Gefrä­ßi­ge Immun­zel­len: Bay­reu­ther Phy­si­ker erfor­schen Trans­port­we­ge von Krankheitserregern

Symbolbild Bildung

Wenn Bak­te­ri­en, Viren oder ande­re Par­ti­kel in den Orga­nis­mus von Men­schen oder Tie­ren gelan­gen, ist das Immun­sy­stem in der Regel imstan­de, die­se Krank­heits­er­re­ger unschäd­lich zu machen. Eine wich­ti­ge Auf­ga­be hat dabei ein bestimm­ter Typ von Immun­zel­len: Makro­pha­gen sind „Fress­zel­len“, die sich die Fremd­kör­per ein­ver­lei­ben und sie so zer­klei­nern, dass sie für den Orga­nis­mus kei­ne Gefahr mehr dar­stel­len. Phy­si­ker an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth um Prof. Dr. Hol­ger Kreß stel­len jetzt in Sci­en­ti­fic Reports neue Erkennt­nis­se über die­se Pro­zes­se vor. Es hat sich her­aus­ge­stellt, dass es wesent­lich von der Grö­ße der Par­ti­kel abhängt, wie die Immun­zel­le mit ihnen verfährt.

Auf die Grö­ße kommt es an: Wie Fress­zel­len auf Ein­dring­lin­ge reagieren

Für ihre Unter­su­chun­gen an Zell­li­ni­en von Mäu­sen haben die Bay­reu­ther For­scher als Par­ti­kel win­zi­ge Kunst­stoff­kü­gel­chen ver­wen­det. An deren Ober­flä­chen wur­den in der Natur häu­fig vor­kom­men­de Anti­kör­per, das Immu­no­glo­bu­lin G (IgG), plat­ziert. So war gewähr­lei­stet, dass die Makro­pha­gen auf die­se Fremd­par­ti­kel so reagier­ten, als ob es sich tat­säch­lich um gefähr­li­che Bak­te­ri­en han­deln würde.

Par­ti­kel mit einem Durch­mes­ser von rund drei Mikro­me­tern sind ver­gleichs­wei­se groß. Sobald sie ins Inne­re der Immun­zel­le gelangt sind, wer­den sie zügig in Rich­tung Zell­kern trans­por­tiert. Hier wer­den sie im leben­den Orga­nis­mus in der Regel schnel­ler ver­daut als im Rand­be­reich der Zel­le. Bei mit­tel­gro­ßen Par­ti­keln ver­läuft die­ser Pro­zess schon schlep­pen­der. Klei­ne Par­ti­kel mit einem Durch­mes­ser von rund einem Mikro­me­ter zei­gen wie­der­um eine auf­fäl­li­ge ‚Unent­schie­den­heit‘: Wenn sie schließ­lich in der Nähe des Zell­kerns ange­kom­men sind, tre­ten sie oft wie­der den Rück­weg zum Rand­be­reich der Zel­le an. „Mög­li­cher­wei­se unter­stützt die­ser Pro­zess die Ent­sor­gung von Ver­dau­ungs­re­sten, die aus der Zel­le wie­der her­aus­ge­schleust wer­den“, meint Prof. Kreß.

Ange­sichts die­ser grö­ßen­ab­hän­gi­gen Unter­schie­de haben die Wis­sen­schaft­ler unter­sucht, wel­che Bestand­tei­le der Immun­zel­le die gegen­läu­fi­gen Trans­port­be­we­gun­gen in Gang set­zen und för­dern. „Wenn gro­ße Par­ti­kel zum Zell­kern wan­dern, über­nimmt ein bestimm­tes Pro­te­in – das Dyn­ein – eine zen­tra­le Auf­ga­be, es ist ein wich­ti­ger Motor für die­se Trans­port­be­we­gung. Hin­ge­gen sind win­zi­ge Fasern, die aus dem Pro­te­in Aktin bestehen, maß­geb­lich an dem sehr unre­gel­mä­ßi­gen Trans­port klei­ne­rer Par­ti­kel betei­ligt“, erläu­tert Dipl.-Phys. Ste­ve Kel­ler, Dok­to­rand und Erst­au­tor der neu­en Studie.

Wert­vol­le Anhalts­punk­te für die Ver­kap­se­lung medi­zi­ni­scher Wirkstoffe

Das pri­mä­re Ziel der Unter­su­chun­gen war es, mit phy­si­ka­li­schen Metho­den ein tie­fe­res Ver­ständ­nis der Vor­gän­ge zu gewin­nen, die dafür sor­gen, dass mit Anti­kör­pern bestück­te Krank­heits­er­re­ger von der Immun­zel­le zer­stört wer­den. Doch zeich­nen sich schon jetzt mög­li­che Anwen­dun­gen ab. „Drug deli­very“ heißt ein in der Medi­zin immer häu­fi­ger genutz­tes Ver­fah­ren, bei dem Wirk­stof­fe in Kap­seln ein­ge­schlos­sen und inner­halb des Orga­nis­mus genau dort­hin trans­por­tiert wer­den, wo sie frei­ge­setzt wer­den und wir­ken sol­len. Dass es offen­bar wesent­lich von der Grö­ße von Par­ti­keln abhängt, wie Immun­zel­len mit ihnen umge­hen, könn­te aus Sicht der Bay­reu­ther For­scher ein inter­es­san­ter Anhalts­punkt für das opti­ma­le Design von Wirk­stoff-Kap­seln sein.

Opti­sche und magne­ti­sche Pin­zet­ten im Einsatz

Die in Sci­en­ti­fic Reports vor­ge­stell­ten Erkennt­nis­se wären nicht mög­lich gewe­sen ohne die Kom­bi­na­ti­on ver­schie­de­ner bio­phy­si­ka­li­scher Tech­ni­ken. So haben die For­scher bei­spiels­wei­se eine „holo­gra­phi­sche opti­sche Pin­zet­te“ ver­wen­det, um die mit Anti­kör­pern bestück­ten Par­ti­kel zu fest­zu­hal­ten und so dicht an die Immun­zel­len her­an­zu­füh­ren, dass sie als ver­meint­li­che Krank­heits­er­re­ger iden­ti­fi­ziert und ein­ver­leibt wer­den. Bei die­ser Tech­nik kom­men ein opti­sches Mikro­skop in Ver­bin­dung mit Laser­strah­len zum Ein­satz: Allein durch die Wir­kung von Licht­strah­len las­sen sich aus­ge­wähl­te Par­ti­kel ein­fan­gen und prä­zi­se an einen gewünsch­ten Ort bewe­gen. Mit einer „magne­ti­schen Pin­zet­te“ wie­der­um ist es den Wis­sen­schaft­lern gelun­gen, Trans­port­be­we­gun­gen inner­halb der Zel­le ziel­ge­rich­tet zu stö­ren und Auf­schluss dar­über zu gewin­nen, wel­che Pro­te­ine in wel­cher Wei­se an die­sen Pro­zes­sen betei­ligt sind.

Ver­öf­fent­li­chung:

Ste­ve Kel­ler, Kon­rad Berg­hoff and Hol­ger Kreß, Pha­go­so­mal trans­port depends stron­gly on pha­go­so­me size, Sci­en­ti­fic Reports 7, Artic­le num­ber: 17068 (2017), DOI: 10.1038/s41598-017–17183‑7.