­lich als ein Staat im Staat, sei­nen Auf­trag sieht er in einer uner­träg­li­chen Mischung aus auto­ri­tä­ren Maß­nah­men und Unkon­trol­lier­bar­keit durch die Zivil­ge­sell­schaft. Aus die­sem Grund sieht er auch sei­ne Haupt­auf­ga­be viel öfter dar­in, zivil­ge­sell­schaft­li­che und anti­fa­schi­sti­sche Initia­ti­ven zu kon­trol­lie­ren oder die Arbeit zu erschwe­ren, als eine wirk­li­che Beschäf­ti­gung mit Faschis­mus und Chau­vi­nis­mus in der deut­schen Gesell­schaft und poli­ti­schen Par­tei­en zu gewähr­lei­sten. Der ver­fehl­te Ein­satz von V‑Leuten hat auf­ge­zeigt, dass der Ver­fas­sungs­schutz im Zwei­fel eher Teil davon ist als ihr Gegner.

Natür­lich ver­ur­tei­len auch wir die Aus­sa­gen eines Herr Maa­ßen. Aber es ist nicht nur Herr Maa­ßen. Es ist die Behör­de Ver­fas­sungs­schutz und ein Aus­tausch an der Spit­ze wird nicht aus­rei­chen. Es braucht eine Abschaf­fung der Behör­de als Gan­zes in der bestehen­den Form. Es ist kein Wun­der, dass Herr Maa­ßen auf der glei­chen Sei­te wie der völ­lig über­for­der­te Mini­ster­prä­si­dent Kret­schmer oder der Ras­sist See­ho­fer steht, son­dern es ist die logi­sche Kon­se­quenz. Wir kom­men auf Grund der Geschich­te des Ver­fas­sungs­schut­zes und sei­nem aktu­el­len Zustand zu dem Schluss, dass der Ver­fas­sungs­schutz nie­mals auf der Sei­te einer frei­en und offe­nen Gesell­schaft ste­hen wird. Wir wol­len jedoch die­se offe­ne Gesell­schaft, wes­we­gen wir Antifaschist*innen sind und mit unse­ren Bündnispartner*innen auf die Stra­ße gehen. Für uns ist klar: der Ver­fas­sungs­schutz muss abge­schafft werden!

Wir for­dern, eben­so wie die Bay­ern­SPD durch ihren Beschluss vom 65. ordent­li­chen Lan­des­par­tei­tag, fol­gen­de Maß­nah­men zur Stär­kung der Demo­kra­tie und zur Bekämp­fung von Ras­sis­mus und Faschismus:

  • Eine von den Sicher­heits­be­hör­den unab­hän­gi­ge und inter­na­tio­nal besetz­te Kom­mis­si­on soll von Bund und Län­dern zusam­men ein­be­ru­fen wer­den, um die Erfor­der­nis­se an eine moder­ne und demo­kra­ti­sche Sicher­heits­ar­chi­tek­tur zu dis­ku­tie­ren. An der Arbeit der Kom­mis­si­on sol­len auch Vertreter*innen zivil­ge­sell­schaft­li­cher Orga­ni­sa­tio­nen, aus der Wis­sen­schaft, Datenschützer*innen und Bürgerrechtler*innen ein­be­zo­gen wer­den. In die­sem Rah­men muss auch eine grund­le­gen­de Eva­lua­ti­on des Ein­sat­zes nach­rich­ten­dienst­li­cher Mit­tel durch deut­sche Sicher­heits­be­hör­den erfolgen.
  • Die Sicher­heits­be­hör­den müs­sen sich aus dem Bereich poli­ti­sche Bil­dung und der wis­sen­schaft­li­chen For­schung zurückziehen
  • Zur wis­sen­schaft­li­chen Unter­su­chung auto­ri­tä­rer Ein­stel­lun­gen und For­men grup­pen­be­zo­ge­ner Men­schen­feind­lich­keit in der deut­schen Gesell­schaft sowie der Ent­wick­lung der extre­men Rech­ten soll ein unab­hän­gi­ges „Demo­kra­tie-Insti­tut“ ein­ge­rich­tet wer­den. Die­ses Insti­tut soll einen Bei­rat erhal­ten, in dem anti­fa­schi­sti­sche und zivil­ge­sell­schaft­li­che Bünd­nis­se und Orga­ni­sa­tio­nen ver­tre­ten sind.
  • Zur Sicher­stel­lung einer lang­fri­sti­gen und pro­jekt­un­ge­bun­de­nen För­de­rung und Bera­tung von zivil­ge­sell­schaft­li­chem Enga­ge­ment gegen die extre­me Rech­te soll die Ein­rich­tung einer unab­hän­gi­gen Stif­tung erfolgen.
  • Die histo­ri­schen Wur­zeln der Lan­des­äm­ter und des Bun­des­am­tes für Ver­fas­sungs­schutz sowie ihre Tätig­keit in den ersten Jahr­zehn­ten der Bun­des­re­pu­blik müs­sen end­lich auf­ge­ar­bei­tet wer­den. Dies hat durch eine unab­hän­gi­ge wis­sen­schaft­li­che Kom­mis­si­on zu erfol­gen, die umfas­sen­den Zugang zu den Akten erhält, die im Anschluss an die zustän­di­gen staat­li­chen Archi­ve zu über­füh­ren sind.