„Sonntagsschüsse – Fußballfieber in der Kreisklasse“, Kapitel 4

"Sonntagsschüsse" Buchcover

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FC Dreibrücken – TSV Weiherfelden (Pokalspiel)

Erst am Dienstag beim Training erfuhr ich, dass der gute alte Willi die gesamte Truppe mit dem Mannschaftsbus vom Griechen ab­geholt hatte.

Nachdem ich mich lautstark in unsere Hofeinfahrt übergeben hatte, begann mein Vater langsam zu zweifeln, ob sein Rat wirklich eine gute Idee gewesen war, im neuen Heimatort Weiherfelden Fußball zu spielen.

„In der Bezirksliga trinken sie bestimmt nicht so viel!“, polterte er.

„Das kann sein. Aber ich muss mich ja in meiner neuen Mannschaft integrieren.“

Nach dem Gelage im Dionysos war mein Vater natür­lich alles andere als begeistert, dass am kommenden Wochenende das Trainingslager anstand.

„Ich hoffe, ihr kommt da auch zum Trainieren!“, meinte mein alter Herr skeptisch.

„Der Trainer wird sich sicher etwas Gemeines einfallen lassen.“

„Wo fahrt ihr nochmal hin?“

„Monte Kaolino heißt das, glaube ich. Keine Ahnung, wo das ist“, antwortete ich.

„Ach so, das hört sich gut an.“

Ich wusste noch nicht, was genau der Monte Kaolino war, aber die sichtliche Zufriedenheit meines Vaters machte mich plötzlich nervös.

Bevor es am Freitagnachmittag ins Trainingslager ging, mussten wir am Donnerstag noch ein Pokalspiel absolvieren. Wir wollten uns auswärts für die nächste Pokalrunde qualifizieren. Der Einzug in die Hauptrunde des DFB-Pokals war für den TSV Weiherfelden natürlich ein utopisches Ziel. Dennoch waren die Pokalspiele eine gute Sache. Zum einen hatte man zusätzliche Vorbe­reitungsspiele unter Wettkampfbedingungen. Noch inter­essanter als die Spielpraxis aber war die Möglichkeit, in den späteren Pokalrunden auf renommierte Gegner zu treffen, die gut und gerne vier oder fünf Klassen höher spielten. Das waren aufregende, wenn auch meist ein­seitige Spiele, in denen man mehr lernen konnte als bei einem 13-0 gegen eine völlig überforderte DJK Dreientor.

Der FC Dreibrücken spielte eine Klasse unter uns. Sie hatten einen jungen neuen Trainer. Der ehemalige Be­zirksoberligaspieler war erst 29 Jahre alt. Aufgrund einer schweren Knieverletzung musste er seine Karriere früh beenden und war als Trainer zu seinem Heimatverein zurückgekehrt. Neben vielen taktischen Einflüssen aus der Bezirksoberliga, brachte er auch einige befremdliche eigene Ideen mit.

Das Spiel war keine zehn Minuten alt, als Trainer Andreas Dietner unseren Kapitän Harald zu sich rief.

„Jungs, merkt ihr denn nicht, dass ihre Abwehrreihe total unsicher ist? Sag Michael und Stefan, dass sie immer an der Grenze zum Abseits spekulieren sollen. Versucht, sie aus dem Zentrum in Szene zu setzen!“

Harald Gepard war auf dem Platz der verlängerte Arm des Trainers. Rasch informierte er die Mitspieler über die neue Marschroute. Unser Trainer hatte ein gutes Auge für taktische Schwächen des Gegners. In den ersten Minuten war das Spiel ereignislos dahingeplätschert. Wir hatten die Abwehr des FC Dreibrücken noch nicht ernsthaft gefordert. Aber Andreas hatte die Gastgeber scharf beob­achtet. Insbesondere die Verteidiger wirkten unsicher, blickten immer wieder fragend zu ihren Nebenmännern und zur Seitenlinie. Als ich bewusst darauf achtete, fiel auch mir auf, wie krampfhaft sie versuchten, auf einer Linie zu bleiben. Die beiden Außenverteidiger schalteten sich konsequent nicht in das Offensivspiel ein, sondern beharrten eisern auf ihren defensiven Posten. Das Defen­sivverhalten des FC Dreibrücken ließ nur einen Schluss zu: Sie agierten wie eine Mannschaft, die gerade damit begonnen hatte, die Viererkette einzuführen.

Während wir beim TSV Weiherfelden noch altmodisch mit Libero und Manndeckung spielten, war die Vierer­kette eine mo­derne Abwehrformation, die auf dem Prinzip der Raumdeckung basierte und im Profifußball gang und gäbe war. Sie war taktisch deutlich flexibler – wenn man sie beherrschte.

Und genau das tat der FC Dreibrücken noch nicht!

In der Umstellungsphase waren Abwehrreihen be­sonders an­fällig. Unsichere Blicke, zögerliches Ausrichten an den Mitspielern, Abstimmungsprobleme bei der Übergabe der Gegenspieler. Das eröffnete uns Räume, die wir durch den Tipp unseres Trainers gezielt ausnutzen konnten.

Hartnäckig behauptete ich mich in einem Zweikampf gegen den Dreibrückener Mittelfeldregisseur. Kaum war der Ball erobert, entdeckte ich eine klaffende Lücke im Abwehrzentrum unseres Gegners. Ein gezielter Pass auf meinen Freund Stefan (unfreiwilliges Nudistendasein schweißt zusammen), und schon stand es 1-0 für den TSV.

Trainer Andreas klatschte begeistert in die Hände und nickte mir anerkennend zu. Er war ein Mann, der es sehr zu schätzen wusste, wenn seine taktischen Finessen auf dem Spielfeld umgesetzt wurden.

Der neue Trainer des FC Dreibrücken schlenderte nachdenklich zur Reservebank, schnappte sich seinen Notizzettel und malte die Spielsituation, die zum frühen Rückstand seiner Schützlinge geführt hatte, auf ein Blatt Papier. In der B-Jugend hatte mein Trainer in Hamburg auch die Viererkette mit uns einstudiert. Ich wusste also aus eigener Erfahrung, wie das ablief. Woche um Woche analysierte der Trainer geduldig die Gegentore an der Taktiktafel, um Schwachstelle für Schwachstelle in der Deckung auszumerzen. Bis die Viererkette endlich die geforderte Stabilität erreicht hatte.

Dreibrücken hatte zweifellos noch einen langen Weg vor sich. Ich stellte mir ernsthaft die Frage, ob sie jemals den gewünschten Erfolg haben würden. Die Viererkette war komplex, erforderte gut ausgebildete Spieler mit einem fundamentalen taktischen Gespür für die Raumdeckung. Aber die Verteidiger unseres Gegners machten auf mich nicht den Eindruck, als wären sie diesen hohen Anforderungen gewachsen. Der neue Coach des FC Dreibrücken machte aus meiner Sicht den größten Fehler, den ambitionierte junge Trainer machen konnten: Er ver­suchte, seine Mannschaft in ein modernes Spielsystem zu pressen, anstatt eine taktische Formation auszutüfteln, die den Fähigkeiten seiner Elf entsprach. Die Einflüsse aus der Bezirksoberliga ließen sich eben nicht einfach eins zu eins in der A-Klasse anwenden.

Doch neben diesen taktischen Relikten aus seiner glor­reichen aktiven Zeit hatte der Trainer unseres Gegners noch ganz andere Ideen mit nach Dreibrücken gebracht. Und die waren so außergewöhnlich, dass ich mir nicht vorstellen konnte, dass er sie in der Bezirksoberliga aufgeschnappt hatte. Nein, auf diesen Blödsinn muss er ganz alleine gekommen sein.

Es war knapp eine Stunde gespielt, und wir führten un­gefährdet mit 4-1. Der FC Dreibrücken hatte einen Frei­stoß in guter Position, etwa 25 Meter von unserem Tor entfernt.

Drei Spieler des FC standen um den ruhenden Ball herum und diskutierten wild gestikulierend. Der neue Trainer rieb sich am Spielfeldrand aufgeregt die Hände. Irgendetwas war im Busch. In gespannter Erwartung einer sehenswerten einstudierten Freistoßvariante bereiteten wir uns auf das Schlimmste vor. Ein Gegentor zum falschen Zeitpunkt konnte das Spiel noch einmal spannend machen. Der Mittelfeldregisseur aus Dreibrücken stellte sich direkt vor den Ball, unserem Tor zugewandt. Einen Meter vor ihm hatte sich ein Flügelspieler des FC posi­tioniert. Er stand mit dem Rücken zum Tor. Was sollte das denn werden? Ein schussstarker Verteidiger nahm sieben Schritte Anlauf. Wir waren uns sicher: Er wird den Frei­stoß schießen. Aber was zum Teufel planten die anderen beiden Spieler?

Als der Schütze sich in Bewegung setzte, lupfte der technisch versierte Mittelfeldregisseur den Ball an. Der gegenüber von ihm positionierte Flügelflitzer machte die Beine breit und klemmte den halbhohen Ball zwischen seine Knie. Der Verteidiger preschte heran. Sofort war uns klar, dass er versuchten wollte, den zwischen den Beinen seines Kollegen festgeklemmten Ball in unser Tor zu hämmern. Aber der Ball flutschte dem Flügelspieler aus den Beinen. In letzter Sekunde brachte sich der Spieler aus der Gefahrenzone, denn sein Kollege hatte bereits zum Gewaltschuss angesetzt, und schlug nun ein spekta­kuläres Luftloch. Der Ball kullerte im Schneckentempo in meine Richtung. Gedankenschnell spielte ich einen langen Pass auf Michael Meister, der im Zusammenspiel mit Stefan einen einwandfreien Konter zum vorent­scheidenden 5-1 abschloss.

Ich wollte gar nicht darüber nachdenken, wie viele Knie, Oberschenkel oder Hodensäcke der FC Dreibrücken für diese schwachsinnige Freistoßvariante geopfert hatte. Entweder der junge Spielertrainer war ein schlauerer Fuchs als wir alle vermuteten und versuchte mit solchen Aktionen auszutesten, wie viel gedankenloses Vertrauen ihm seine Spieler schenkten ohne selbst die absurdesten Anweisungen zu hinterfragen. Oder er hatte als Kind eindeutig zu viel „Tsubasa und die tollen Fußballstars“ gesehen und war nun auf der Suche nach dem ultimativen Spezial-Torschuss.

Die erste Pokalrunde war damit überstanden.

„Gute Leistung, Jungs. Habt ihr gut umgesetzt!“, lobte Trainer Andreas Dietner nach dem Spiel. „Und nicht vergessen: morgen um 15 Uhr Abfahrt zum Trainings­lager. Um halb 6 gibt´s noch eine Trainingseinheit am Monte Kaolino, dann machen wir uns einen gemütlichen Abend!“

Die leuchtenden Augen meiner Mitspieler ließen vermuten, was sie unter einem ruhigen Abend verstanden. Ich hatte Angst!

Als wir uns am nächsten Nachmittag um kurz vor Drei am Parkplatz vor dem Sportheim trafen, teilten wir uns in den mit Werbung zugepflasterten Vereinskleinbus und drei Privatautos auf. Wir waren insgesamt 15 Spieler, die es am Freitagnachmittag zum Trainingslager schafften. Trainer Andreas erwartete fünf weitere Kollegen am Samstagmorgen.

Die Fahrt zum Monte Kaolino dauerte eine gute Stunde. Organisator Willi hatte uns zwölf Zimmer im Nachbarort besorgt. Es war ein großer Gasthof in nettem Fachwerkstil. Der heimische Fußballverein FC Kohlen­moor stellte für das Wochenende zwei Rasenplätze in aus­gezeichnetem Zustand zur Verfügung. Am Sonntag­nachmittag war zum Abschluss des Trainingslagers ein Freundschaftsspiel gegen Kohlenmoor geplant.

Mit vereinten Kräften halfen wir Willi beim Ausladen des Kleinbusses. Die vielen Trainingsgeräte trieben uns den Angstschweiß auf die Stirn. Der Wetterbericht hatte ein glühend heißes Wochenende gemeldet. Eine Tasche mit Badehosen wäre uns definitiv lieber gewesen, als ein ganzer Kofferraum voll Medizinbällen, Stangen und Hanteln.

Ich teilte mir ein Zimmer mit Stefan Schmidt. Die Räume waren klein und spartanisch eingerichtet, aber absolut ausreichend. Wir würden ohnehin die meiste Zeit auf dem Fußballplatz schwitzen. Und dass wir abends viel Zeit in unseren Betten verbrachten, wagte ich zu be­zweifeln.

Pünktlich um Viertel vor 6 trafen wir uns vor dem Gasthaus, um gemeinsam zur ersten Trainingseinheit zu fahren, die leider nicht auf dem nahegelegenen Sport­gelände des FC Kohlenmoor stattfinden sollte. Nein, unser Trainer hatte sich etwas Besseres einfallen lassen. Dieser hinterlistige Hund!

Als ich immer vom Monte Kaolino gehört hatte, war ich in meiner berühmt-berüchtigten Naivität davon ausgegangen, dass es sich um einen Ort mit einem seltsamen Namen handelte. Kaum hatte ich aber den mehr als 100 Meter hohen Sandberg erblickt, verstand ich endlich die schadenfrohe Zufriedenheit im Gesichts­ausdruck meines Vaters, nachdem ich den Ort unseres Trainingslagers erwähnt hatte. Ein Sandberg. Genau das richtige Werkzeug für einen sadistischen Trainer, der seine armen wehrlosen Spieler schwitzen und stöhnen sehen wollte.

Resigniert starrte Bernd Hagen auf den tonnenschweren Haufen Sand. „Das ist nicht dein Ernst, oder?“, murmelte er fassungslos an Trainer Andreas gewandt.

Dieser grinste nur mit leuchtenden Augen zurück und rieb sich voller Vorfreude die Hände: „Herrlich! An diesem Wochenende werdet ihr euren Wadenumfang verdoppeln!“

Nie hatten wir unseren Trainer so geliebt wie in jenem Moment.

Schon nach wenigen Metern brannten meine Ober­schenkel wie Feuer.

„Wie ich mich auf die nächsten beiden Tage freue!“, raunte ich schweißüberströmt dem neben mir ächzenden Niklas Dinger zu, der nur resignierend den Kopf schüttelte.

Trainer Andreas Dietner schaffte es indes, seine ohnehin in den Keller abgestürzten Sympathiewerte weiter absacken zu lassen. Aufreizend fröhlich winkte er uns aus der Seilbahn zu, mit der er sichtlich entspannt zum Gipfel des Sandbergs kutschiert wurde. Eine Stopp­uhr hing um seinen Hals. Als leistungsorientierter Trainer wollte er die Zeiten eines jeden Spielers notieren.

Viele Minuten später, wir waren inzwischen gefühlte tausend Tode gestorben, waren wir endlich auf dem Gipfel des Sandberges angekommen. Erwartungsgemäß hatte Pferdelunge Harald Gepard den Anstieg als Erster gemeistert und wurde vom stolzen Trainer in Empfang genommen.

„Elender Schleifer!“, moserte Routinier Klaus Meier mit hochrotem Kopf.

„Und dann grinst er auch noch!“, japste Niklas Dinger und bedachte Andreas Dietner mit einem genervten Seitenblick.

Als schließlich auch das untersetzte Genie Bernd Hagen den Gipfel erreicht hatte, begann der Trainer seine lobende Ansprache.

„Gut gekämpft, Jungs. Das gibt Schmackes in den Beinen!“

„Dir würde etwas Fitness auch nicht schaden, Trainer. Beim nächsten Mal kannst du ja mitlaufen, anstatt es dir in der Seilbahn bequem zu machen“, schlug der freche Niklas grinsend vor.

„Da Niklas ja schon wieder bei Kräften zu sein scheint, könnt ihr den Berg auch gern noch einmal hochlaufen!“, konterte Andreas schlagfertig, worauf sogar Niklas mucksmäuschenstill wurde.

Erschöpft setzten wir uns in den warmen Sand und genossen den Ausblick. Vier große Flaschen Wasser wanderten vom einen zum anderen. Das hatten wir uns redlich verdient. Andreas Dietner nutzte die schweigsame Pause, um das Trainingsprogramm für den nächsten Tag anzukündigen.

„Morgen früh um halb 7 machen wir nen kleinen Waldlauf – zum Aufwachen. Bitte seid pünktlich. Wer von Willi oder mir geweckt werden muss, darf nen Zehner in die Mannschaftskasse abdrücken. Wenn wir jemanden gar nicht wachkriegen: 2 Kästen Bier. Um 8 Uhr gibt´s dann Frühstück. Erste Trainingseinheit um 10. Früh am Morgen, wenn ihr noch frisch seid, werden wir uns vor allen Dingen auf taktische und technische Elemente kon­zentrieren. Es wird also viel mit Ball trainiert. Dafür wird diese Einheit aweng länger sein als die anderen. Mittag­essen gibt´s dann um 1. Die zweite Trainingseinheit beginnt um 16 Uhr. Da werden wir einen kleinen Kraft­ausdauerzirkel machen. Ach ja, einen Coopertest möchte ich bei der Gelegenheit auch noch durchführen. Zum Abendessen treffen wir uns um 7. Das wäre dann unser Programm für morgen. Nutzt die Sauna und das Hallenbad in der Unterkunft, damit ihr euch zwischen den Trai­ningseinheiten regenerieren könnt. Am Sonntag machen wir neben dem morgendlichen Waldlauf noch ne Kondi­tionseinheit am Vormittag, bevor wir nachmittags gegen den FC Kohlenmoor spielen. Noch Fragen?“

Andreas blickte in die skeptischen Gesichter seiner Mannschaft. Begeisterung hatte er keine erwartet. Es war ein straffes, anstrengendes Programm. Aber in der Vorbereitung wurde nun mal der Grundstein für eine erfolgreiche Saison gelegt.

Nachdem wir den Sandberg wieder hinabgeklettert waren, gönnte ich mir auf unserem Zimmer eine wohl­tuende Dusche. Ich fühlte mich wie neugeboren. Zum Abendessen gab es ein deftiges Wiener Schnitzel mit Kartoffelsalat. Eine Stunde später zogen sich Andreas und Willi auf ihre Zimmer zurück. Ich fragte mich, ob sie wirklich müde waren oder vielmehr nicht mit ansehen wollten, was sich in den Abendstunden im Gemein­schaftsraum des Wirtshauses abspielte.

Wir Spieler fühlten uns hundemüde. Es gab also nur einen Weg, wie wir die schweren Augenlider offen halten konnten: Trinkspiele.

Der vorlaute Niklas Dinger war so etwas wie der inoffizielle Vergnügungswart des TSV Weiherfelden. Schnell hatte er seine Mitspieler an drei verschiedene Tische eingeteilt. Tisch 1 bewaffnete sich umgehend mit einer Geldmünze und einem Schnapsglas und begann zu quartern. Dabei mussten sie ein Geldstück durch Auf­schlagen auf den Tisch in das Schnapsglas befördern. Es war ein knallhartes Trinkspiel, bei dem es viele Sonder­regeln und sogar geheime Absprachen gab, auf welche Opfer unter den Teilnehmern man sich konzentrierte, um sie vorsätzlich abzufüllen. Stefan Schmidt befand sich an Tisch 1 und warf mir bereits nach 10 Minuten besorgte Blicke zu. Aber an Tisch 2 hatte ich es auch nicht besser erwischt. Dort spielten wir ein Spiel namens Mäxchen, bei dem wir reihum verdeckt mit zwei Würfeln würfelten. Wichtig dabei war, dass man immer eine höhere Augen­zahl oder einen höheren Pasch haben musste als sein Vorgänger. War dies nicht der Fall, so musste man eine erlogene Augenzahl nennen. Wurde man beim Lügen enttarnt oder bezichtigte man einen Mitspieler fälsch­licherweise der Lüge, musste man ein kleines Glas Bier exen. Der niedrigste Wurf (21) war ein Mäxchen. Wer diese Augenzahl geworfen hatte, durfte sich ein Trink­opfer aussuchen. Tisch 3 vergnügte sich mit einem Kinderspiel namens Looping Louie, bei dem man ver­suchte, die Hühner der anderen Mitspieler mit einem Katapult vom Dach der Farm zu werfen. Natürlich musste auch hier der Verlierer einen Longdrink austrinken.

Nachdem wir eine volle Stunde gespielt hatten, sagte mir ein glasiger Blick zu meinem Kumpel Stefan, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zuging. Es wurde immer schwieriger, sich auf die beiden Würfel zu kon­zentrieren. Zu allem Überfluss log es sich mit hängender Zunge erstaunlich schlecht.

Und das war der letzte klare Gedanke an jenem Abend, an den ich mich erinnern kann…

Titel: Sonntagsschüsse – Fußballfieber in der Kreisklasse

Amateur-Fußballer Marco Tanner muss sich als “Zugereister“ in die deftige fränkische Lebensweise einfinden, um bei seinem skurrilen neuen Fußballverein Fuß zu fassen.

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