Bay­reu­ther Geo­wis­sen­schaft­ler erhält höch­sten euro­päi­schen Forschungspreis

Symbolbild Bildung
Prof. Dr. Tomo Katsura vor einer Groß-Volumen-Presse im Bayerischen Geoinstitut (BGI) der Universität Bayreuth. Foto: Christian Wißler.

Prof. Dr. Tomo Kats­u­ra vor einer Groß-Volu­men-Pres­se im Baye­ri­schen Geo­in­sti­tut (BGI) der Uni­ver­si­tät Bay­reuth. Foto: Chri­sti­an Wißler.

Der Euro­päi­sche For­schungs­rat (ERC) hat Prof. Dr. Tomo Kats­u­ra vom Baye­ri­schen Geo­in­sti­tut der Uni­ver­si­tät Bay­reuth mit einem ERC Advan­ced Grant aus­ge­zeich­net. Für sein For­schungs­vor­ha­ben, mit dem er ein bis­her unge­lö­stes Rät­sel des Erd­man­tels ergrün­den will, erhält er in den näch­sten fünf Jah­ren ins­ge­samt 2,6 Mil­lio­nen Euro. Der ERC Advan­ced Grant ist der bedeu­tend­ste euro­päi­sche For­schungs­preis. Er wird exzel­len­ten Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler zuer­kannt, die mit zukunfts­wei­sen­den Ideen beson­ders inno­va­ti­ve Bei­trä­ge zur Wei­ter­ent­wick­lung ihrer jewei­li­gen For­schungs­ge­bie­te leisten.

Schon lan­ge ist bekannt, dass die Kru­ste der Erde aus Erd­plat­ten besteht, die – ähn­lich wie Eis­schol­len auf dem Meer – auf dem obe­ren Erd­man­tel schwim­men und sich in stän­di­ger Bewe­gung befin­den. Die­se Plat­ten­tek­to­nik ist eine ent­schei­den­de Ursa­che für die heu­ti­ge Gestalt der Erd­ober­flä­che. Sie bewirkt zudem einen Mate­ri­al­kreis­lauf zwi­schen der Erd­ober­flä­che und dem Erd­in­ne­ren, der ver­mut­lich eine Grund­vor­aus­set­zung für das Leben auf der Erde dar­stellt. Trotz einer Viel­zahl von For­schungs­er­geb­nis­sen ist das wis­sen­schaft­li­che Ver­ständ­nis die­ses Kreis­laufs immer noch lücken­haft, ins­be­son­de­re was den unte­ren Erd­man­tel betrifft. Neue geo­wis­sen­schaft­li­che Erkennt­nis­se haben die Annah­me erhär­tet, dass sich der Mate­ri­al­kreis­lauf in einer Tie­fe zwi­schen 660 und 1.000 Kilo­me­tern signi­fi­kant ver­lang­samt. Die Mate­rie wird in die­sem Abschnitt des unte­ren Erd­man­tels zuneh­mend unbe­weg­lich und zäh­flüs­sig; phy­si­ka­lisch gespro­chen: die Vis­ko­si­tät steigt. Die Grün­de dafür lie­gen aber bis heu­te im Dunkeln.

Prof. Dr. Tomo Kats­u­ra hat nun eine mög­li­che Erklä­rung ent­wickelt, die bei einem Mine­ral ansetzt, das mehr als die Hälf­te des Volu­mens unse­res Pla­ne­ten aus­macht: dem Bridgma­nit. Es han­delt sich dabei um ein Mine­ral aus der Klas­se der Perow­skit-Sili­ka­te. Die geo­wis­sen­schaft­li­che For­schung ist sich einig, dass Bridgma­nit an den phy­si­ka­lisch-che­mi­schen Pro­zes­sen im Erd­man­tel einen ent­schei­den­den Anteil hat.

Kats­u­ra ver­mu­tet, dass sich das Bridgma­nit ver­än­dert, sobald es im unte­ren Erd­man­tel stei­gen­den Drücken aus­ge­setzt ist: In einer Tie­fe von 660 Kilo­me­tern, an der obe­ren Gren­ze des unte­ren Erd­man­tels, ent­hält das Kri­stall­git­ter des Bridgma­nit zahl­rei­che Lücken: An vie­len Stel­len des Kri­stall­git­ters feh­len Ato­me. Die­se Struk­tur­de­fek­te ver­lei­hen dem Mine­ral eine höhe­re Durch­läs­sig­keit und Beweg­lich­keit und unter­stüt­zen Mate­ri­al­trans­por­te ins Erd­in­ne­re. Doch mit zuneh­men­der Tie­fe bis zu 1.000 Kilo­me­tern wer­den die Lücken im Kri­stall­git­ter sel­te­ner. Das Bridgma­nit wird undurch­läs­sig, der Mate­ri­al­kreis­lauf gerät ins Stocken.

Die­ser Hypo­the­se will der vom ERC aus­ge­zeich­ne­te Bay­reu­ther Geo­wis­sen­schaft­ler in den näch­sten fünf Jah­ren auf den Grund gehen. Dabei kom­men Groß-Volu­men-Pres­sen zum Ein­satz, mit denen sich Mate­ri­al­pro­ben unter sehr hohen Drücken unter­su­chen las­sen. Frü­her konn­te mit sol­chen Pres­sen ein Druck von 26 Giga­pas­cal in der Regel nicht über­schrit­ten wer­den. Doch Kats­u­ra hat tech­no­lo­gi­sche Modi­fi­ka­tio­nen der Pres­sen ent­wickelt, die es ermög­li­chen, die­se Gren­ze erheb­lich zu über­schrei­ten und Drücke zu simu­lie­ren, wie sie im unte­ren Erd­man­tel in einer Tie­fe zwi­schen 660 und 1.000 Kilo­me­tern herr­schen. So lässt sich mit gro­ßer Prä­zi­si­on ermit­teln, wel­che Struk­tur­de­fek­te im Bridgma­nit bei wech­seln­den Drücken auf­tre­ten und wie sich die­se Ände­run­gen auf die Vis­ko­si­tät des Erd­man­tels aus­wir­ken. Von den hoch­lei­stungs­fä­hi­gen Groß-Volu­men-Pres­sen (Lar­ge Volu­me Pres­ses) lei­tet sich auch der Name des geför­der­ten For­schungs­pro­jekts ab: „Ultra­LVP“.

Bei sei­nen Unter­su­chun­gen wird Kats­u­ra mit wei­te­ren For­sche­rin­nen und For­schern am Baye­ri­schen Geo­in­sti­tut (BGI) auf unter­schied­li­chen Gebie­ten zusam­men­ar­bei­ten, ins­be­son­de­re mit Prof. Dr. Dan Frost (Ther­mo­dy­na­mi­sche Model­lie­rung), Dr. Cathe­ri­ne McCam­mon (Möß­bau­er-Spek­tro­sko­pie), Dr. Nobuy­o­shi Miya­ji­ma (Trans­mis­si­ons­elek­tro­nen­mi­kro­sko­pie) und Prof. Dr. Gre­gor Gola­bek (Geo­dy­na­mi­sche Model­lie­rung). Für eini­ge spe­zi­el­le Arbei­ten sol­len For­schungs­tech­no­lo­gien am Deut­schen Geo­For­schungs­Zen­trum GFZ in Pots­dam sowie am SPring-8-Syn­chro­tron im Hari­ma Sci­ence Park in Japan genutzt werden.

Zur Per­son:

Prof. Dr. Tomo Kats­u­ra wur­de 1962 in der zwi­schen Osa­ka und Kobe gele­ge­nen Stadt Nishi­no­mi­ya in Japan gebo­ren. Nach einem Stu­di­um der Geo- und Mate­ri­al­wis­sen­schaf­ten pro­mo­vier­te er 1991 an der Uni­ver­si­tät Oka­ya­ma und wech­sel­te im glei­chen Jahr für einen zwei­jäh­ri­gen Post­doc-Auf­ent­halt ans Baye­ri­sche Geo­in­sti­tut (BGI) der Uni­ver­si­tät Bay­reuth. Ab 1993 forsch­te und lehr­te er als Pro­fes­sor an der Uni­ver­si­tät Oka­ya­ma, bis er im Jahr 2010 an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth eine Pro­fes­sur für Struk­tur und Dyna­mik der Erd­ma­te­rie über­nahm. Seit 2010 gehört er auch der Lei­tung des BGI an.

Wei­te­re Informationen:

zum neu­en For­schungs­pro­jekt Ultra­LVP: www​.ultra​lvp​.eu

zu Prof. Dr. Tomo Kats­u­ra: www​.kats​u​ra​-high​pres​su​re​-earth​.com

zur Hoch­druck- und Hoch­tem­pe­ra­tur­for­schung, einem Pro­fil­feld der Uni­ver­si­tät Bayreuth:

www​.uni​-bay​reuth​.de/​d​e​/​f​o​r​s​c​h​u​n​g​/​p​r​o​f​i​l​f​e​l​d​e​r​/​a​d​v​a​n​c​e​d​-​f​i​e​l​d​s​/​h​o​c​h​d​r​u​c​k​-​u​n​d​-​h​o​c​h​t​e​m​p​e​r​a​t​u​r​f​o​r​s​c​h​ung

zum Baye­ri­schen Geo­in­sti­tut der Uni­ver­si­tät Bay­reuth: www​.bgi​.uni​-bay​reuth​.de