IHK-Pres­se­mit­tei­lung: Wie ent­steht ein neu­er Ausbildungsberuf?

Symbolbild Bildung

Zehn Jah­re von der Idee bis zur Umset­zung: Kauf­man­n/-frau im E‑Commerce

Es war ein lan­ger Weg, den die bei­den gemein­sam gegan­gen sind, Max-Josef Weis­mei­er, Aus­bil­dungs­lei­ter der BAUR-Grup­pe und Fred Wun­der, Aus­bil­dungs­be­ra­ter der IHK für Ober­fran­ken Bay­reuth. Ihr Ziel: Die Schaf­fung eines neu­en Ausbildungsberufes.

Die Arbeits­welt ver­än­dert sich kon­ti­nu­ier­lich. Beru­fe ster­ben aus, müs­sen an die aktu­el­len Rah­men­be­din­gun­gen ange­passt wer­den oder ent­ste­hen ganz neu. Schließ­lich ent­wickeln sich auch die Auf­ga­ben- und Tätig­keits­pro­fi­le wei­ter, was die Anfor­de­run­gen an die Mit­ar­bei­ter ver­än­dert. Immer wie­der wer­den des­halb neue Aus­bil­dungs­be­ru­fe geschaf­fen. 328 aner­kann­te Aus­bil­dungs­be­ru­fe sind es seit 13. Dezem­ber 2017.

Die Geburt eines neu­en Ausbildungsberufes

Um einen neu­en Aus­bil­dungs­be­ruf zu schaf­fen, muss zunächst ein­mal nach­ge­wie­sen wer­den, dass ein ent­spre­chen­der Qua­li­fi­ka­ti­ons­be­darf in der Wirt­schaft besteht. Ein sol­cher Beruf ent­steht in einem mehr­stu­fi­gen Ver­fah­ren, in das Unter­neh­men, Kam­mern, Ver­bän­de, Gewerk­schaf­ten, Bund und Län­der sowie das Bun­des­in­sti­tut für Berufs­bil­dung ein­be­zo­gen sind. Eine Viel­zahl von Schrit­ten, Abstim­mungs­pro­zes­sen und Prü­fun­gen sind erfor­der­lich, bevor Unter­neh­men im ent­spre­chen­den Aus­bil­dungs­be­ruf aus­bil­den können.

Tief­kühl­tru­hen für Grönland?

Auf die Fra­ge, was leich­ter sei, eine Tief­kühl­tru­he in den Nor­den Grön­lands zu ver­kau­fen oder einen neu­en Aus­bil­dungs­be­ruf zu eta­blie­ren, lacht Weis­mei­er. Gut zehn Jah­re hat sich Weis­mei­er zusam­men mit vie­len ande­ren für die Schaf­fung des neu­en Aus­bil­dungs­be­ru­fes „Kauf­mann im E‑Commerce“ ein­ge­setzt. Auch wenn der Vor­lauf bis zur Geneh­mi­gung zur Schaf­fung des neu­en Berufs­bil­des lan­ge war, erfolg­te die Umset­zung dank der sehr ziel­ori­en­tier­ten und kon­struk­ti­ven Zusam­men­ar­beit aller Betei­lig­ten in Rekordzeit.

„Im Ver­sand­han­del wur­den über vie­le Jahr­zehn­te hin­weg klas­si­scher­wei­se Kauf­leu­te im Groß- und Außen­han­del aus­ge­bil­det. Die dort ver­mit­tel­ten Qua­li­fi­ka­tio­nen haben aber die Anfor­de­run­gen im Ver­sand­han­del nie kom­plett abge­deckt, zumal es sich bei einem Ver­sand­haus ja um ein Ein­zel­han­dels­un­ter­neh­men han­delt. Wir haben unse­re Azu­bis über eige­ne Pro­gram­me ent­spre­chend wei­ter­qua­li­fi­ziert“, so der BAUR-Aus­bil­dungs­lei­ter. Dass trotz­dem nie ein ent­spre­chen­der Aus­bil­dungs­be­ruf ent­stan­den ist, lag dar­an, dass sich die Aus­bil­dung auf weni­ge Unter­neh­men und Stand­or­te kon­zen­triert hät­te. Hin­zu kommt, dass sich bei „Split­ter­be­ru­fen“ der Berufs­schul­un­ter­richt sehr schwie­rig gestal­tet, da ent­spre­chen­de Klas­sen­grö­ßen benö­tigt wer­den. „In der Regel ein k.o.-Kriterium, da bei sol­chen Beru­fen ein wohn­ort­na­her Berufs­schul­un­ter­richt nicht mög­lich ist“, so Bernd Reh­orz, Lei­ter der Beruf­li­chen Bil­dung bei der IHK.

Wachs­tums­bran­che E‑Commerce

Inzwi­schen haben sich die Rah­men­be­din­gun­gen kom­plett geän­dert. Aus den klas­si­schen Ver­sand­häu­sern sind längst Online-Han­dels­un­ter­neh­men gewor­den. Der Aus­bil­dungs­be­ruf „Kauf­mann im Groß- und Außen­han­del“ deckt das Tätig­keits­ge­biet der Mit­ar­bei­ter bei BAUR und ande­ren Online-Händ­lern weni­ger ab denn je. Die Unter­neh­men suchen Mit­ar­bei­ter, die einer­seits Freu­de am Ver­kau­fen und Ver­mark­ten haben, aber auch Inter­es­se an betriebs­wirt­schaft­li­chen Zusam­men­hän­gen, mit Daten und Zah­len umge­hen kön­nen, aber auch die Kom­mu­ni­ka­ti­on in Wort und Schrift beherr­schen. Jetzt muss­te „nur“ noch der ent­spre­chen­de Aus­bil­dungs­be­ruf geschaf­fen werden.

Azu­bi-Pro­jekt: Basis für den Durchbruch

„Schon im Jahr 2007 muss­ten wir fest­stel­len, dass theo­re­ti­sche und prak­ti­sche Aus­bil­dungs­in­hal­te unse­rer kauf­män­ni­schen Azu­bis immer wei­ter aus­ein­an­der­drif­ten und ein neu­es Berufs­bild not­wen­dig ist“, so Weis­mei­er. „Als sich trotz unse­rer punk­tu­el­len Anstö­ße bei Poli­tik und Ver­bän­den nichts beweg­te, beschlos­sen wir zusam­men mit der IHK für Ober­fran­ken Bay­reuth eine stra­te­gi­sche Vor­ge­hens­wei­se. Es war sehr schnell klar, dass das kein leich­tes Unter­fan­gen sein wird, weil vie­le Akteu­re über­zeugt wer­den müs­sen.“ Er lobt die IHK für Ober­fran­ken Bay­reuth, die die Idee von Anfang an unter­stützt hat. Wun­der gibt das Lob zurück: „Ent­schei­dend war, dass BAUR zügig ein umfas­sen­des Anfor­de­rungs­pro­fil erstel­len konnte.“

„Unse­re Azu­bis haben im Rah­men eines Azu­bi-Pro­jek­tes sämt­li­che Fer­tig­kei­ten, die von ihnen gefor­dert wer­den, gesam­melt, struk­tu­riert und nach Wich­tig­keit bewer­tet und über­zeu­gend auf­be­rei­tet. So ent­stand letzt­end­lich das Anfor­de­rungs­pro­fil für die neue Aus­bil­dungs­ord­nung“, so Weis­mei­er: „Also aus der Pra­xis für die Pra­xis.“ Beson­ders stolz ist er dar­auf, dass sei­ne Azu­bis für die­se Lei­stung 2015 mit dem Per­so­nal­ma­nage­ment Award des Bun­des­ver­ban­des der Per­so­nal­ma­na­ger aus­ge­zeich­net wur­den, der das Ziel hat, inno­va­ti­ve Per­so­nal­ar­beit sicht­bar zu machen.

Viel­schich­ti­ger Ausbildungsberuf

Dank der Unter­stüt­zung von wich­ti­gen Mit­strei­tern auf Ver­bands- und Unter­neh­mens­ebe­ne, aber auch durch den DIHK und die IHK für Ober­fran­ken Bay­reuth, konn­te letzt­end­lich die Schaf­fung eines neu­en Aus­bil­dungs­be­ru­fes ansto­ßen wer­den. Der neue Aus­bil­dungs­be­ruf ist so kon­zi­piert, dass nicht nur Han­dels­un­ter­neh­men, son­dern auch Dienst­lei­ster oder Indu­strie­un­ter­neh­men mit Direkt­ver­trieb ihre E‑Com­mer­ce-Nach­wuchs­kräf­te selbst aus­bil­den kön­nen. Weis­mei­er: „Ich bin froh, dass es gelun­gen ist, einen pass­ge­nau­en Aus­bil­dungs­be­ruf zu ent­wickeln, so kann der Nach­wuchs einer Wachs­tums­bran­che künf­tig syste­ma­ti­scher und qua­li­fi­zier­ter auf eine Kar­rie­re im Online-Han­del vor­be­rei­tet werden.“

Nun ist es end­lich soweit, ab dem Aus­bil­dungs­jahr 2018/2019 kön­nen Unter­neh­men auch im Beruf „Kaufmann/​Kauffrau im E‑Commerce“ aus­bil­den. Die Fir­ma BAUR will mit fünf Aus­zu­bil­den­den starten

Wunsch­los glück­lich wäre Weis­mei­er, wenn die ent­spre­chen­de Klas­se in der Berufs­schu­le Lich­ten­fels ein­ge­rich­tet wird, aber auf jeden Fall in Oberfranken.

„Ein Beruf, der in Ober­fran­ken für etli­che Unter­neh­men inter­es­sant sein dürf­te“, so Reh­orz. „Des­halb ver­an­stal­tet die IHK auch drei Infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tun­gen für inter­es­sier­te Aus­bil­dungs­be­trie­be.“ Über 60 Unter­neh­men zei­gen bereits Inter­es­se am neu­en Aus­bil­dungs­be­ruf und haben sich für die drei Infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tun­gen der IHk angemeldet.