Vor­trag im Kli­ni­kum Forch­heim: Den „Kran­ken­haus­keim“ gibt es nicht

Daniel Petraschka und Andrea Neumann. ©Klinikum Forchheim

Dani­el Petrasch­ka und Andrea Neu­mann. ©Kli­ni­kum Forchheim

Sie hei­ßen methi­cil­lin-resi­sten­ter Sta­phy­lo­coc­cus aureus (MRSA), ESBL oder MRGN und haben eines gemein­sam: Sie sind gegen eine oder auch meh­re­re Anti­bio­ti­ka­grup­pen resi­stent und kön­nen – wenn sie sich in einem Kran­ken­haus aus­brei­ten – bei schwer kran­ken Pati­en­ten mit abge­schwäch­ter Immun­ab­wehr ver­hee­ren­de Fol­gen haben.

Dani­el Petrasch­ka, Arzt für Kran­ken­haus­hy­gie­ne am Deut­schen Bera­tungs­zen­trum für Hygie­ne, stell­te im Rah­men der Vor­trags­rei­he des För­der­ver­eins des Kli­ni­kums die gefähr­lich­sten Bak­te­ri­en­stäm­me vor und zeig­te auf, wie man sich selbst sowie Pati­en­ten und Mit­ar­bei­ter im Kran­ken­haus davor schüt­zen kann.

Hän­de­wa­schen nicht vergessen

Eines stell­te er vor­weg klar: Die Kei­me mögen zwar mul­ti­re­si­stent sein, aber gegen han­dels­üb­li­ches Des­in­fek­ti­ons­mit­tel mit 60 bis 80 Pro­zent Alko­hol ist kein Keim gewach­sen. „Jeder Keim ist tot“, ver­si­chert er. Der Kin­der­spruch „Nach dem Klo und vor dem Essen, Hän­de­wa­schen nicht ver­ges­sen!“ behält sei­ne Bedeu­tung. Wer sich in ein Kran­ken­haus begibt, soll­te sich gleich beim Betre­ten die Hän­de des­in­fi­zie­ren, um nicht von außen Kei­me ein­zu­schlep­pen, und auch wie­der beim Ver­las­sen, weil der Besucher/​Patient/​Mitarbeiter im Gebäu­de mit Kei­men in Berüh­rung gekom­men sein könn­te. Vor dem Anfas­sen von Wun­den und Kathe­tern ist die Hän­de­des­in­fek­ti­on obligatorisch.

Häu­fi­ge Anti­bio­ti­ka­ver­wen­dung in der Tier­me­di­zin begün­stigt die Ausbreitung

„Der Kran­ken­haus­keim“ exi­stie­re auch so in die­ser Form nicht, so Petrasch­ka, da die Kei­me von außen ein­ge­schleppt wer­den. So fan­den sich auf Pro­ben von rohem Fleisch aus dem Ein­zel­han­del unter­schied­lich hohe Raten von MRSA oder auch soge­nann­ten ESBL-Bak­te­ri­en, die sonst in ihrer natür­li­chen, nicht resi­sten­ten Form auch bei uns Men­schen vor­kom­men kön­nen. Ein Pro­blem dabei ist, dass sich durch die häu­fi­ge Ver­wen­dung von Anti­bio­ti­ka in der Tier­me­di­zin die­se resi­sten­ten Kei­me auch dort aus­ge­brei­tet haben. Auch Rei­sen­de kön­nen aus fer­nen Län­dern unlieb­sa­me Sou­ve­nirs in Form von ESBL-Kei­men mit­brin­gen. Den Indi­en­rück­keh­rer soll­te man daher nur mit Vor­sicht bus­seln, denn bei einem Zun­gen­kuss wech­seln bis zu 80 Mil­lio­nen Bak­te­ri­en ihre Heimstätte.

Pati­en­ten­über­prü­fung bei Auf­nah­me ins Klinikum

Um die fata­le Aus­brei­tung des Kei­mes im Kran­ken­haus zu ver­mei­den wer­den Pati­en­ten bei der Auf­nah­me über­prüft. War der Pati­ent im Urlaub im Aus­land? Hat er einen län­ge­ren Kran­ken­haus­auf­ent­halt hin­ter sich? Bestehen Vor­er­kran­kun­gen? Bei Ver­dacht wer­den dann Kör­per­re­gio­nen wie Nase, Rachen oder auch der Darm auf resi­sten­te Kei­me untersucht.

Das Kli­ni­kum Forch­heim nimmt außer­dem schon seit län­ge­rem am Kran­ken­haus-Infek­ti­ons-Sur­veil­lan­ce-System (KISS) teil. Die Über­wa­chung der Infek­tio­nen in Kli­ni­ken läuft über das Natio­na­le Refe­renz­zen­trum, wel­ches zum Robert-Koch-Insti­tut gehört.

Hygie­ne­maß­nah­men am Kli­ni­kum Forchheim

Im Anschluss stell­te Dr. Andrea Neu­mann, Fach­ärz­tin und hygie­ne­be­auf­trag­te Ärz­tin der Abtei­lung für Anäs­the­sie und Inten­siv­me­di­zin, die aktu­el­len Hygie­ne­maß­nah­men am Kli­ni­kum Forch­heim vor. Über­all im Gebäu­de – auch im Ein­gangs­be­reich – befin­den sich berüh­rungs­freie Des­in­fek­ti­ons­mit­tel­spen­der für Besu­cher. Außer­dem wird der Ver­brauch von Hän­de­des­in­fek­ti­ons­mit­tel auf den ein­zel­nen Sta­tio­nen über­prüft und das Per­so­nal kon­stant geschult. Seit 2017 nimmt das Kli­ni­kum auch an der „Akti­on Sau­be­re Hän­de“ teil. Die Arbeit der „Akti­on Sau­be­re Hän­de“ stützt sich auf ein gan­zes Bün­del von Prä­ven­ti­ons­stra­te­gien, von Fort­bil­dun­gen für medi­zi­ni­sches Per­so­nal, Com­pli­ance­be­ob­ach­tun­gen bis zur Über­mitt­lung des Hän­desdes­in­fek­ti­ons­mit­tel­ver­brauchs an das Natio­na­le Referenzzentrum.

Ein­mal­kit­tel für iso­lier­te Patienten

Eine wei­te­re Ver­bes­se­rung wur­de in der Iso­la­ti­on ein­ge­führt: Dabei wer­den gefähr­de­te Pati­en­ten zur Ver­mei­dung der Erre­ger­über­tra­gung iso­liert in einem Ein­zel­zim­mer unter­ge­bracht. Zur Schutz­be­klei­dung der­je­ni­gen, die das Iso­la­ti­ons­zim­mer betre­ten, gehö­ren ein Kit­tel, Mund­schutz und Hand­schu­he. Seit eini­ger Zeit ver­wen­det das Kli­ni­kum Forch­heim Ein­mal­kit­tel, die nach Benut­zung weg­ge­wor­fen wer­den. Dies ist hygie­ni­scher als Kit­tel, die gewa­schen wer­den müs­sen. Des­wei­te­ren wer­den die Iso­la­tio­nen nicht mehr streng nach Erre­ger durch­ge­führt, son­dern die Iso­la­ti­ons­maß­nah­men wer­den je nach Streu­po­ten­ti­al der Erre­ger indi­vi­du­ell für jeden Pati­en­ten fest­ge­legt, um unnö­ti­ge Iso­la­tio­nen zu vermeiden.

Gefahr aus der Waschschüssel

Auf­wän­dig war in der Ver­gan­gen­heit auch das soge­nann­te „anti­sep­ti­sche“ Waschen und Haa­re­wa­schen von Pati­en­ten, die auf der Inten­siv­sta­ti­on iso­liert wer­den müs­sen und bei denen einen Sanie­rung der mul­ti­re­si­sten­ten Erre­ger durch­ge­führt wird. Im Was­ser der Wasch­schüs­sel konn­ten Erre­ger über­tra­gen wer­den. Jetzt ver­wen­det das Forch­hei­mer Kran­ken­haus das System „Waschen ohne Was­ser“. Dabei wer­den mit einer spe­zi­el­len Tränk­lö­sung imprä­gnier­te Wasch­hand­schu­he und Wasch­hau­ben, ver­wen­det Ein Nach – und Aus­spü­len mit Was­ser ist nicht mehr erforderlich.

Anti­bio­ti­ka-Ver­brauch

Schließ­lich betei­ligt sich das KIi­ni­kum an einem gemein­sa­men Pro­jekt des Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum Frei­burg und der Deut­sche Gesell­schaft für Infek­tio­lo­gie, das den Anti­bio­ti­ka-Ver­brauch von 166 Kli­ni­ken ein­schließ­lich der Uni­ver­si­täts­kli­ni­ken über­prüft, davon 95 Häu­ser mit weni­ger als 400 Bet­ten. 70 Pro­zent der teil­neh­men­den Häu­ser mit weni­ger als 400 Bet­ten ver­brau­chen mehr Anti­bio­ti­ka als das Kli­ni­kum Forch­heim. Die Uni­ver­si­täts­kli­ni­ken haben einen noch höhe­ren Ver­brauch, weil hier schwerst­kran­ke Pati­en­ten lie­gen, die einen höhe­ren Bedarf haben.

Der Anti­bio­ti­ka-Ver­brauch sagt aber noch nichts über die rich­ti­ge Ver­wen­dung aus. Das Team des Anti­bio­tic-Ste­ward­ship-Pro­gramms, bestehend aus den bei­den Ärz­tin­nen Andrea Neu­mann und Agnes Por­ko­lab, hat sich daher zum Ziel gesetzt, die Ver­ord­nungs­qua­li­tät von Anti­in­fek­ti­va am Kli­ni­kum wei­ter zu ver­bes­sern, die Pati­en­ten­ver­sor­gung zu opti­mie­ren und die Ent­wick­lung von wei­te­ren Resi­sten­zen zu verhindern.

Am Ende durf­ten die Zuhö­rer die Des­in­fek­ti­on ihrer eige­nen Hän­de durch­füh­ren und mit­tels einer UV-Lam­pe über­prü­fen. Im Licht der Lam­pe leuch­te­ten nicht des­in­fi­zier­te Stel­len der Hand – etwa am Dau­men und an den Fin­ger­spit­zen – dunk­ler, da das Des­in­fek­ti­ons­mit­tel mit einer leuch­ten­den Sub­stanz ver­setzt war.