Uni­ver­si­tät Bam­berg: Poli­tik­wis­sen­schaft­li­che Stu­die zu Sperr­zei­ten und Gewalt­ta­ten in Bayern

Symbolbild Bildung

Zap­fen­streich um zwei Uhr nachts

Sie betrifft Bars, Dis­cos, Kon­zer­te und Co.: die Sperr­zeit­re­ge­lung in Bay­ern. Seit 2005 kön­nen Stadt­rä­te selbst ent­schei­den, ob sie die gesetz­lich vor­ge­schrie­be­ne Sperr­stun­de von fünf bis sechs Uhr ein­hal­ten, die soge­nann­te „Putz­stun­de“. Oder ob sie eine strik­te­re Sperr­zeit ein­füh­ren – wie in eini­gen baye­ri­schen Städ­ten gesche­hen, in denen das Nacht­le­ben teil­wei­se um zwei Uhr nachts endet. In den ver­gan­ge­nen Jah­ren hat es immer wie­der Dis­kus­sio­nen gege­ben, ob die­se Maß­nah­me nächt­li­che Gewalt­ta­ten redu­ziert. Eine poli­tik­wis­sen­schaft­li­che Stu­die von For­schern der Uni­ver­si­tät Bam­berg und der Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät Dres­den lie­fert nun eine sta­ti­sti­sche Daten­aus­wer­tung, die den Zusam­men­hang zwi­schen Sperr­zei­ten und Gewalt­ta­ten in Bay­ern dar­stellt. Das Ergeb­nis: Die erwei­ter­te Sperr­zeit redu­ziert Straf­ta­ten, wie bei­spiels­wei­se Kör­per­ver­let­zun­gen, nicht. Es gibt effek­ti­ve­re Maß­nah­men gegen nächt­li­che Gewalt.

Lukas Hohen­dorf, wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter an der Pro­fes­sur für Empi­ri­sche Poli­tik­wis­sen­schaft der Uni­ver­si­tät Bam­berg, und Fal­ko Tesch, wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter am Zen­trum für Evi­denz­ba­sier­te Gesund­heits­ver­sor­gung der Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät Dres­den, unter­su­chen in ihrer Stu­die, wel­che Aus­wir­kun­gen die Sperr­zeit­er­wei­te­rung in baye­ri­schen Städ­ten auf nächt­li­che Gewalt­de­lik­te hat. „Gera­de, weil die Sperr­zeit in Bay­ern zum Teil auf einer sehr emo­tio­na­len Ebe­ne dis­ku­tiert wor­den ist, woll­ten wir die Dis­kus­si­on mit wis­sen­schaft­li­chen Ergeb­nis­sen ver­sach­li­chen und objek­tiv nach­prüf­ba­re Fak­ten lie­fern“, erklärt Lukas Hohen­dorf das Ziel der Stu­die, die im Febru­ar 2018 in der ame­ri­ka­ni­schen Fach­zeit­schrift „Jour­nal of Drug Issues“ ver­öf­fent­licht wurde.

Die bei­den Wis­sen­schaft­ler kon­zen­trier­ten sich für ihre Ana­ly­se auf den Zeit­raum von 2002 bis 2013. Ins­ge­samt flos­sen in die Aus­wer­tung die Daten von 13 mit­tel­gro­ßen Städ­ten ein, dar­un­ter sie­ben frän­ki­sche Städ­te wie Bam­berg, Aschaf­fen­burg und Fürth. Für die­se Längs- und Quer­schnitts­stu­die wer­te­ten Lukas Hohen­dorf und Fal­ko Tesch die Poli­zei­li­che Kri­mi­nal­sta­ti­stik aus, die ihnen das Baye­ri­sche Staats­mi­ni­ste­ri­um des Innern, für Bau und Ver­kehr zur Ver­fü­gung stell­te. „Wir hat­ten eine qua­si-expe­ri­men­tel­le Situa­ti­on, weil die Städ­te ver­gleich­bar sind: Sie unter­lie­gen alle dem glei­chen Lan­des­ge­setz und sind ähn­lich groß. Ande­rer­seits unter­schei­den sich die Sperr­zei­ten von­ein­an­der, sodass wir die jewei­li­gen Aus­wir­kun­gen betrach­ten konn­ten“, so Lukas Hohendorf.

In der Stu­die wird über­prüft, wie sich die unter­schied­li­chen Sperr­zei­ten auf die Anzahl von Kör­per­ver­let­zun­gen aus­wir­ken. Die For­scher wer­te­ten die genaue Anzahl an Straf­ta­ten pro Stadt, pro Jahr und pro Delikt aus. Die­se Daten ver­gli­chen sie mit der Bevöl­ke­rungs­zahl, sodass sie Durch­schnitts­wer­te erhiel­ten. Bei­spiels­wei­se gab es in Bam­berg zwi­schen zwei und sechs Uhr nachts im Zeit­raum von 2003 bis 2013 durch­schnitt­lich 2,55 Kör­per­ver­let­zun­gen pro tau­send Ein­woh­nern im Jahr, wäh­rend der Durch­schnitts­wert für alle 13 Städ­te bei 2,12 Kör­per­ver­let­zun­gen lag. Laut Fal­ko Tesch muss man die Daten lang­fri­stig betrach­ten: „Wir kön­nen nach der Aus­wer­tung nicht sagen: Seit die erwei­ter­te Sperr­zeit ein­ge­führt wur­de, gab es mehr oder weni­ger Straf­ta­ten in einer bestimm­ten Stadt.“ Denn es gebe zu vie­le Grün­de, war­um in einem bestimm­ten Jahr die Zah­len höher sei­en als in einem ande­ren – bei­spiels­wei­se, wenn bei einer Fuß­ball-Welt­mei­ster­schaft sehr vie­le Men­schen nachts unter­wegs seien.

Was die sta­ti­sti­sche Ana­ly­se aber ver­rät, ist eine lang­fri­sti­ge Ten­denz. „Wir konn­ten fest­stel­len, dass die Sperr­zeit­ver­län­ge­rung nur mar­gi­na­le Effek­te auf die Anzahl der unter­such­ten Delik­te hat“, fasst Fal­ko Tesch zusam­men. „In Städ­ten, die gene­rell ein nied­ri­ges Gewalt­po­ten­ti­al auf­wei­sen, bleibt es nied­rig. Gibt es in einer Stadt ohne­hin schon etwas mehr Kör­per­ver­let­zun­gen pro tau­send Ein­woh­nern, wird die­ser Trend durch die ver­län­ger­te Sperr­zeit ver­schlim­mert.“ Ein Grund kön­ne sein, dass alle Nacht­schwär­mer gleich­zei­tig die Loka­le ver­lie­ßen und es dadurch zu Unru­hen komme.

Die bei­den Wis­sen­schaft­ler raten auf­grund die­ser Ergeb­nis­se dazu, die Dis­kus­si­on um die Ein­füh­rung von Sperr­zei­ten ergeb­nis­of­fen zu füh­ren und auch über Alter­na­ti­ven nach­zu­den­ken. „Ande­re Län­der haben effek­ti­ve­re Maß­nah­men zur Redu­zie­rung von nächt­li­chen Straf­ta­ten gefun­den“, sagt Lukas Hohen­dorf und ver­weist auf inter­na­tio­na­le Stu­di­en: Erwie­se­ner­ma­ßen wirk­sam sei­en stren­ge­re Kon­trol­len von Auf­la­gen zum Aus­schank an bereits stark alko­ho­li­sier­te Gäste oder auch Schu­lun­gen für Bar- und Club-Ange­stell­te, damit die­se bes­ser mit aggres­si­ven und stö­ren­den Gästen umge­hen können.

Fol­gen­de Städ­te wur­den in der Stu­die ausgewertet:

  • Aschaf­fen­burg
  • Augs­burg
  • Bam­berg
  • Bay­reuth
  • Erlan­gen
  • Fürth
  • Ingol­stadt
  • Kemp­ten
  • Lands­hut
  • Pas­sau
  • Regens­burg
  • Schwein­furt
  • Würz­burg

Publi­ka­ti­on:
Lukas Hohen­dorf und Fal­ko Tesch. 2018. Do Chan­ges in Bar Ope­ning Hours Influence Vio­lence in the Night? Evi­dence from 13 Bava­ri­an Towns. Jour­nal of Drug Issues 48 (2). https://​doi​.org/​1​0​.​1​1​7​7​/​0​0​2​2​0​4​2​6​1​7​7​5​3​146