Nach Kulmbacher Trachten trachten

Für Frauen ist Trachtenerneuerung einfacher, als für Männer – Birgit Jauernig bietet Beratung an

Die Trachtenberaterin des Bezirks Oberfranken Dr. Birgit Jauernig stellte bei den Freunden der Plassenburg Ihre Forschungsarbeit vor, die zu einer Erneuerung der Kulmbacher Tracht führt.

Die Trachtenberaterin des Bezirks Oberfranken Dr. Birgit Jauernig stellte bei den Freunden der Plassenburg Ihre Forschungsarbeit vor, die zu einer Erneuerung der Kulmbacher Tracht führt.

Um die mögliche Erneuerung der Kulmbacher Tracht ging es am Montagabend in der Guten Stube des Al Castello auf der Plassenburg. Die Ethnologin und Leiterin des Bauernmuseums in Frensdorf bei Bamberg Dr. Birgit Jauernig erläuterte auf Einladung der Freunde der Plassenburg die Ursprünge dessen, was heutzutage als Tracht angesehen wird. Sie präsentierte Beispiele für historische Gewänder aus dem Kulmbacher Land und für erneuerte, moderne Versionen dieser Kleidung. Dabei verriet die Expertin Forschungsergebnisse, die zu einigem Staunen unter den Zuschauern führten.

„Tracht wird von vielen Menschen als fast uniforme, angeblich regionaltypische Kleidung, geschneidert nach vermeintlich uralter Tradition verstanden, die sich im Laufe von Jahrhunderten kaum verändert habe. Und das war und ist nicht der Fall“, überraschte Jauernig die Zuhörer. Gewänder, die für Regionen oder Berufsgruppen typisch waren, gab es schon seit Jahrhunderten. Alltags- und Festtagstrachten unterschieden sich oft erheblich. Sie unterlagen einem steten Wandel und haben sich über die Jahrzehnte immer weiter entwickelt. „Schon vor zweihundert Jahren konnten neue Stoffe, Reichtum und der Austausch über Grenzen hinweg zu immer neuen Einflüssen auf Schnitt, Aussehen und Trageweise führen“. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts habe in vielen Regionen Bayerns und Frankens die Kniebundhose de der langen Hose weichen müssen, der Dreispitz sei in den meisten Gegenden als männliche Kopfbedeckung zugunsten anderer Mützen und Hüte verschwunden. Bemerkenswert erschien vielen Anwesenden, dass die Tracht der Protestanten in Oberfranken in vielen Fällen unglaublich farbig war, nur zu festlichen Anlässen trug man schwarz.

Groß in Mode kamen Trachten und die Beschäftigung damit in Folge eines königlich bayerischen Aufrufs aus dem Jahr 1842, nachdem sich aus allen Bezirken Bayerns Brautpaar in ihrer regionaltypischen Kleidung nach München zur Hochzeit des Kronprinzenpaares zu begeben sollten. Aus Kulmbach habe leider kein Paar daran teilgenommen. Aus Pechgraben liegt aber eine Beschreibung der Kleidung eines Bewerberpaars vor. Die Frau trug eine kamelgraue Jacke, einen Brustlatz wahlweise aus Samt oder Seide, einen schwarzen Tuchrock in Falten gelegt. „Je faltiger, desto teurer war der Rock, da mehr Material benutzt wurde“. Auf dem Kopf trug sie ein schwarzes Tuch und darüber eine Haube, die silbern bestickt war. Der Herr trug einen blauen oder schwarzen Überrock, darunter lange Tuchhosen gleicher Farbe. Auf seinem Kopf saß ein „spitziger Hut mit niedergebogener Krempe“, an den Füßen hatte er schwarze Schuhe mit Silberschnallen. Schwarz oder dunkelblau war die Festtagstracht. Diese Farben waren sehr teuer und schwer zu färben.

Regionaltypische Trachten seien seit einigen Jahren in Oberfranken wieder gefragt. Es gebe immer mehr Anfragen von Vereinen, Musikkapellen, Tanzgruppen, aber auch von Einzelpersonen oder Kommunen nach einer eigenen, erneuerten Tracht. Doch worauf basiert diese Erneuerung?
„Wir erfinden Trachten nicht neu, wir erneuern sie auf Basis alter Vorbilder, die zum Teil noch erhalten sind, sich oft aber auf Gemälden, Druckgrafiken und sogar Steckbriefen wiederfinden“, erläuterte Jauernig ihre Vorgehensweise. Da aber heutzutage kaum eine Frau mehr die oft recht unbequem geschnittene Kleidung vergangener Jahrhunderte tragen möchte, werden Schnitt, Trageweise und Kombinationen der einzelnen Teile geändert. Im Jahr 2009 konnte so bereits die erneuerte Frauentracht für das Coburger Land vorgestellt werden, ihr folgten 2010 folgte ein Modell für die Damen Kulmbachs und 2011 die erneuerte Bamberger Tracht. „Für die Hofer und Wunsiedler Gegend entstanden wunderbare erneuerte Trachten, die sich großer Beliebtheit erfreuen“.

Die Kulmbacher Trachten, die in den Beständen des ehemaligen Luitpoldmuseums während des Zweiten Weltkriegs auf der Plassenburg aufbewahrt wurden, verbrannten bei Kriegsende. Vor einigen Jahren habe sie von der Familie Degelmann aus Ködnitz ein wunderbares Trachtenkleid aus dem 19. Jahrhundert erhalten, das einst ihrer 1917 verstorbenen Urgroßmutter Luise Nützel aus Ködnitz gehört hatte und an diesem Abend auf der Plassenburg auf einer Schneiderpuppe präsentiert wurde. Die in gedeckten Farben gehaltene Kombination aus Mieder, Faltenrock und Schürze erwies sich laut Jauernig als Zusammenfügung aus mehreren verschiedenen Kleidern: „Das ist ein großes Glück, solche Stücke zu haben. Sie waren die Grundlage für eine erste Version einer erneuerten Kulmbacher Frauentracht“. Eine zweite Schneiderpuppe zeigte daneben diese Neuschöpfung in sommerlichen, helleren Farben, Blümchenmuster und leicht geändertem, Schnitt, der einen angenehmeren Tragekomfort verspreche.

Dass es noch keine derartige Kleidung für die Männer Kulmbachs gäbe, liege zum einen an der schlechten Forschungslage, es gäbe kaum Beispiele. Die Expertin bedauerte die: „Uns ist nur eine einzige Lederhose aus Kulmbach bekannt, die mir vor einige Jahren von einer Familie gezeigt wurde“. Das Leder der Hosen wurde oft umgearbeitet, etwa zu Arbeitshandschuhen, so dass kaum eine Hose die Zeiten überlebt habe. Zum anderen sei noch keine große Nachfrage zu spüren, die notwendig sei, um Dinge ins Rollen zu bringen. Auf Nachfrage teilte sie mit, dass es durchaus möglich ist, eine Herrentracht für Kulmbach in erneuerter Weise herzustellen. Die von der Trachtenberatung des Bezirks Oberfranken vorgestellten Modelle und Beispiele sollen keine uniforme Vorgabe sein, sondern eher Vorbild und Anregung für einen kreativen Umgang mit dieser Art Kleidung. Wer nach erneuerter Kulmbacher Tracht trachte, dem wolle sie gerne helfen, so Jauernig.

Für die Herstellung erneuerter Trachten setzt die Ethnologin auf professionelle Hilfe. Christiana von Roit, Schneidermeisterin aus Bamberg, plauderte über ihre Arbeit an und mit oberfränkischen Trachten aus dem Nähkästchen. Heute verzichte man auf Hüftpolster und dicke Unterröcke, durch schmalere Schürzen und durch Veränderung der Rockfalten entspräche die erneuerte Tracht dem heutigen Schönheitsideal. Keine Frau muss Angst haben, fülliger zu wirken oder unbequeme Kleidung wie ihre Urgroßmütter tragen zu müssen. Von Roit hat schon erneuerte Kleidung für Wunsiedel, Bamberg und den Frankenwald geschaffen – Kulmbacher Tracht wäre eine Herausforderung, der sie sich gerne stellen werde.

Info:
Trachtenberatung des Bezirks Oberfranken
Bauernmuseum Bamberger Land Hauptstraße 3, 96158 Frensdorf
www.trachtenberatung-oberfranken.de

Die Trachtenberatung Oberfranken hat in Zusammenarbeit mit Trachtenerneuerung und Maßschneiderinnen neue Entwürfe erarbeitet. Einige davon können auch als Schnittmuster erworben werden. Im Bauermuseum Bamberger Land werden Nähkurse für Trachten angeboten.