Waf­fen­a­bend der „Freun­de der Plas­sen­burg“ in Kulmbach

Keine wilden Fechtvorführungen gab es am Waffenabend der Freunde der Plassenburg, sondern präzise Nachahmung und Interpretation von Bewegungsabläufen, wie sie sich aus Bildern und Handschriften des 15. und 16. Jahrhunderts rekonstruieren lassen.
Keine wilden Fechtvorführungen gab es am Waffenabend der Freunde der Plassenburg, sondern präzise Nachahmung und Interpretation von Bewegungsabläufen, wie sie sich aus Bildern und Handschriften des 15. und 16. Jahrhunderts rekonstruieren lassen.

Zwei­kampf war meist nach Sekun­den vorbei

Freun­de der Plas­sen­burg wid­me­ten sich Waf­fen des Mit­tel­aters und der Renais­sance – Zuhö­rer durf­ten Schwer­ter und Hel­me ausprobieren

Dr. Dani­el Bur­ger, Archi­var am Staats­ar­chiv Nürn­berg, Histo­ri­ker und Exper­te für Festungs­ge­schich­te und Waf­fen des Spät­mit­tel­al­ters und der Renais­sance führ­te am Frei­tag in die Welt der Waf­fen und des Zwei­kampfs ein. Es ging bei die­sem Waf­fen­a­bend im Baye­ri­schen Braue­rei­mu­se­um nicht um blut­rün­sti­ge Sze­na­ri­en und Effekt­ha­sche­rei, son­dern um Auf­klä­rung und wis­sen­schaft­li­che Grund­la­gen zum Umgang mit den gefähr­li­chen Instru­men­ten. Dass Wis­sen­schaft aber auch Spaß machen kann und die Über­gän­ge zum Sport flie­ßend sind, zeig­te Bur­ger an die­sem Abend ein­drucks­voll. Schwer­punkt bil­de­ten die Blank­waf­fen. Das sind Hand­waf­fen, deren Wir­kung durch den direk­ten Ein­satz von Mus­kel­kraft erzielt wird, dar­un­ter fal­len Schwer­te, Spee­re, Äxte, Dol­che oder Keulen.

Alle Fotos: H. Peilnsteiner

In der Tra­di­ti­on des Fech­tens in Euro­pa gab es Brü­che, vor allem in der Barock­zeit und im 19. Jahr­hun­derts, doch lässt sich der histo­ri­sche euro­päi­sche Schwert­kampf teil­wei­se auf­grund der zeit­ge­nös­si­schen Fecht­bü­cher rekon­stru­ie­ren. „Das Schwert­fech­ten des 14. und 15. Jahr­hun­derts war eine von sehr fei­nen Tech­ni­ken gepräg­te Kampf­kunst, kein Drauf­hau­en wie in vie­len Hol­ly­wood­fil­men dar­ge­stellt“, beton­te Bur­ger. Er prä­sen­tier­te Bil­der aus meh­re­ren Hand­schrif­ten des 15. und 16. Jahr­hun­derts, die teil­wei­se in akku­ra­te­sten Zeich­nun­gen das Fech­ten mit ver­schie­de­nen Waf­fen zei­gen. „Aber da haben wir das gro­ße Pro­blem, denn es sind qua­si nur Stand­bil­der und rela­tiv wenig Tex­te dazu erhal­ten, aus denen ein gan­zer Bewe­gungs­ab­lauf erst müh­sam rekon­stru­iert wer­den muss“.

Seit einem Dekret Kai­ser Fried­richs III. von 1487 bil­de­ten sich Fech­t­or­ga­ni­sa­tio­nen im Hei­li­gen Römi­schen Reich Deut­scher Nati­on her­aus, es ent­stan­den Fecht­schu­len und Fecht­ge­sell­schaf­ten, vor allem in Fran­ken. „In Nürn­berg wur­de Fech­ten in öffent­li­chem Rah­men gera­de auch im Heils­bron­ner Hof, einem gro­ßen Gebäu­de­kom­plex der Ans­ba­cher Mark­gra­fen, betrieben“.

Es gilt beim Kampf mit Blank­waf­fen des 14. bis 16. Jahr­hun­derts die bei­den grund­le­ge­nen For­men des Bloß­fech­tens ohne Schutz­aus­rü­stung und des Har­nisch­fech­tens im Ganz­kör­per­schutz­an­zug zu unter­schei­den. Har­nisch­fech­ten war die Königs­klas­se und völ­lig anders im Ablauf, als das Bloß­fech­ten. „Da wur­de ger­ne mal das Schwert wie eine Lan­ze unter den Arm geklemmt und auf den Gege­n­er ein­ge­sto­chen“, so Bur­ger, der gleich mal anhand eine Helms demon­s­tier­te, in wel­che Schlit­ze man bei einer Rüstung so rein­ste­chen konn­te. „In das Visier, aber auch unter die Ach­seln oder auch in die Knie­beu­ge wur­de ganz ger­ne gezielt, die­se lie­ßen sich nicht hun­dert­pro­zen­tig mit einer star­ren Rüstung schützen.“

Das älte­ste erhal­te­ne Fecht­buch ist das soge­nann­te Tower­fecht­buch des deut­schen Mönchs Luit­ger aus dem 14. Jahr­hun­dert, das in den Roy­al Armories Groß­bri­tan­ni­en auf­be­wahrt wird. Aus die­sem und etli­chen wei­te­ren Fecht­bü­chern prä­sen­tier­te Bur­ger Bil­der­fol­gen, die den Kampf mit Schwert, Keu­le, Mord­axt, Dol­chen und Lan­gen Mes­sern zeig­ten. Die­se Lan­gen Mes­ser unter­schei­den sich von Schwer­tern dadurch, dass die Klin­ge nur auf einer Sei­te geschlif­fen ist und neben der Parier­stan­ge noch ein drit­ter Bügel oder Nagel am Griff die Hand schützt und bestimm­te Kampf­tech­ni­ken ermög­licht. Neben zahl­rei­chen ande­ren Waf­fen ließ der 46-jäh­ri­ge auch ein sol­ches Lan­ges Mes­ser in stump­fer, stäh­ler­ner Trai­nings­ver­si­on durch das Publi­kum gehen.

Die Mord­axt aller­dings woll­te der Refe­rent dann doch nur in der Vari­an­te aus Holz und Gum­mi vor­füh­ren. „Sie ist eine Schlag- und Stoß­waf­fe des Spät­mit­tel­al­ters und der Renais­sance und in den Fecht­bü­chern die häu­figst vor­kom­men­de Stan­gen­waf­fe.“ Etwa manns­hoch ver­fügt sie über eine Stoß­spit­ze, ein Axt­blatt und ent­we­der einen Ham­mer­hopf oder einen Dorn. Einen beson­ders schwe­ren und pracht­vol­len Schei­ben­dolch konn­te jeder Zuhö­rer ein­mal hand­ha­ben. Er ist eine Dolch­form, die vom 14. bis 16. Jahr­hun­dert auf­trat und gezielt im Kampf gegen Rüstun­gen ein­ge­setzt wurde.

Schwer­ter waren laut Bur­ger kein Vor­recht des Adels im Deut­schen Reich, eben­so wenig Rüstun­gen. Vom wohl­ha­ben­den Bau­ern, über rei­che Händ­ler bis zum Rit­ter oder Für­sten waren die­se Offen­siv- und Defen­siv­waf­fen in wei­ten Tei­len der Gesell­schaft anzutreffen.

Geübt wur­de seit dem Ende des Mit­tel­al­ters mit zwar eben­falls aus Eisen her­ge­stell­ten, aber stump­fen und leicht abge­wan­del­ten Waf­fen. „Ein Schwert wur­de im Trai­ning durch eine Fecht­fe­der mit leich­te­rer unge­schlif­fe­ner Klin­ge und ohne Spit­ze ersetzt.“ Es war gut, dass der Vor­trags­saal im vier­ten Ober­ge­schoss des Braue­rei­mu­se­ums eine mehr als vier Meter hohe Decke auf­wies, denn Peter Weith, der Vor­sit­zen­de der Freun­de der Plas­sen­burg, übte sich wäh­rend des Vor­trags wie auch meh­re­re ande­re Zuschau­er im Gebrauch die­ser Trainingswaffen.

„So ein ech­ter Kampf dau­er­te im Kriegs­fall oder bei einem Got­tes­ge­richt wohl nur weni­ge Sekun­den, allen­falls ein oder zwei Minu­ten, aber nie­mals so lan­ge, wie man­che Spiel­fil­me es uns ver­mit­teln wol­len“, über­rasch­te Bur­ger. Über­haupt habe es gericht­lich ange­ord­ne­te Duel­le, so genann­te Gerichts­kämp­fe oder Got­tes­ge­rich­te, sogar zwi­schen Mann und Frau gege­ben. „Aller­dings hat man in Fran­ken zum Aus­gleich der unter­schied­li­chen kör­per­li­chen Fähig­kei­ten dazu dem Mann ein enges Loch gegra­ben, in das er bis zur Hüf­te wäh­rend des Kamp­fes hin­ab­stei­gen muss­te.“ Die Frau habe einen in ihren Schlei­er ein­ge­wickel­ten Stein als Waf­fe nut­zen dürfen.

Bur­ger selbst liest und spricht nicht nur über sol­che Blank­waf­fen, er trai­niert seit meh­re­ren Jah­ren zwei­mal wöchent­lich histo­ri­sches Fech­ten. „Es ist viel anstren­gen­der, als man glau­ben mag.“ Er tritt auch in vol­ler goti­scher Rüstung des 15. Jahr­hun­derts an, von der er eini­ge Tei­le wie Hel­me oder Pan­zer­hand­schu­he mit­ge­bracht und dem Publi­kum zum aus­pro­bie­ren über­las­sen hat. „So eine Rüstung war ein Nürn­ber­ger Wun­der­werk der Tech­nik, sie konn­te vor Waf­fen­ein­wir­kun­gen schüt­zen, aber auch die eige­nen Bewe­gun­gen recht­zei­tig stop­pen oder inten­si­vie­ren – sie war eine Art Exo­ske­lett, das den Kör­per unter­stüt­zen konn­te“. Durch die aus­ge­wo­ge­ne Ver­tei­lung der 20 bis 28 Kilo­gramm an Mas­se über den gan­zen Kör­per sei ein Rit­ter zu Fuß nicht weni­ger wen­dig und schnell, als ein moder­ner Sol­dat mit gleich viel Aus­rü­stung auf dem Rückem. Bur­ger lud dazu ein, die­se Waf­fen in den Musee­un wie in Nürn­berg oder Coburg mit ande­ren Augen zu sehen. Es gebe auch in Kulm­bach mit der Ver­ei­ni­gung „Indes“ Men­schen, die sich dem histo­ri­schen Fech­ten ver­schrie­ben hät­ten und dies als Sport betrieben.

Info histo­ri­sche Blankwaffen:

In Kulm­bach pflegt die Trai­nings­grup­pe „Indes“ den sach­ge­rech­ten Umgang mit histo­ri­schen Waf­fen und Kampf­kün­ste. Kon­takt über die Web­sei­te www​.indes​.at

Gro­ße Samm­lun­gen von Blank­waf­fen des Spät­mit­tel­al­ters und der Renais­sance fin­den sich im Kai­ser­burg­mu­se­um in Nürn­berg und auf der Veste Coburg.