Ober­fran­ken (wieder-)entdeckt einen Weltstar

Symbolbild Bildung
Henri Marteau

Hen­ri Marteau

Für Freun­de und Fans des Vio­lin-Vir­tuo­sen Hen­ri Mar­teau (1874–1934) war es ein beweg­tes Jahr: Nach dem 6. Vio­lin­wett­be­werb Hen­ri-Mar­teau mit Rekord­be­tei­li­gung im Früh­jahr, dem Spa­ten­stich zum Umbau der ehe­ma­li­gen Vil­la des deutsch-fran­zö­si­schen Gei­gers und der Ein­spie­lung bis­her unver­öf­fent­lich­ter Stücke durch Ves­se­li­na Kasaro­va und Gali­na Vra­che­va wur­de im Novem­ber ein Vio­lin­kon­zert Mar­te­aus durch die Mit­tel­säch­si­sche Phil­har­mo­nie unter Lei­tung von Raoul Grün­eis urauf­ge­führt. Die Wie­der­ent­deckung eines Weltstars.

„Es freut mich sehr, dass Hen­ri Mar­teau wie­der ver­stärkt ins Bewusst­sein der klas­si­schen Musik gerät. Der ein­sti­ge Welt­star ist musik­hi­sto­risch betrach­tet zu Unrecht nach sei­nem Tod in Ver­ges­sen­heit gera­ten“, zeigt sich Dr. Ulrich Wirz, Lei­ter der Inter­na­tio­na­len Musik­be­geg­nungs­tät­te des Bezirks Ober­fran­ken Haus Mar­teau in Lich­ten­berg, glück­lich über die der­zei­ti­ge Entwicklung.

Mit der Fer­tig­stel­lung des neu­en, inno­va­ti­ven Kon­zert­saals an der ehe­ma­li­gen Künst­ler­vil­la wer­de das Erbe Mar­te­aus noch­mals mehr in den Fokus rücken, ist sich Wirz sicher. Der Bezirk erwarb 1980 das Anwe­sen des ein­sti­gen Vio­lin­vir­tuo­sen und Musik­päd­ago­gen im ober­frän­ki­schen Lich­ten­berg und bau­te es zu einer inter­na­tio­nal aner­kann­ten Musik­be­geg­nungs­stät­te um. Fast 40 Mei­ster­kur­se unter­schied­lich­ster Instru­men­ten­gat­tun­gen fin­den in dem denk­mal­ge­schütz­ten Gebäu­de all­jähr­lich statt. „Auf­grund der Um- und Aus­bau­ar­bei­ten an der Vil­la muss­ten wir erst­mals seit über 30 Jah­ren mit unse­ren Mei­ster­kur­sen ins benach­bar­te Bad Steben aus­wei­chen“, ist Wirz froh, ein Aus­weich­quar­tier für die gefrag­ten Kur­se mit bekann­ten Dozen­ten gefun­den zu haben.

Um die wöchent­li­chen Abschluss­kon­zer­te der Mei­ster­kur­se künf­tig unter noch pro­fes­sio­nel­le­ren Bedin­gun­gen prä­sen­tie­ren zu kön­nen, wird der­zeit durch den renom­mier­ten Münch­ner Archi­tek­ten Peter Hai­merl ein neu­er Kon­zert­saal in Form eines unter­ir­di­schen Stol­lens neben der Vil­la errich­tet. Bis­her fan­den die Kon­zer­te im Spei­se­zim­mer und in der Biblio­thek des Hau­ses statt. Oft reich­te der Platz nicht aus, man­che Besu­cher hat­ten kei­ne Sicht auf die Musi­ker und Zuhö­rer in angren­zen­den Räu­men klag­ten über die schlech­te Aku­stik. „Das wird sich ändern“, ver­sprach der ober­frän­ki­sche Bezirks­tags­prä­si­dent Dr. Gün­ther Denz­ler bereits beim Spa­ten­stich im Sep­tem­ber. Mit einem Bau­werk, das inter­na­tio­nal wahr­ge­nom­men wer­den wird. „Damit wol­len wir ein Aus­ru­fe­zei­chen in der Kul­tur­land­schaft Ober­fran­kens set­zen“, so Denzler.

Doch auch musi­ka­lisch hat­te das ver­gan­ge­ne Jahr in Bezug auf Hen­ri Mar­teau viel zu bie­ten. Die Bul­ga­rin Ves­se­li­na Kasaro­va, unbe­strit­ten eine der bedeu­tend­sten Mez­zo­so­pra­ni­stin­nen unse­rer Zeit, hat sich zusam­men mit ihrer Lands­frau Gali­na Vra­che­va, Kon­zert­pia­ni­stin und Kom­po­ni­stin, an zwei Lied­zy­klen von Hen­ri Mar­teau gewagt. Bei dem nun auf CD ver­öf­fent­lich­ten Lie­der­zy­klus op. 19c han­delt es sich um eine Welt­er­stein­spie­lung, denn die­ses Werk war Jahr­zehn­te lang ver­ges­sen, bis es 2016 zufäl­lig in einem Ber­li­ner Musik­nach­lass ent­deckt wur­de. „Den Zyklus Opus 19c hat Hen­ri Mar­teau wäh­rend sei­ner Schutz­haft in Deutsch­land zwi­schen 1915 und 1917 kom­po­niert. Er umfasst acht fran­zö­si­sche Lie­der, über­wie­gend in lang­sa­mem Tem­po mit ver­han­ge­ner Stim­mung in Moll. Die ver­ton­ten Gedich­te von poe­ti­scher, atmo­sphä­ri­scher Musik­spra­che geprägt, beschrei­ben bild­haft und sym­bo­lisch die Natur, den Regen und das Meer“, erklärt Mar­teau-Ken­ner Wirz. Abge­run­det wird die­se außer­ge­wöhn­li­che CD durch eine histo­ri­sche Auf­nah­me der Fünf Schilf­lie­der für Bari­ton op. 31, Diet­rich Fischer-Dieskau 1956 für eine Sen­dung beim NDR ein­ge­spielt hat und wel­che Jahr­zehn­te ver­ges­sen im Schall­ar­chiv des NDR lag. Eine Rari­tät, die auf der Home­page des Bezirks Ober­fran­ken auf CD bestellt wer­den kann.

Noch auf­re­gen­der war für Wirz jedoch die viel­um­ju­bel­te Urauf­füh­rung von Hen­ri Mar­te­aus Vio­lin­kon­zert durch die Mit­tel­säch­si­sche Phil­har­mo­nie unter Lei­tung von Raoul Grün­eis im Novem­ber in Frei­berg. „Die Ori­gi­nal­par­ti­tur des Kon­zerts gilt als ver­schol­len. Seit Mar­te­aus Tod wur­de das Kon­zert nicht mehr kom­plett gespielt. Eine klei­ne Sen­sa­ti­on, die mei­nem Freund Raoul Grün­eis da gelun­gen ist“, freut er sich über die gera­de­zu eupho­ri­sche Reso­nanz der Kon­zert­be­su­cher und Musik­kri­ti­ker. „Ich bin über­zeugt, dass die­ses Werk sei­nen Weg in die Kon­zert­sä­le in aller Welt fin­den wird“, sagt Wirz, nach­dem die Deut­sche Radio­phil­har­mo­nie Saar­brücken Kai­sers­lau­tern die­se Werk eben­falls unter der Lei­tung von Raoul Grün­eis und dem Soli­sten Nico­las Koeckert bereits Ende Novem­ber auf­ge­nom­men hat und es eben­falls in Kon­zer­ten öffent­lich spie­len möchte.

INFO Hen­ri Marteau:

Hen­ri Mar­teau (1874–1934), deutsch-fran­zö­si­scher Gei­gen­vir­tuo­se und Kom­po­nist, avan­cier­te vor dem Ersten Welt­krieg vom Wun­der­kind zum gefei­er­ten Welt­star. Als höchst ange­se­he­ner Vio­lin­päd­ago­ge wirk­te er von 1900 bis 1907 zunächst in Genf und seit 1908 in Ber­lin. Im Ersten Welt­krieg wur­de sein Künst­ler­tum jedoch im deutsch-fran­zö­si­schen Ant­ago­nis­mus fast zerrieben.

INFO Inter­na­tio­na­le Musik­be­geg­nungs­stät­te Haus Marteau:

Mit der Inter­na­tio­na­len Musik­be­geg­nungs­stät­te Haus Mar­teau in Lich­ten­berg hält der Bezirk Ober­fran­ken das Erbe des ein­sti­gen Vio­lin­vir­tuo­sen und Musik­päd­ago­gen Hen­ri Mar­teau auf­recht. Der Bezirk Ober­fran­ken erwarb die denk­mal­ge­schütz­te Mar­teau-Vil­la 1980 und ver­an­stal­tet dort jähr­lich fast 40 Mei­ster­kur­se mit renom­mier­ten Dozen­ten für jun­ge Musi­ker aus aller Welt. Neben den Mei­ster­kur­sen fin­det in der Inter­na­tio­na­len Musik­be­geg­nungs­stät­te Haus Mar­teau in Lich­ten­berg in drei­jäh­ri­gem Tur­nus in enger Zusam­men­ar­beit mit den Hofer Sym­pho­ni­kern auch der Inter­na­tio­na­le Vio­lin­wett­be­werb Hen­ri Mar­teau statt.