Expe­ri­men­te aus Bay­reuth an Bord eines „Blue Origin“-Flugs

Symbolbild Bildung

Astro­nau­ten­nah­rung im Welt­all produzieren

Bemann­te Welt­raum­mis­sio­nen, die vie­le Wochen oder Mona­te andau­ern, sind nur mög­lich, wenn der Trans­port des Pro­vi­ants für die Astro­nau­ten nicht zu viel Ener­gie für die Flug­ge­rä­te benö­tigt. Eine Lösung des Pro­blems könn­ten Orga­nis­men sein, die lebens­wich­ti­ge Nähr­stof­fe an Bord erzeu­gen. Sind Was­ser­flö­he, die auf der Erde gro­ße Men­gen an Bio­mas­se pro­du­zie­ren, dazu in der Lage? Bio­lo­gen der Uni­ver­si­tät Bay­reuth haben Expe­ri­men­te ent­wickelt, um das Ver­hal­ten die­ser Tie­re in der Schwe­re­lo­sig­keit zu testen. Auf einem Sub­or­bi­tal­flug des Pri­vat­un­ter­neh­mens Blue Ori­gin wur­den die­se Ver­su­che jetzt erfolg­reich durch­ge­führt. Es waren mit die ersten bio­lo­gi­schen Expe­ri­men­te auf einem Blue Origin-Flug.

Lebens­er­hal­tungs­sy­ste­me im Welt­all: For­schun­gen zur Astro­nau­ten­nah­rung der Zukunft

Zoo­plank­ton sind klei­ne Orga­nis­men, die in den Nah­rungs­net­zen von Seen und Mee­ren ein wich­ti­ges Bin­de­glied dar­stel­len: Einer­seits ernäh­ren sie sich von Mikro­al­gen, ande­rer­seits stel­len sie selbst nähr­stoff­rei­ches Fut­ter für Fische oder für ande­re im Was­ser leben­de Tie­re dar. Den größ­ten Anteil an Zoo­plank­ton bil­den win­zi­ge Krebs­tie­re, die wegen der von ihnen erzeug­ten Bio­mas­se von gro­ßer öko­lo­gi­scher Bedeu­tung sind. Zu die­sen Tie­ren zäh­len ins­be­son­de­re Was­ser­flö­he (Daphni­en). „Lang­jäh­ri­ge For­schun­gen mit die­sen Orga­nis­men brach­ten uns auf die Idee, ob sie im Welt­raum Bio­mas­se erzeu­gen kön­nen, die dann einen lebens­wich­ti­gen Bestand­teil der Astro­nau­ten­nah­rung bil­den“, erklärt Prof. Dr. Chri­sti­an Laforsch von der Uni­ver­si­tät Bayreuth.

Die Über­le­gun­gen ste­hen im Kon­text der bio­re­ge­ne­ra­ti­ven Lebens­er­hal­tungs­sy­ste­me (bio­re­ge­ne­ra­ti­ve life sup­port systems, BLSS), an denen welt­weit zuneh­mend inten­siv gear­bei­tet wird. Es han­delt sich um künst­li­che Öko­sy­ste­me, die imstan­de sein sol­len, Men­schen dau­er­haft und zuver­läs­sig mit Nähr­stof­fen zu ver­sor­gen – nicht nur im Welt­raum, son­dern auch in Gebie­ten, in denen Nah­rungs­man­gel herrscht. Weg­wei­send sind dafür auch die jüng­sten For­schungs­ar­bei­ten der Bay­reu­ther For­scher. Die Dok­to­ran­din Jes­si­ca Fischer hat kürz­lich in der Zeit­schrift npj Micro­gra­vi­ty gezeigt, dass auch wei­te­re Zoo­plank­ton-Orga­nis­men, in die­sem Fall Muschel­kreb­se, gute Vor­aus­set­zun­gen mit­brin­gen, um die Nähr­stoff­pro­duk­ti­on eines BLSS sogar in der Schwe­re­lo­sig­keit anzutreiben.

Expe­ri­men­te in der Schwe­re­lo­sig­keit: Erfolg­rei­che Zusam­men­ar­beit mit Blue Origin

Wäh­rend eines unbe­mann­ten Flugs des US-ame­ri­ka­ni­schen Unter­neh­mens Blue Ori­gin wur­de nun erst­mals gete­stet, wie sich die Schwe­re­lo­sig­keit auf mole­ku­la­re Pro­zes­se in den Was­ser­flö­hen aus­wirkt. „Die­se Fol­gen müs­sen bekannt sein, bevor man die Orga­nis­men in Lebens­er­hal­tungs­sy­ste­men im Welt­raum ver­wen­den kann. Wir freu­en uns des­halb sehr dar­über, dass wir unse­re For­schungs­ar­bei­ten mit Unter­stüt­zung von Blue Ori­gin ent­schei­dend vor­an­brin­gen konn­ten“, sagt die Bay­reu­ther Bio­lo­gin Dr. Miri­am Knie, die den Start der Rake­te New She­pard am 29. April 2018 in Van Horn/​Texas live ver­folgt hat. Das nach Al She­pard, dem ersten Astro­nau­ten der USA, benann­te Flug­ge­rät wird von Blue Ori­gin für das vom Deut­schen Zen­trum für Luft- und Raum­fahrt (DLR) geför­der­te Pro­jekt „Sci­en­ti­fic Path­fin­der Flights“ ein­ge­setzt. Das Vor­ha­ben soll wis­sen­schaft­li­che Expe­ri­men­te im All unter­stüt­zen – ins­be­son­de­re sol­che Unter­su­chun­gen, die zur Wei­ter­ent­wick­lung der bemann­ten Raum­fahrt bei­tra­gen. Auch unter die­sem Aspekt wur­den die Bay­reu­ther Expe­ri­men­te ausgewählt.

New She­pard ist gut zehn Minu­ten nach dem Start wie­der sicher gelan­det. „In den näch­sten Wochen wer­den wir die in der Schwe­re­lo­sig­keit gewon­ne­nen Daten sorg­fäl­tig aus­wer­ten und mit unse­ren bis­he­ri­gen Bay­reu­ther For­schungs­er­geb­nis­sen abglei­chen. Dann wer­den wir mehr dar­über wis­sen, wie gut sich Daphni­en tat­säch­lich für den Ein­satz in Raum­sta­tio­nen oder auf Lang­zeit­flü­gen im Welt­all eig­nen. Die Ergeb­nis­se wer­den wir so bald wie mög­lich der Öffent­lich­keit vor­stel­len“, so Dr. Miri­am Knie.

Neue Erkennt­nis­se zur Nah­rungs­ver­sor­gung auf der Erde

Die Bay­reu­ther Bio­lo­gen sind opti­mi­stisch, dass die neu­en Mess­da­ten sich auch im Hin­blick auf wei­te­re For­schungs­fra­gen als auf­schluss­reich erwei­sen. So weiß man bis­her nur sehr wenig dar­über, wie sich bio­lo­gi­sche Syste­me, die sen­si­bel auf Schwer­kraft reagie­ren, im Lauf der Evo­lu­ti­on ent­wickelt haben. „Vor allem aber sol­len die Expe­ri­men­te im Welt­raum Erkennt­nis­se dar­über lie­fern, inwie­fern Plank­ton­or­ga­nis­men auch auf der Erde für eine nach­hal­ti­ge Nah­rungs­ver­sor­gung genutzt wer­den kön­nen“, erklärt Prof. Dr. Chri­sti­an Laforsch.

Ver­öf­fent­li­chung:

Jes­si­ca Fischer and Chri­sti­an Laforsch: The influence of gra­vi­ty and light on loco­mo­ti­on and ori­en­ta­ti­on of Hete­ro­cy­pris incon­gru­ens and Noto­dro­mas monacha (Cru­stacea, Ost­ra­co­da), npj Micro­gra­vi­ty 4, 3 (2018).

DOI: 10.1038/s41526-017‑0037‑5.