Uni­ver­si­tät Bam­berg: Stu­die zum Fami­li­en­ver­ständ­nis in Nord­afri­ka und dem Nahen Osten

Symbolbild Bildung

Idea­les Hei­rats­al­ter, Akzep­tanz von Schei­dun­gen und Arbeits­tei­lung in der Familie

Stu­die zu Unter­schie­den zwi­schen Deutsch­land und Staa­ten in Nord­afri­ka und dem Nahen Osten

Das Ver­ständ­nis von Fami­lie und die Vor­stel­lun­gen, was eine gute Mut­ter oder einen guten Vater aus­macht, kön­nen ganz unter­schied­lich sein. Nicht nur in Deutsch­land, son­dern auch in den Her­kunfts­län­dern von Geflüch­te­ten. In die­sem Kon­text ver­öf­fent­licht das Staats­in­sti­tut für Fami­li­en­for­schung an der Uni­ver­si­tät Bam­berg (ifb) Ergeb­nis­se einer sozio­lo­gi­schen Stu­die zum Fami­li­en­ver­ständ­nis in Nord­afri­ka und dem Nahen Osten, die Prof. Dr. Micha­el Gebel von der Otto-Fried­rich-Uni­ver­si­tät Bam­berg und Dr. Ste­fa­nie Hey­ne von der Lud­wig-Maxi­mi­li­ans-Uni­ver­si­tät Mün­chen in des­sen Auf­trag durch­ge­führt haben. Für ihre Unter­su­chung ana­ly­sier­ten die Autoren meh­re­re reprä­sen­ta­ti­ve Daten­sät­ze, unter ande­rem aus dem World Value Sur­vey, einer umfang­rei­chen und welt­wei­ten Umfra­ge über Ein­stel­lun­gen und Wertvorstellungen.

Ziel der Stu­die war es, Erkennt­nis­se über die Rol­le von Staat und Fami­lie sowie die geschlechts­spe­zi­fi­schen und fami­liä­ren Rol­len­vor­stel­lun­gen in ver­schie­de­nen MENA-Staa­ten zu erlan­gen und mit den vor­herr­schen­den Vor­stel­lun­gen in Deutsch­land zu ver­glei­chen. Unter den Begriff MENA-Staa­ten wer­den die Regio­nen des Nahen Ostens und Nord­afri­kas (Midd­le East and Nor­t­hern Afri­ca) gefasst, wie zum Bei­spiel der Liba­non, Syri­en, der Irak oder auch Pakistan.

Neben ver­schie­de­nen Stand­punk­ten, bei­spiels­wei­se bezüg­lich des idea­len Hei­rats­al­ters und der Akzep­tanz von Schei­dun­gen, wur­den die Ein­stel­lun­gen zur Arbeits­tei­lung in der Fami­lie, wie etwa die Erwerbs­tä­tig­keit von Müt­tern, ana­ly­siert. Die Ergeb­nis­se zei­gen, dass Befrag­te in Deutsch­land eine ver­hält­nis­mä­ßig posi­ti­ve Ein­stel­lung zur Berufs­tä­tig­keit von Müt­tern auf­wei­sen. Im Gegen­satz dazu zeigt sich eine höhe­re Ableh­nung von berufs­tä­ti­gen Müt­tern in den MENA-Län­dern. Damit zusam­men­hän­gend wei­sen die Ana­ly­sen jedoch auf, dass auch inner­halb der MENA-Staa­ten unter­schied­li­che Auf­fas­sun­gen bezüg­lich der Müt­ter­er­werbs­tä­tig­keit bestehen. So ver­mu­ten 89 Pro­zent der Befrag­ten aus Jor­da­ni­en einen nega­ti­ven Zusam­men­hang von Müt­ter­er­werbs­tä­tig­keit und dem Kin­des­wohl. Dem­ge­gen­über sehen nur 66 Pro­zent aller Befrag­ten aus Ägyp­ten und der Tür­kei nach­tei­li­ge Aus­wir­kun­gen auf die Kin­der, wenn eine Mut­ter erwerbs­tä­tig ist.

Auch in den Berei­chen Wirt­schaft und Poli­tik vari­ie­ren die Vor­stel­lun­gen bei den Rol­len von Män­nern und Frau­en zwi­schen Deutsch­land und den MENA-Staa­ten. Bei­spiels­wei­se spre­chen ledig­lich 17 Pro­zent der Befrag­ten in Deutsch­land Män­nern eine höhe­re Kom­pe­tenz in poli­ti­schen Posi­tio­nen zu als Frau­en. In den MENA-Regio­nen hal­ten gut drei Vier­tel Män­ner für fach­kun­di­ger. Aller­dings stel­len die Autoren fest, dass höher gebil­de­te Befrag­te aus Nord­afri­ka und dem Nahen Osten Frau­en und Män­nern eher glei­che Kom­pe­ten­zen für poli­ti­sche Ämter zuschreiben.

Die Ergeb­nis­se der Stu­die las­sen sich zwar nur bedingt auf Geflüch­te­te über­tra­gen, die in Deutsch­land und anders­wo leben. Sie geben jedoch Auf­schluss dar­über, wel­ches Ver­ständ­nis von Fami­lie und fami­liä­ren Rol­len in den Her­kunfts­län­dern vor­herr­schen und wie hete­ro­gen die­se je nach Land und sozio­de­mo­gra­fi­schen Merk­ma­len wie Bil­dung, Geschlecht und Alter sind.

Aus Sicht des Staats­in­sti­tuts für Fami­li­en­for­schung an der Uni­ver­si­tät Bam­berg kön­nen die Ergeb­nis­se auch zu einer Ver­sach­li­chung der gesell­schaft­li­chen Dis­kus­si­on über die Wert­vor­stel­lun­gen und Geschlech­ter­rol­len von Flücht­lin­gen bei­tra­gen, indem sie auf­zei­gen, dass eine dif­fe­ren­zier­te Betrach­tung statt einer Pau­scha­li­sie­rung not­wen­dig ist.

Publi­ka­ti­on:

Gebel, Michael/​Heyne, Ste­fa­nie (2017): Fami­li­en­ver­ständ­nis in Nord­afri­ka und dem Nahen Osten. Ana­ly­sen zu fami­liä­ren Rol­len und zur Abgren­zung vom Staat. Bam­berg: Uni­ver­si­ty of Bam­berg Press.

Über das ifb:

Das Staats­in­sti­tut für Fami­li­en­for­schung ist ein sozi­al­wis­sen­schaft­li­ches For­schungs­in­sti­tut, das sich aus­schließ­lich der Fami­li­en­for­schung wid­met. Das For­schungs­team am ifb ist inter­dis­zi­pli­när auf­ge­stellt und unter­sucht seit über 20 Jah­ren, wel­che Lebens­be­din­gun­gen und Bedürf­nis­se Fami­li­en haben, wie Fami­li­en­le­ben gestal­tet wird und wie sich Lebens­um­stän­de und Lebens­wei­sen von Fami­li­en verändern.

Das ifb ist ein wis­sen­schaft­lich unab­hän­gi­ges For­schungs­in­sti­tut. Es ist sowohl eine nach­ge­ord­ne­te Behör­de des Baye­ri­schen Staats­mi­ni­ste­ri­ums für Fami­lie, Arbeit und Sozia­les als auch An-Insti­tut der Otto-Fried­rich-Uni­ver­si­tät Bamberg.