Uni­ver­si­tät Bay­reuth: Kunst­stof­fe in Bio­ab­fäl­len – eine Her­aus­for­de­rung für die öko­lo­gi­sche Kreislaufwirtschaft

Symbolbild Bildung

Pri­vat­haus­hal­te, die in ihren Bio­ton­nen neben orga­ni­schen Abfäl­len auch Pla­stik ent­sor­gen, tra­gen zur stei­gen­den Umwelt­be­la­stung durch Kunst­stof­fe bei. Denn vie­le kom­mu­na­le Anla­gen gewin­nen aus die­sen Abfäl­len Bio­gas und ver­ar­bei­ten die Rück­stän­de zu orga­ni­schem Dün­ger. Trotz umwelt­scho­nen­der Ver­fah­ren ver­blei­ben regel­mä­ßig klein­ste Kunst­stoff­par­ti­kel im Dün­ger und gelan­gen dadurch in Böden und Gewäs­ser. Dar­auf weist eine Stu­die der Uni­ver­si­tät Bay­reuth hin, die jetzt in Sci­ence Advan­ces erschie­nen ist.

Die Stu­die ist aus einer engen inter­dis­zi­pli­nä­ren Koope­ra­ti­on unter der Lei­tung von Prof. Dr. Ruth Frei­tag (Bio­pro­zess­tech­nik) und Prof. Dr. Chri­sti­an Laforsch (Tier­öko­lo­gie) her­vor­ge­gan­gen. Dabei wur­den ver­schie­de­ne Bio­gas­an­la­gen unter ande­rem dar­auf­hin unter­sucht, wie sich die Her­kunft der orga­ni­schen Abfäl­le, aber auch die Anlagen­tech­nik auf den Kunst­stoff­ge­halt des pro­du­zier­ten Dün­gers auswirken:

  • Falls der größ­te Anteil der orga­ni­schen Abfäl­le aus pri­va­ten Haus­hal­ten stammt, ist die Zahl der dar­in ent­hal­te­nen Kunst­stoff­par­ti­kel auf­fal­lend hoch. Die mei­sten die­ser Teil­chen bestehen aus Poly­sty­rol oder aus Poly­ethy­len, also aus Mate­ria­li­en, die häu­fig für Ver­packun­gen von Lebens­mit­teln und ande­ren Kon­sum­ar­ti­keln ver­wen­det wer­den. Oft sieht man den Par­ti­keln an, dass es sich um Frag­men­te von Tüten, Beu­teln und ande­ren Behäl­tern han­delt, die durch ‚Fehl­wür­fe’ in die Bio­ton­nen hin­ein­ge­ra­ten sind. Selbst wenn die Rück­stän­de der Ver­gä­rung in den Bio­gas­an­la­gen sorg­fäl­tig gesiebt wer­den, kön­nen Kunst­stoff­par­ti­kel mit einem Durch­mes­ser von weni­gen Mil­li­me­tern dadurch nicht ent­fernt wer­den. Die Par­ti­kel blei­ben im Dün­ger enthalten.
  • Bio­gas­an­la­gen, die aus­schließ­lich orga­ni­sche Abfäl­le aus Indu­strie und Han­del ver­wer­ten, haben es hin­ge­gen mit einem auf­fal­lend hohen Anteil von Poly­estern zu tun. Die­se Kunst­stof­fe stam­men in vie­len Fäl­len offen­bar aus Behäl­tern und Schutz­ma­te­ria­li­en, die bei der Ver­packung und beim Trans­port gro­ßer Men­gen von Früch­ten und Gemü­se zum Ein­satz kommen.
  • Völ­lig anders sieht es bei Anla­gen aus, die sich bei der Erzeu­gung von Bio­gas allein auf nach­wach­sen­de Roh­stof­fe stüt­zen. Hier haben die Bay­reu­ther For­scher kei­ne oder nur sehr weni­ge Kunst­stoff­par­ti­kel in den Gär­re­sten ent­decken kön­nen. Ähn­lich ver­hält es sich mit Anla­gen, die das Gas aus der in land­wirt­schaft­li­chen Betrie­ben anfal­len­den Gül­le gewin­nen. Kunst­stoff­par­ti­kel sind hier – wenn über­haupt – nur sehr ver­ein­zelt anzutreffen.

Wie die Stu­die zeigt, wer­den die Pla­stik­an­tei­le im Dün­ger nicht allein von der Her­kunft der orga­ni­schen Abfäl­le bestimmt. Wei­te­re Fak­to­ren, die den Grad und die Art der Ver­un­rei­ni­gung wesent­lich beein­flus­sen, sind die Auf­be­rei­tung der Abfäl­le vor der Ver­gä­rung und die wei­te­re Bear­bei­tung der Gär­re­ste. „Es ist mit einem gewis­sen Auf­wand mög­lich, Fremd­kör­per wie Kunst­stof­fe, Metal­le oder Glas bereits vor der Ver­gä­rung aus dem Gär­gut aus­zu­sor­tie­ren. Bes­ser wäre es natür­lich, sie gar nicht erst in den Bio­ab­fall zu wer­fen“, erklärt Prof. Dr. Ruth Frei­tag. „Orga­ni­sche Abfäl­le sind eine wich­ti­ge Res­sour­ce in einer ver­ant­wor­tungs­be­wuss­ten Kreis­lauf­wirt­schaft, die es auch zukünf­tig offen­siv zu nut­zen gilt. Unse­re Stu­die zeigt, dass eine Ver­un­rei­ni­gung mit Mikro­pla­stik­par­ti­keln weit­ge­hend ver­meid­bar ist. Hier­für müs­sen aber Bür­ger und Anla­gen­be­trei­ber ver­ant­wort­lich han­deln“, so die Bay­reu­ther Exper­tin für Bioprozesstechnik.

Die stei­gen­de Bela­stung der Umwelt durch Kunst­stof­fe ist schon seit meh­re­ren Jah­ren ein For­schungs­schwer­punkt an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth. Eine For­schungs­grup­pe um den Öko­lo­gen Prof. Dr. Chri­sti­an Laforsch hat hier unter ande­rem detail­lier­te Unter­su­chun­gen zur Mikro­pla­stik-Bela­stung von Flüs­sen und Seen in Deutsch­land durch­ge­führt. „Damit wir den Fol­gen die­ser bedenk­li­chen Ent­wick­lung auf die Spur kom­men und ihnen durch geeig­ne­te Maß­nah­men begeg­nen kön­nen, müs­sen wir zunächst ein­mal wis­sen, auf wel­chen Wegen die Kunst­stoff­par­ti­kel in die Öko­sy­ste­me gelan­gen. Die­se Fra­ge stand auch am Anfang unse­rer neu­en Stu­die über orga­ni­schen Dün­ger aus Bio­ab­fäl­len. Die Ergeb­nis­se zei­gen bei­spiel­haft, dass alle Bür­ger in ihrem eige­nen häus­li­chen und kom­mu­na­len Umfeld einen Bei­trag für den Natur­schutz und eine öko­lo­gi­sche Kreis­lauf­wirt­schaft lei­sten kön­nen“, betont der Bay­reu­ther Wissenschaftler.

Die neue Stu­die berück­sich­tigt nur Mikro­pla­stik­par­ti­kel, die zwi­schen fünf und einem Mil­li­me­ter groß sind. Klei­ne­re Par­ti­kel wur­den nicht unter­sucht, sind aber mög­li­cher­wei­se eben­falls an der Ver­un­rei­ni­gung orga­ni­scher Abfäl­le betei­ligt. Aus­ge­hend von den jetzt erho­be­nen Daten ent­hält eine Ton­ne Kom­post aus Haus­halts­ab­fäl­len und indu­stri­el­len Abfäl­len zwi­schen 7.000 und 440.000 Mikro­pla­stik­par­ti­kel. Umge­rech­net auf die fünf Mil­lio­nen Ton­nen Kom­post, die in Deutsch­land pro Jahr erzeugt wer­den, könn­ten hoch­ge­rech­net meh­re­re Mil­li­ar­den Mikro­pla­stik­par­ti­kel auf die­sem Weg in die Umwelt gelangen.

Ver­öf­fent­li­chung:

N. Weit­h­mann, J.N. Möl­ler, M.G.J. Löder, S. Piehl, C. Laforsch, R. Frei­tag: Orga­nic fer­ti­li­zer as a vehic­le for the ent­ry of micro­pla­stic into the envi­ron­ment, Sci­ence Advan­ces (2018),

DOI 10.1126/sciadv.aap8060