„Sonn­tags­schüs­se – Fuß­ball­fie­ber in der Kreis­klas­se“, Kapi­tel 11

"Sonntagsschüsse" Buchcover

„Sonn­tags­schüs­se“ Buchcover

SV Möh­rich – TSV Wei­her­fel­den (3. Spieltag)

Der Zivil­dienst hat­te so gut begon­nen. Mein unter­halt­sa­mer Pati­ent Alfred war bis­lang mei­ne ein­zi­ge Auf­ga­be gewe­sen. Neben den weni­gen ein­fa­chen Arbei­ten in sei­nem Haus­halt waren wir die mei­ste Zeit ein­kau­fen oder saßen gemüt­lich in einer Knei­pe. Am Mitt­woch die­ser Woche aber war mein lang­zeit­er­krank­ter Zivi-Kol­le­ge Ernst zurück­ge­kehrt. Die Schon­zeit war vorbei.

Für den Rest der Woche war ich Ernsts Schat­ten und folg­te ihm auf Schritt und Tritt, um den Umgang mit schwer behin­der­ten oder sehr alten Men­schen zu erler­nen. Als Erstes besuch­ten wir Frau Let­ten, eine ver­bit­ter­te, zetern­de Hexe, der wir die Fen­ster schrub­ben und ihre Stütz­strümp­fe anzie­hen durf­ten. Anschlie­ßend putz­ten wir das rie­si­ge Haus einer wohl­ha­ben­den MS-Pati­en­tin, was die Anzahl der Bla­sen an mei­nen Hand­flä­chen ver­drei­fach­te. Mein per­sön­li­cher Höhe­punkt war Herr Blei­cher, der in einer Woh­nung am Wald­rand hau­ste, in der die Staub­schicht min­de­stens drei Zen­ti­me­ter betrug. Neben ver­tret­ba­ren Dienst­lei­stun­gen wie Ein­kau­fen muss­ten wir auch sei­ne völ­lig ein­ge­sau­te, braun ver­kru­ste­te Toi­let­te rei­ni­gen. Ich sehn­te mich zurück nach Alfred, aber die schö­nen, unbe­schwer­ten Tage mei­nes Zivil­dien­stes waren mit Ernsts Rück­kehr lei­der vor­bei. Sein Vor­na­me war eine Iro­nie des Schicksals.

Die gan­ze Woche lang fie­ber­te ich dem Sams­tag ent­ge­gen. Ich war neu­gie­rig, was mich beim Anse­hen eines Bun­des­li­ga­spiels im Wei­her­fel­de­ner Sport­heim erwar­te­te. Mei­ne Gedan­ken krei­sten um kau­zi­ge Gestal­ten wie den Don und sei­nen Regis­seur. Ich zwei­fel­te kei­nen Augen­blick dar­an, dass ein Sams­tag­nach­mit­tag im Krei­se die­ser illu­stren Gesell­schaft spek­ta­ku­lär wer­den konnte.

Zunächst ver­lief alles recht gewöhn­lich. Das Sport­heim war gut gefüllt. Vie­le Wei­her­fel­de­ner Män­ner waren gekom­men und hin­gen gespannt am Bild­schirm, wäh­rend der FC Bay­ern den 1. FC Köln mit 4–0 nach Hau­se schick­te. Das Bier floss in Strö­men, aber das war ich seit mei­nem Umzug nach Fran­ken ja bereits gewohnt. Lustig oder gar spek­ta­ku­lär war das Anse­hen des Fuß­ball­spiels aber nicht. Mein Mann­schafts­kol­le­ge Niklas Din­ger saß am glei­chen Tisch wie ich und hat­te beim Schluss­pfiff der ein­sei­ti­gen Bun­des­li­ga­par­tie offen­bar eine leich­te Ent­täu­schung in mei­nem Gesicht ausgemacht.

„Jetzt pass auf“, mur­mel­te er mir zu und wies grin­send mit hoch­ge­zo­ge­nen Augen­brau­en auf einen Tisch, an dem eine grö­ße­re Grup­pe ein­ge­fleisch­ter Wei­her­fel­de­ner auf den Münch­ner Sieg anstieß.

„Die­se Bun­des­li­ga­spie­ler heut­zu­ta­ge“, seufz­te schließ­lich ein älte­rer Herr mit alt­mo­di­schem Scheitel.

Sein Gegen­über setz­te kopf­schüt­telnd sein Bier­glas ab und zog ver­ächt­lich die Augen­brau­en hoch: „Schwein­stei­ger. Lahm. Die hät­ten es frü­her bei uns gera­de mal in die 2. Mann­schaft geschafft.“

Besorgt blick­te ich Niklas Din­ger an, der nur mit Mühe ein pru­sten­des Lachen unter­drücken konn­te. Waren die denn von allen guten Gei­stern ver­las­sen? Bay­ern Mün­chen hat­te soeben ein 90-minü­ti­ges Feu­er­werk abge­brannt und den 1. FC Köln nach allen Regeln der Kunst zer­legt. Sie waren auf dem Weg zur deut­schen Mei­ster­schaft. Mein­te die­ser Hau­fen alter Män­ner denn wirk­lich, dass die­se Welt­klas­se­fuß­bal­ler es frü­her kaum in ihre Reser­ve­mann­schaft geschafft hätten?

„Naja, das waren ein­fach noch ande­re Zei­ten. Tech­ni­ker waren wir! Fei­ne Techniker!“

„Die­ses Gebol­ze heu­te auf dem Fern­se­her, das kann man ja nicht mehr mit ansehen!“

„Hast du den Van Buy­ten hin­ten in der Abwehr gese­hen?“, frag­te ein hei­se­rer Mann mit einem kläg­li­chen Rest grau­er Haa­re ent­rü­stet. „Frü­her im Eck­la, da hät­ten wir dem an Kno­ten in die Baa gspielt. Der würd ja heut noch von einem Hüt­chen zum andern ren­nen, wenn wir unser Trai­ning nicht vor 40 Jah­ren been­det hätten!“

Mit def­ti­gem Geläch­ter pro­ste­ten die Hel­den von einst ein­an­der zu und befeuch­te­ten ihre von den schwung­vol­len Reden ganz aus­ge­trock­ne­ten Lippen.

„Und der Lahm, die­ser Klein­wüch­si­ge. So einen wie den hät­ten wir frü­her zum Früh­stück ver­speist. Der hät­te sich ja vor Angst in die Hose geschis­sen, wenn der Rudi mit sei­nen zwei Metern zehn auf ihn zuge­stürmt wäre.“

„Und schnel­ler als die Spie­ler heu­te war der Rudi auch noch. Mensch, war der wen­dig mit sei­nen zwei Metern zwanzig!“

Niklas konn­te sein Lachen nicht län­ger unter­drücken. Kichernd ver­folg­te er das unter­halt­sa­me Schwel­gen in den von Bier getrüb­ten Erinnerungen.

„Was gibt’s denn da zu Lachen, Soh­ne­mann?“, frag­te der Mann mit der grau­en Halb­glat­ze. Das war also Niklas Vater? Kein Wun­der, dass Niklas immer so vor­laut und ein­fäl­tig war.

„Also frü­her in eurer schwarz-wei­ßen Welt, da müs­sen die Fuß­bal­ler aber ganz schön schnell gewach­sen sein“, grin­ste Niklas belustigt.

„Schwarz-wei­ße Welt“, schimpf­te Niklas Vater miss­bil­li­gend. „Setz dich mal mit rüber, dann wirst du schon hören, was wir damals für Teu­fels­ker­le waren. Drei Auf­stie­ge in zehn Jah­ren sag ich nur. Drei Auf­stie­ge in zehn Jahren!“

„Und nimm dei­nen ost­preu­ßi­schen Kol­le­gen mit. Damit der auch mal was Ver­nünf­ti­ges lernt!“

„Ich kom­me aus Ham­burg“, erwi­der­te ich neun­mal­klug und ern­te­te zehn abwer­ten­de Blicke vom Stammtisch.

„Alles Preu­ßen!“ Die alten Wei­her­fel­de­ner waren einer Mei­nung. Basta!

Zöger­lich folg­te ich mei­nem Kol­le­gen Niklas an den Tisch. Die­se kau­zi­gen Män­ner waren mir irgend­wie unbehaglich.

„Da siehst du mal“, begann ein klei­ner run­ze­li­ger Mann Anfang sech­zig, und stieß mir kum­pel­haft mit dem Ell­bo­gen gegen die Schul­ter, als wäre ich schon seit jeher einer von ihnen gewe­sen. „Die Kirchthei­ner haben euch letz­te Woche gezeigt wie´s geht!“

Niklas bemerk­te mei­nen skep­ti­schen Blick und sah an mei­ner Mie­ne, dass ich bereits etwas erwi­dern woll­te, bewahr­te mich aber mit einem kur­zen Fuß­tritt davor, die­sen selbst­er­nann­ten Fuß­ball­ex­per­ten von den Vor­tei­len eines struk­tu­rier­ten Auf­bau­spiels aus einer tech­nisch ver­sier­ten Defen­si­ve zu philosophieren.

„Die haben eben noch kla­re Din­ger hin­ten raus gespielt. Kein sinn­lo­ses Ball­ge­schie­be in der eige­nen Hälfte!“

„Lan­ge Bäl­le in die Spit­ze – ich hab´s schon immer gesagt. Es gibt nichts Besseres!“

„Das war Fuß­ball, sag ich euch. Das war Fuß­ball. Ihr könnt von Glück sagen, dass ihr kurz vor dem Schluss­pfiff noch den Aus­gleich geschos­sen habt!“

„Wenn es frü­her schon so Video­ka­me­ras gege­ben hät­te. Ach, da hät­ten wir euch zei­gen kön­nen, was wir damals für Fuß­bal­ler waren. Gran­di­os war das. Grandios!“

„Gegen Mann­schaf­ten wie einen 1. FC Kirchthein wären wir nicht ein­mal ange­tre­ten. Das sag ich euch“, trom­mel­te Niklas Vater eupho­risch. „Das waren schon ande­re Kali­ber, mit denen wir uns damals mes­sen muss­ten. Aber wir haben sie alle besiegt!“

„Kirchthein. Hat­ten die damals über­haupt schon eine Fuß­ball­mann­schaft?“, lach­te ein bär­ti­ger Kol­le­ge und klopf­te sei­nem Neben­mann zustim­mend auf den Rücken.

„Ver­mut­lich nicht. Kirchthein. Das wären ja nur Opfer für uns gewesen.“

„Zwei­stel­lig hät­ten wir die nach Hau­se geschickt!“

„Mit ver­bun­de­nen Augen und zusam­men­ge­kno­te­ten Beinen!“

Kopf­schüt­telnd stahl sich unser Spiel­lei­ter Wil­li aus dem Sport­heim. Kein Wun­der. Bei dem Gere­de konn­te man ja nur die Flucht ergreifen.

„Was habt ihr frü­her gespielt, Papa?“, frag­te Niklas ver­schmitzt. „C‑Klasse? Ist das nicht eine Liga nied­ri­ger als das, was wir heu­te spielen?“

Ent­rü­stet pol­ter­te Niklas Vater sein Bier­glas zurück auf den Holz­tisch. „Sei mal nicht so frech zu dei­nem alten Herrn!“

Sein Kol­le­ge war der glei­chen Mei­nung: „Genau Sepp! Dei­nem Jun­gen soll­test du mal kräf­tig was hin­ter die Löf­fel geben!“

„Außer­dem kann man das über­haupt nicht ver­glei­chen! Das war ein ganz ande­res Niveau damals. Die C‑Klasse vor 30 Jah­ren, die war min­de­stens so stark wie heu­te die Bun­des­li­ga. Fuß­bal­ler waren das! Das könnt ihr euch heut­zu­ta­ge gar nicht mehr vorstellen.“

„Genau! Wir alle hät­ten drei oder vier Klas­sen höher spie­len kön­nen. Aber wir haben uns für den TSV entschieden!“

„Für den TSV!“, rie­fen alle zehn Vete­ra­nen wie aus einem Mun­de und erho­ben ehr­fürch­tig ihre maje­stä­tisch schäu­men­den Gläser.

Und so ran­nen die Minu­ten dahin. Die alte Gar­de des TSV Wei­her­fel­den erzähl­te Niklas und mir eine Anek­do­te nach der ande­ren. Sie lie­ßen nichts aus. Ver­prü­gel­te Schieds­rich­ter, deren klapp­ri­ge Fahr­rä­der man nach einer Nie­der­la­ge auf das Dach des Sport­heims gehängt hat­te. Denn ohne Hil­fe des Schieds­rich­ters hät­te die­se Mann­schaft nie­mand schla­gen können.

Sie berich­te­ten von drei Fall­rück­zie­her­to­ren im ent­schei­den­den Auf­stiegs­spiel gegen einen Kon­tra­hen­ten, der so hart und bru­tal gewe­sen war, dass sie abends am Bier­tisch ihre stei­ner­nen Maß­krü­ge in die Luft war­fen und mit dem Kopf aus dem offe­nen Fen­ster beför­der­ten. Kopf­ball­trai­ning hat­te man das damals genannt.

„Und weißt du noch, als der Hod­had­dern­nachalasch-Fritz sich gegen Hohen­stein bei­de Füße gebro­chen hat? Mit dem Zip­fel hat er nach mei­ner Ecke den ent­schei­den­den Ball über die Linie gedrückt. Mit dem Zip­fel! Etwas ande­res war ihm ja nicht übrig­ge­blie­ben, bei zwei gebro­che­nen Füßen!“

Am Ende schwor Niklas Din­gers Vater gar auf alles was ihm lieb und teu­er war, dass er auf dem Höhe­punkt sei­ner Kar­rie­re Streit mit dem Wei­her­fel­de­ner Platz­wart gehabt hat­te, da er frü­her so schnell lau­fen konn­te, dass der Rasen hin­ter ihm stets in Flam­men stand.

Ich amü­sier­te mich köst­lich, als plötz­lich wie aus dem Nichts unser guter alter Spiel­lei­ter Wil­li am Stamm­tisch auf­tauch­te. In sei­ner Hand flat­ter­te ein zer­knit­ter­ter, antik anmu­ten­der Zettel.

„Ich war soeben unten im Archiv“, begann Wil­li mit lau­ter, durch­drin­gen­der Stim­me, so als wol­le er etwas Bahn­bre­chen­des ver­kün­den. Alle Augen rich­te­ten sich gebannt auf ihn und sei­nen geheim­nis­vol­len Zettel.

„Ich ver­le­se:

Spiel­be­richts­bo­gen C‑Klasse Ost

Datum: 18. April 1976

1. FC Kirchthein – TSV Weiherfelden“

Mit einem Mal wur­de es mucks­mäus­chen­still im Sport­heim. Die Span­nung war greif­bar. Was hat­te Wil­li denn da ausgegraben?

„Auf­stel­lung TSV Weiherfelden:

Num­mer 1: Eber­hart Gepard“

Der Bär­ti­ge zuck­te angst­voll zusam­men und schien förm­lich in sei­nem Stuhl zu versinken.

„Num­mer 2: Franz Mann“

Hüstelnd ver­such­te der näch­ste Fuß­ball­ve­te­ran ver­geb­lich, sich hin­ter sei­nem Bier­glas zu verstecken.

„Num­mer 3: Rudolf Müller

Num­mer 4: Fried­rich Götz

Num­mer 5: Bap­tist Meier

Num­mer 6: Josef Dinger“

Niklas Vater mach­te ein mür­ri­sches Gesicht und muster­te Wil­li mit fin­ste­rem Blick.

„Num­mer 7: Ernst Gepard

Num­mer 8: Wil­li­bald Hofner

Num­mer 9: Wolf­gang Schick

Num­mer 10: Bert­ram Kohler

Num­mer 11: Hein­rich Sepper“

Wil­li mach­te eine kur­ze Kunst­pau­se. Doch jeder konn­te bereits ahnen, was nun fol­gen muss­te. Eini­ge alte Män­ner erweck­ten den Ein­druck, eine so schnel­le Flucht zu pla­nen, dass durch­aus der Rasen hin­ter ihnen in Flam­men ste­hen würde.

Wie ein Peit­schen­hieb schmet­ter­te Wil­lis Stim­me durch die sticki­ge Luft: „Ergeb­nis: 1–0 für den 1. FC Kirchthein!“

Josef Din­gers wüten­de Pro­te­ste über­tön­ten das brül­len­de Geläch­ter im Sport­heim: „Das eine Spiel sagt doch gar nichts! Da waren wir betrunken!“

„Schie­bung war das damals. Eine ganz hin­ter­li­sti­ge Schiebung!“

„Außer­dem hat­te Kirchthein damals eine Mann­schaft, die hät­te euch alle in Grund und Boden gespielt!“

„Zwei Fuß­bal­ler hat­ten die in der Spit­ze, da wären ein Becken­bau­er oder Gerd Mül­ler vor Neid erblasst!“

So ein ver­rück­tes Völk­chen hat­te ich noch nie erlebt. Aber die selbst­be­wuss­ten alten Män­ner mit den toll­küh­nen Fuß­ball­ge­schich­ten waren nicht unsym­pa­thisch. Ganz im Gegen­teil! Ich beschloss, mir in Zukunft öfter ein Bun­des­li­ga­spiel im Sport­heim des TSV Wei­her­fel­den anzu­se­hen. Bes­se­re Unter­hal­tung konn­te man in kei­ner Come­dy-Show finden.

Nach der gelun­ge­nen Abwechs­lung vom tri­sten All­tag eines Zivis im Mobi­len Sozia­len Hilfs­dienst, ver­brach­te ich einen ent­spann­ten Abend zu Hau­se vor dem Fern­se­her. An Weg­ge­hen und exzes­si­ves Trin­ken war nicht zu den­ken. Der erste Drei­er muss­te her! Der SV Möh­rich war nicht der stärk­ste Geg­ner. Sie waren selbst nur mit zwei Unent­schie­den in die Sai­son gestartet.

Vor dem Anpfiff fand Trai­ner Andre­as Diet­ner in der engen Gäste­ka­bi­ne im Möh­ri­cher Sport­heim erneut die rich­ti­gen Wor­te: „Möh­rich steht heu­te genau­so unter Druck wie ihr. Die haben auch noch kein Spiel gewon­nen. Und wenn sie heu­te ver­lie­ren, dann rut­schen sie gefähr­lich hin­ten rein. Und das wis­sen sie! Gegen so eine Mann­schaft kön­nen wir nur bestehen, wenn jeder Ein­zel­ne von euch von der ersten bis zur letz­ten Minu­te kämpft. Wir müs­sen krat­zen und bei­ßen, kom­men und gehen, die Zwei­kämp­fe suchen und gewin­nen. Sie müs­sen euren hei­ßen Atem im Nacken spü­ren! Nicht über­mo­ti­viert, aber moti­viert! Ich will euch lau­fen und kämp­fen sehen, dann kann uns in die­ser Klas­se nie­mand schlagen!“

Wäh­rend wir noch dabei waren die Fuß­ball­schu­he zu schnü­ren, stat­te­te uns der Schieds­rich­ter einen kur­zen Besuch ab. In den höhe­ren Spiel­klas­sen gehör­te es zum guten Ton der erfah­re­nen Schieds­rich­ter, sich vor dem Spiel bei­den Mann­schaf­ten nament­lich vor­zu­stel­len. Dabei wur­den auch Hin­wei­se gege­ben, dass Meckern bei­spiels­wei­se umge­hend mit einer gel­ben Kar­te geahn­det wür­de. Selbst in den nied­rig­sten Klas­sen ver­such­ten man­che Schieds­rich­ter dadurch einen pro­fes­sio­nel­len Ein­druck zu erwecken. „Hal­lo. Mein Name ist Rolf Hei­ne­mann, und ich pfei­fe für den FSV Eggen­heim.“ Der etwas behä­bi­ge, glatz­köp­fi­ge Mann Mit­te fünf­zig leg­te eine kur­ze Pau­se ein und sah sich unsi­cher in der schma­len Umklei­de­ka­bi­ne um. Er trug eine Ket­te mit einem viel zu gro­ßen Kreuz um den Hals und mach­te einen from­men, ern­sten Ein­druck. „Ver­zich­tet bit­te auf böse Fouls und unnö­ti­ges Gemecker, dann wer­den wir schon gut mit­ein­an­der aus­kom­men. Möge Gott uns ein schö­nes und fai­res Spiel bescheren!“

„Mei­ne Güte, der sah ja mehr aus wie ein Pfar­rer als ein Schi­ri!“, kom­men­tier­te Niklas Din­ger kopf­schüt­telnd, als der eigen­ar­ti­ge Unpar­tei­ische unse­re Kabi­ne ver­las­sen hatte.

Der Sport­platz des SV Möh­rich befand sich am äußer­sten Rand des klei­nen beschau­li­chen Orts­kerns. Das Gelän­de am Ran­de einer viel­be­fah­re­nen Land­stra­ße war von einem klei­nen Wäld­chen und weit­läu­fi­gen Wie­sen umge­ben. Ein win­zi­ges Bäch­lein plät­scher­te idyl­lisch hin­ter dem Tor. Vor­sich­tig schlepp­te der Regis­seur den Eis­kof­fer, der zur Behand­lung der ver­letz­ten Spie­ler dien­te. Es war ein eigen­ar­ti­ger Anblick. Den Regis­seur hat­te ich bis­lang nir­gend­wo anders als im Wirt­schafts­raum des Wei­her­fel­de­ner Sport­heims ange­trof­fen. Spiel­lei­ter Wil­li hat­te sich eine hef­ti­ge Som­mer­grip­pe ein­ge­fan­gen und lag mit 40 Grad Fie­ber im Bett. Man mun­kel­te sofort, dass ihn die Fuß­ball-Vete­ra­nen des TSV als Rache für die gemei­ne Akti­on mit dem histo­ri­schen Spiel­be­richts­bo­gen ver­gif­tet hat­ten. Und so hat­te Andre­as kur­zer­hand mit dem Regis­seur einen renom­mier­ten TSV-Fan als Ersatz-Betreu­er verpflichtet.

Bei der Platz­wahl wun­der­ten wir uns über den Kapi­tän der Gast­ge­ber. Obwohl Möh­rich die Platz­wahl gewon­nen hat­te, ent­schied er sich für die schlech­te­re Sei­te, bei der sei­ne Mann­schaft die ersten 45 Minu­ten lang gegen die Son­ne spie­len musste.

Doch in der Anfangs­pha­se waren wir zu zöger­lich, um Kapi­tal aus die­ser Unacht­sam­keit zu schla­gen. Auf­grund der vie­len Fehl­päs­se der bei­den sicht­lich ner­vö­sen Mann­schaf­ten spiel­te sich die Par­tie die mei­ste Zeit im Mit­tel­feld ab. Dort ver­rich­te­te ich gewohnt zuver­läs­sig den Job des Abfang­jä­gers vor der Abwehr.

Es waren noch kei­ne 30 Minu­ten gespielt, als wir uns end­lich etwas mehr zutrau­ten und geziel­ter nach vorn spiel­ten. Die­ser Mut wur­de sogleich belohnt. Pfer­de­lun­ge Harald Gepard köpf­te eine Flan­ke des begna­dig­ten Bernd Hagen unhalt­bar in die Maschen. Mit der 1–0 Füh­rung im Rücken kehr­te das Selbst­be­wusst­sein zurück. Unse­re Angriffs­lust war geweckt. Mit einem ver­zwei­fel­ten lan­gen Ball ver­such­te der SV Möh­rich, sich aus unse­rem fünf­mi­nü­ti­gen Power­play zu befrei­en. Aber nicht mit mir! Kom­pro­miss­los stieg ich gleich gegen zwei geg­ne­ri­sche Mit­tel­feld­spie­ler in die Luft und köpf­te den Ball wuch­tig zurück zum Möh­ri­cher Straf­raum. Dann explo­dier­te der Schmerz in mei­nem Kopf. Benom­men sank ich zu Boden und rühr­te mich nicht mehr.

Stöh­nend blin­zel­te ich in die flim­mern­de Son­ne und nahm die Sil­hou­et­ten mei­ner vier Mit­spie­ler wahr, die sich besorgt über mich beug­ten und mei­nen Namen rie­fen: „Mar­co, alles klar? Kannst du aufstehen?“

„Ich den­ke, es geht!“, stam­mel­te ich kämp­fe­risch. Mit einem gequäl­ten Äch­zen knie­te ich mich in das wei­che Gras und blick­te fra­gend zu Harald auf: „Was ist denn passiert?“

„Ihr seid mit den Köp­fen zusam­men­ge­ras­selt. Wird schon wieder!“

Trä­ge nick­te ich mit dem Kopf. Dann kam der Schieds­rich­ter ange­lau­fen und woll­te sich mit den gebräuch­li­chen Test­fra­gen ver­ge­wis­sern, ob ich in der Lage war wei­ter­zu­spie­len: „Kannst du mir sagen, wie der Spiel­stand ist?“

Ich dach­te kurz nach: „Wir füh­ren 1–0.“

„Und wann hat der Papst Geburtstag?“

Mit gro­ßen Augen blick­te ich den selt­sa­men Schieds­rich­ter an. Ist das wirk­lich sein Ernst? Sei­ne erwar­tungs­vol­le Mie­ne ließ kei­ne Zwei­fel zu.

„Kei­ne Ahnung“, erwi­der­te ich schließ­lich zögernd.

„Oh je, dich hat´s ja ganz schön erwischt. Geh am besten mal zur Sei­ten­li­nie und lass dich kurz behan­deln“, ent­schied der gut­mü­ti­ge Schieds­rich­ter und führ­te mich vom Spielfeld.

Hil­fe­su­chend blick­te ich mich nach mei­nen ach­sel­zucken­den Mit­spie­lern um, die mit ver­dat­ter­ten Gesich­tern wie ange­wur­zelt im Halb­kreis am Ort des Gesche­hens ste­hen­ge­blie­ben waren. Auch sie ver­stan­den die Welt nicht mehr.

Kaum hat­te ich die Sei­ten­li­nie erreicht, schoss unser Trai­ner wie von der Taran­tel gesto­chen auf mich zu: „Alles in Ord­nung, Mar­co? Was ist denn los? Soll sich jemand warmlaufen?“

„Es geht schon! Alles OK.“

„Brauchst du irgend­was? Eis zum Kühlen?“

„Nein, alles klar. Weiß jemand von euch, wann der Papst Geburts­tag hat?“

Mit weit auf­ge­ris­se­nen Augen starr­te Andre­as auf mei­nen Kopf. Er wirk­te wie ein Mann, der einem beäng­sti­gen­den Gei­stes­kran­ken gegenüberstand.

„Regis­seur, komm mal bit­te mit dem Eis. Ich glau­be, der Mar­co hat wirk­lich was abbekommen!“

Noch ehe ich Gele­gen­heit hat­te, den Grund für mei­ne unge­wöhn­li­che Fra­ge auf­zu­klä­ren, stand auch schon der Regis­seur neben mir. Ich hör­te noch das Klap­pern des geschüt­tel­ten Eis­sprays, aber ich war zu lang­sam, um das dro­hen­de Unheil zu verhindern.

„Aaah, ver­dammt!“, fluch­te ich schmerz­er­füllt mit zusam­men­ge­knif­fe­nen Augen, als mir der nicht ganz nüch­ter­ne Regis­seur fach­män­nisch das Eis­spray ins Gesicht sprühte.

„Mei­ne Güte, was ist denn heu­te mit euch los? Seid ihr denn von allen guten Gei­stern ver­las­sen?“, schimpf­te Andre­as Diet­ner vor­wurfs­voll. „Die alten Zei­ten, als man noch dar­an geglaubt hat, dass Eis­spray einen Fuß­bal­ler unver­wund­bar macht, sind fei schon lan­ge vorbei!“

Wäh­rend sich der geschol­te­ne Regis­seur reu­mü­tig auf die Aus­wech­sel­bank zurück­zog, schnapp­te sich unser Trai­ner höchst­per­sön­lich den Eis­kof­fer, zog eine Pla­stik­fla­sche aus dem Hau­fen Eis­wür­fel und schüt­te­te mir das eis­kal­te Was­ser über den Kopf.

„Nein! Halt!“, brüll­te der Regis­seur noch ver­zwei­felt, aber es war bereits zu spät. Kurz nach­dem mir der bei­ßen­de Geruch in die Nase gestie­gen war, brann­ten mei­ne bemit­lei­dens­wer­ten Augen ein zwei­tes Mal wie Feuer!

„Was war denn das?“

Ver­wirrt schnup­per­te unser Trai­ner an der Pla­stik­fla­sche und such­te mit hoch­ro­tem Kopf nach dem Regis­seur, der sich in wei­ser Vor­aus­sicht im hin­ter­sten Eck der Ersatz­bank ver­kro­chen hat­te. „Was ist das?“ Andre­as schar­fer Ton­fall ließ kei­ne Aus­re­den zu.

„Wod­ka“, ant­wor­te­te der Regis­seur klein­laut und kau­er­te sich noch tie­fer an den Rand der Auswechselbank.

„Ich werd noch ver­rückt hier!“, mur­mel­te Andre­as resi­gnie­rend und küm­mer­te sich wie­der um mich. „Bist du wie­der fit?“

Selbst wenn ich eine Gehirn­er­schüt­te­rung oder eine Schä­del­prel­lung gehabt hät­te, ich hät­te in jedem Fal­le „Ja“ gesagt. Ich woll­te ein­fach nur weg von hier! Zurück aufs Spiel­feld. In Sicherheit!

Wild gesti­ku­lie­rend fuch­tel­te Andre­as mit den Armen, um dem Schieds­rich­ter zu signa­li­sie­ren, dass ich wie­der ein­satz­be­reit war. Dann ball­ten sich sei­ne Fin­ger plötz­lich zu einer wüten­den Faust. Kurz dar­auf beju­bel­ten die Möh­ri­cher Zuschau­er den 1–1 Aus­gleich. Unser Geg­ner hat­te die durch mei­ne Abwe­sen­heit ent­stan­de­ne Lücke im defen­si­ven Mit­tel­feld kalt­schnäu­zig aus­ge­nutzt. Die hart erar­bei­te­te Füh­rung war dahin.

„Na pri­ma!“, kom­men­tier­te unser Trai­ner sar­ka­stisch. „Das hat uns gera­de noch gefehlt. Schieds­rich­ter! Schieds­rich­ter!!!!! Unser Spie­ler ist wie­der fit!“

„16. April!“, rief mir ein Wei­her­fel­de­ner Zuschau­er zu, als der Unpar­tei­ische eili­gen Schrit­tes auf mich zukam, um sich von mei­ner Ein­satz­be­reit­schaft zu über­zeu­gen. Er hat­te mit sei­nem Smart­phone den Geburts­tag des Pap­stes nachgeschlagen.

Der Schieds­rich­ter begut­ach­te­te mich mit kri­ti­schem Blick: „Weißt du noch, wie es steht?“

„Jetzt steht es 1–1.“

„Und wann hat der Papst Geburtstag?“

„16. April.“

„Na siehst du. Dir geht es ja schon besser!“

Die zwei­te Hälf­te begann mit einem Pau­ken­schlag. Die Pau­se war kei­ne drei Minu­ten vor­bei, da häm­mer­te ein Möh­ri­cher Mit­tel­feld­spie­ler mit einem wasch­ech­ten Sonn­tags­schuss den Ball aus über 30 Metern in den Tor­win­kel. Fas­sungs­los starr­ten wir auf unse­ren chan­cen­lo­sen Tor­hü­ter Andre­as Stie­ler, der flu­chend den Ball aus dem Tor­netz fisch­te und ihn mit ver­är­ger­ter Mie­ne zum Mit­tel­kreis feuerte.

Der 2–1 Rück­stand war eine Kata­stro­phe. Wie gelähmt ver­such­ten wir, ein drücken­des Angriffs­spiel auf­zu­zie­hen. Aber es dau­er­te gute 20 Minu­ten bis wir uns von dem Schock erholt hat­ten. Dann aber tauch­ten wir immer wie­der gefähr­lich vor dem Möh­ri­cher Tor auf.

Und schließ­lich erkann­ten wir den Sinn hin­ter der bis dato nicht nach­voll­zieh­ba­ren Sei­ten­wahl des Möh­ri­cher Spiel­füh­rers. Denn das Fang­netz hin­ter dem Tor des SV Möh­rich ent­pupp­te sich als fata­le Fehl­kon­struk­ti­on. Zwar hat­te man dort ein Netz gespannt, um zu ver­mei­den, dass Fehl­schüs­se über den Bach hin­weg auf der Land­stra­ße oder gar im dich­ten Brenn­nes­sel­feld auf der ande­ren Sei­te der Stra­ße lan­de­ten. Aber man hat­te das Netz zu hoch ange­bracht, so dass nur Schüs­se ab einer Höhe von min­de­stens einem Meter auf­ge­hal­ten wur­den. Alle fla­chen Tor­ver­su­che kul­ler­ten unge­hin­dert unter dem Fang­netz hin­durch und pur­zel­ten ent­we­der in den Bach oder roll­ten auf die viel­be­fah­re­ne Landstraße.

In den letz­ten 20 Spiel­mi­nu­ten nutz­te unser lie­bens­wer­ter Geg­ner die­sen Umstand kom­pro­miss­los aus und betrieb sein rou­ti­nier­tes Zeit­spiel bis zum Exzess.

Michi Mei­ster setz­te sich stark gegen zwei Gegen­spie­ler durch. Sein Tor­schuss tou­chier­te noch klir­rend den Pfo­sten, ehe der Ball in den Bach plump­ste und gemäch­lich davon schwamm. Ich brau­che nicht zu erwäh­nen, dass es eine hal­be Ewig­keit dau­er­te, bis die Gast­ge­ber einen Ersatz­ball auf­ge­trie­ben hat­ten. Wert­vol­le Zeit ver­strich. Lang­sam aber sicher wur­den wir nervös.

Noch 15 Minu­ten. Bernd Hagen ver­such­te alles. Ein ver­zwei­fel­ter Schuss aus 25 Metern. Glän­zend pariert vom wach­sa­men Möh­ri­cher Tor­hü­ter. Unauf­halt­sam sprang der abge­lenk­te Ball neben das Tor, hüpf­te über den schma­len Bach hin­weg und blieb hin­ter der Land­stra­ße in einem klei­nen Gra­ben liegen.

„Ersatz­ball!“, for­der­te Trai­ner Andre­as unge­dul­dig, aber natür­lich hat­te unser gewief­ter Geg­ner nur einen ein­zi­gen Ersatz­ball bei der Hand, und der war schließ­lich vor fünf Minu­ten im Zeit­lu­pen­tem­po davon geschwommen.

Die 30 Sekun­den, die unser hek­ti­scher Außen­stür­mer Ste­fan Schmidt auf der ande­ren Stra­ßen­sei­te war­ten muss­te, bis die Ver­kehrs­la­ge ein Pas­sie­ren der Stra­ße zuließ, kamen uns vor wie eine hal­be Ewig­keit. Das Zeit­spiel unse­res Kon­tra­hen­ten wirk­te so ein­stu­diert, dass es uns nicht über­rascht hät­te, wenn die vor­bei­fah­ren­den Autos alle­samt Ver­eins­mit­glie­der des SV Möh­rich gewe­sen wären. War­te­ten sie hin­ter der näch­sten Kur­ve auf ihren Ein­satz, um wei­te­re wert­vol­le Sekun­den für ihre Mann­schaft zu schin­den? Wie sonst ließ sich der Zufall erklä­ren, dass auf die­ser kaum befah­re­nen Pro­vinz­stra­ße den gan­zen Tag lang kein ein­zi­ges Auto unter­wegs war, außer wenn der dum­me TSV Wei­her­fel­den 1–2 zurück­liegt und ver­zwei­felt ver­sucht, auf der ande­ren Stra­ßen­sei­te den ein­zig ver­blie­be­nen Spiel­ball zu holen? Da kro­chen sie plötz­lich aus ihren Höh­len und Löchern, die Wagen­ko­lon­nen und Auto­kor­sos der Fran­ken-Metro­po­le Möhrich.

Wäre unser guter alter Cho­le­ri­ker Wil­li an jenem Tage dabei gewe­sen, er hät­te ent­we­der einen Ner­ven­zu­sam­men­bruch erlit­ten oder eine Mas­sen­schlä­ge­rei mit der gesam­ten Anhän­ger­schar des SV Möh­rich vom Zaun gebro­chen. Wil­li gegen den Rest der Welt!

10 Minu­ten bis zum Schluss­pfiff. Möh­rich stemm­te sich mit aller Gewalt gegen unse­re nicht enden­den Angriffs­wel­len. Jede Gele­gen­heit wur­de gekonnt genutzt, um erober­te Bäl­le hin­ter das eige­ne Tor zu dre­schen. Dies­mal war es dem kan­ti­gen Ver­tei­di­ger des SV Möh­rich sogar gelun­gen, den Ball über die Land­stra­ße hin­weg bis in das Brenn­nes­sel­feld zu schie­ßen. Flu­chend wate­te Michi Mei­ster durch das bren­nen­de Unkraut und such­te fie­ber­haft nach dem Ball.

Nur noch 5 Minu­ten. Die Uhr tick­te unauf­halt­sam. Es war zum Ver­rückt­wer­den! Wie­der tra­fen wir nur den Pfo­sten. Der Ball prall­te ins Tor­aus und blieb in dem klei­nen Bäch­lein lie­gen. Im Schnecken­tem­po hol­te der SV Möh­rich einen Kescher. Sie hat­ten gewiss den lang­sam­sten Bewoh­ner von ganz Möh­rich für die­se ver­ant­wor­tungs­vol­le Auf­ga­be aus­er­ko­ren. Gegen ihn wirk­te selbst Bernd Hagen wie der wei­ße Bru­der von Usain Bolt. Die Sekun­den ran­nen dahin.

Dann ertön­te der erlö­sen­de Schluss­pfiff unse­res from­men Schieds­rich­ters. Erlö­send für die erleich­ter­ten Zuschau­er des SV Möh­rich, deren Mann­schaft sich mit ihren hin­ter­li­sti­gen Tricks zu einem unver­dien­ten Sieg gezit­tert hat­te. Aber letz­ten Endes auch erlö­send für uns, denn so hat­te die­ses bei­spiel­lo­se Trau­er­spiel wenig­stens end­lich ein Ende. Wir hät­ten an dem ver­hex­ten Tag ohne­hin kein Tor mehr geschossen.

Eine hal­be Stun­de spä­ter wur­den im Möh­ri­cher Sport­heim die ande­ren Ergeb­nis­se der Kreis­klas­se Nord ver­le­sen. Wir waren auf den letz­ten Tabel­len­platz abge­rutscht. Den Sai­son­start hat­ten wir uns anders vor­ge­stellt. Mein Schä­del brumm­te wie ein Bie­nen­stock. Die Augen waren feu­er­rot von der sel­te­nen Kom­bi­na­ti­on aus Eis­spray und Wod­ka. Zumin­dest weiß ich seit jenem Tag, dass der Papst am 16. April Geburts­tag hat.

Was für ein wun­der­ba­rer Tag!

Titel: Sonn­tags­schüs­se – Fuß­ball­fie­ber in der Kreisklasse

Ama­teur-Fuß­bal­ler Mar­co Tan­ner muss sich als “Zuge­rei­ster“ in die def­ti­ge frän­ki­sche Lebens­wei­se ein­fin­den, um bei sei­nem skur­ri­len neu­en Fuß­ball­ver­ein Fuß zu fassen.

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