12,7 Mil­lio­nen Vogel­brut­paa­re in Deutsch­land verloren

Mas­si­ves Vogel­ster­ben muss auf­ge­hal­ten wer­den – Agrar­re­form gefordert

Laut einer aktu­el­len Aus­wer­tung des bun­des­wei­ten LBV-Part­ners NABU hat Deutsch­land in nur zwölf Jah­ren 12,7 Mil­lio­nen Vogel­brut­paa­re ver­lo­ren (zwi­schen 1998 und 2009). Das ent­spricht 15 Pro­zent des Bestan­des von 1998. Die sum­mier­te Zahl der Brut­paa­re aller Vogel­ar­ten ging in die­sem Zeit­raum von 97,5 auf 84,8 Mil­lio­nen Paa­re zurück. „Umge­rech­net auf Bay­ern bedeu­tet das für die­sen Zeit­raum einen Ver­lust von rund 2,5 Mio. Brut­paa­ren“, so der LBV-Vor­sit­zen­de Dr. Nor­bert Schäf­fer. Die Aus­wer­tung beruht auf den Vogel­be­stands­da­ten, die die Bun­des­re­gie­rung 2013 an die EU gemel­det hat. Bis­lang war jedoch nur die Zu- oder Abnah­me auf Arten­ebe­ne im Gespräch, nicht was die Ergeb­nis­se für die Gesamt­zahl bedeu­ten. Die Zah­len machen vor allem deut­lich, dass zwar man­che sel­te­nen Arten zuneh­men, dafür aber häu­fi­ge und weit ver­brei­te­te Arten mas­siv abnehmen.

„Auf­grund die­ser dra­ma­ti­schen Zah­len muss man von einem regel­rech­ten Vogel­ster­ben spre­chen. Wäh­rend wir es schaf­fen, gro­ße und sel­te­ne Vogel­ar­ten durch geziel­ten Arten­schutz zu erhal­ten, bre­chen gleich­zei­tig die Bestän­de unse­rer Aller­welts­vö­gel ein. Sie fin­den ein­fach in unse­rer heu­ti­gen auf­ge­räum­ten Agrar­land­schaft außer­halb von Natur­schutz­ge­bie­ten kei­ne Über­le­bens­mög­lich­kei­ten mehr“, sagt Olaf Tschimp­ke, Prä­si­dent des LBV-Part­ners NABU.

Bun­des­weit stellt allein der Star, frisch gekür­ter Vogel des Jah­res 2018, 20 Pro­zent der ver­lo­ren­ge­gan­ge­nen Vögel . Mit fast 2,6 Mio. Brut­paa­ren weni­ger, ist die­se Art beson­ders betrof­fen. Die häu­fi­gen Arten Haus­sper­ling, Win­ter­gold­hähn­chen und Buch­fink fol­gen deutsch­land­weit auf den näch­sten Plät­zen. Neben dem Star fin­den sich mit Feld­ler­che, Feld­sper­ling und Gold­am­mer drei wei­te­re Vögel der Agrar­land­schaft unter den zah­len­mä­ßig größ­ten Ver­lie­rern. „Sowohl bei den sel­te­nen als auch bei den häu­fi­gen Arten, sind die Vögel der Agar­land­schaft am stärk­sten betrof­fen. In der Ent­wick­lung unse­rer land­wirt­schaft­lich genutz­ten Flä­chen ist auch der mut­maß­li­che Grund für die­sen mas­si­ven Bestands­ein­bruch zu suchen“, sagt der LBV-Vor­sit­zen­de Dr. Nor­bert Schäffer.

Im betrof­fe­nen Zeit­raum hat der Anteil an arten­rei­chen Wie­sen und Wei­den oder Brach­flä­chen dra­stisch ab‑, dage­gen der inten­si­ve Anbau von Mais und Raps stark zuge­nom­men. Ein ver­blüf­fend ähn­li­ches Muster wie bei der Ent­wick­lung der Vogel­zah­len zeigt sich bei der Zahl der Insek­ten: Eine in der wis­sen­schaft­li­chen Fach­zeit­schrift PLOS ONE ver­öf­fent­lich­te Stu­die hat bis­he­ri­ge dra­ma­ti­sche Befun­de zum Insek­ten­rück­gang in Nord­west­deutsch­land bestä­tigt. Seit den 90er-Jah­ren hat dort die Bio­mas­se der Flug­in­sek­ten zwi­schen 76 bis 81 Pro­zent abge­nom­men. Durch die gro­ße Anzahl der unter­such­ten Stand­or­te und Lebens­räu­me kann die Stu­die als reprä­sen­ta­tiv für ganz Deutsch­land erach­tet wer­den. „Ein direk­ter Zusam­men­hang mit dem Vogel­rück­gang ist sehr wahr­schein­lich, denn fast alle betrof­fe­nen Arten füt­tern zumin­dest ihre Jun­gen mit Insek­ten“, so Schäffer.

Da stark anzu­neh­men ist, dass die inten­si­ve Land­wirt­schaft der maß­geb­li­che Trei­ber für die­sen mas­si­ven Insek­ten­rück­gang ist, besteht hier auch der größ­te Hand­lungs­be­darf. Ins­be­son­de­re der Ein­satz hoch­wirk­sa­mer Insek­ti­zi­de wie Neo­ni­ko­tin­o­ide muss ver­bo­ten wer­den. „Dass der Insek­ten­rück­gang beson­ders in dem Zeit­raum ein­ge­setzt hat, in wel­chem auch die­se Pesti­zi­de erst­ma­lig auf den Markt kamen, ist sicher­lich kein Zufall. Es könn­te ein Hin­weis dar­auf sein, dass sie einen gro­ßen Anteil am Insek­ten­ster­ben haben“, sagt Nor­bert Schäffer.

NABU und LBV for­dern die Koali­ti­ons­par­tei­en einer neu­en Bun­des­re­gie­rung daher drin­gend dazu auf, die Not­brem­se zu zie­hen, und eine grund­le­gen­de Reform der Agrar­för­de­rung auf EU-Ebe­ne durch­zu­set­zen. Öffent­li­che Gel­der sol­len nicht mehr mit der Gieß­kan­ne ver­teilt wer­den, son­dern aus einem Natur­schutz­fonds an Land­wir­te für kon­kre­te öffent­li­che Natur­schutz­lei­stun­gen gezahlt wer­den. „Nur so lässt sich das Ver­schwin­den der Vögel vor unse­ren Augen auf­hal­ten und rück­gän­gig machen, bevor es zu spät ist“, so der LBV-Vorsitzende.