Preis­ge­krön­te For­schung zur Bio­di­ver­si­tät: Bay­reu­ther Öko­lo­ge mit Edu­ard Stras­bur­ger-Preis ausgezeichnet

Symbolbild Bildung

Der Bay­reu­ther Öko­lo­ge Dr. Seve­rin Irl (34) erhält den renom­mier­ten Edu­ard Stras­bur­ger-Preis der Deut­schen Bota­ni­schen Gesell­schaft. Die DBG wür­digt mit die­ser Aus­zeich­nung sei­ne weg­wei­sen­den For­schungs­er­geb­nis­se zu den sehr unter­schied­li­chen Ein­flüs­sen auf die Ent­ste­hung, die Ver­brei­tung und die Diver­si­tät von Pflan­zen­ar­ten. Im Rah­men der dies­jäh­ri­gen Jah­res­ta­gung der DBG wird er den mit 2.500 Euro dotier­ten Preis, der von Sprin­ger Spek­trum gestif­tet wird, am 19. Sep­tem­ber 2017 in Kiel ent­ge­gen­neh­men. Der Preis­trä­ger gehört dem Lehr­stuhl für Bio­geo­gra­fie der Uni­ver­si­tät Bay­reuth an, der unter der Lei­tung von Prof. Dr. Carl Bei­er­kuhn­lein die Bio­di­ver­si­tät von Öko­sy­ste­men erforscht und dabei ins­be­son­de­re die Vege­ta­ti­on auf Mee­res­in­seln in den Blick nimmt.

Die Kana­ren­in­sel La Pal­ma: eine Modell­re­gi­on der öko­lo­gi­schen Forschung

Um die Ent­ste­hung und Ver­brei­tung von Pflan­zen­ar­ten zu erfor­schen und den Ursa­chen ihrer Viel­falt auf den Grund zu gehen, bie­tet die Kana­ren­in­sel La Pal­ma beson­ders gute Vor­aus­set­zun­gen. Dr. Seve­rin Irl hat den außer­ge­wöhn­li­chen Arten­reich­tum der Insel unter­sucht und ist dabei zugleich der Fra­ge nach­ge­gan­gen, wes­halb sich ver­schie­de­ne Pflan­zen­ar­ten nicht gleich­mä­ßig über die Insel ver­tei­len, son­dern auf räum­lich von­ein­an­der ent­fern­te „Hot­spots“ kon­zen­trie­ren. Einen Schwer­punkt sei­ner Unter­su­chun­gen bil­de­ten ende­mi­sche Arten. Dies sind Pflan­zen­ar­ten, die sich im Lau­fe der Evo­lu­ti­on auf La Pal­ma ent­wickelt haben und bis heu­te nur hier vor­kom­men. „Gebir­gi­ge Inseln wie La Pal­ma, die eine Höhe von fast 2500 Metern erreicht und auf rund 700 Qua­drat­ki­lo­me­tern eine sehr abwechs­lungs­rei­che Land­schaft auf­weist, sind her­vor­ra­gen­de Modell­sy­ste­me, um her­aus­zu­fin­den, wie sich Kli­ma und Topo­gra­phie auf die Pflan­zen­di­ver­si­tät und die Her­aus­bil­dung ende­mi­scher Arten aus­wir­ken. Die dabei gewon­ne­nen Daten sind äußerst wich­tig, wenn wir regio­nal und glo­bal wirk­sa­me Maß­nah­men für den Erhalt der Bio­di­ver­si­tät ent­wickeln wol­len“, erklärt der Bay­reu­ther Preisträger.

Ver­schie­de­ne Aus­prä­gun­gen von Bio­di­ver­si­tät und ihre Ursachen

In dem von der Deut­schen Bota­ni­schen Gesell­schaft prä­mier­ten Bei­trag, der im Jour­nal of Eco­lo­gy erschien, konn­te er in Frei­land­stu­di­en und mit mathe­ma­ti­schen Model­len wich­ti­ge Unter­schie­de nach­wei­sen: Die Arten­viel­falt ins­ge­samt ist auf La Pal­ma unge­fähr zu glei­chen Tei­len durch das Kli­ma und die Topo­gra­phie bedingt. Hin­ge­gen ist die Viel­falt ende­mi­scher Arten fast aus­schließ­lich mit topo­gra­phi­schen Varia­blen, also mit wech­seln­den land­schaft­li­chen Gege­ben­hei­ten zu erklä­ren. In stei­len Gebirgs­la­gen ist sie beson­ders groß. Zugleich stell­te sich her­aus, dass der Anteil, den ende­mi­sche Arten an der Insel­ve­ge­ta­ti­on haben, von Regi­on zu Regi­on schwankt: Die­se Unter­schie­de wie­der­um hän­gen fast aus­schließ­lich von kli­ma­ti­schen Fak­to­ren ab. „Wir haben es daher mit meh­re­ren Aspek­ten von Bio­di­ver­si­tät zu tun, die ver­schie­de­ne Ursa­chen haben und glei­cher­ma­ßen bewah­rens­wert sind. Wenn in Zukunft neue Natur­schutz­ge­bie­te aus­ge­wie­sen wer­den, soll­te auf die­se ‚Diver­si­tät von Diver­si­täts­in­di­zes’ Wert gelegt wer­den – eine wich­ti­ge Erkennt­nis für die Pra­xis!“, resü­miert Dr. Seve­rin Irl.

Natur­schutz­ge­bie­te im Klimawandel

Die preis­ge­krön­te Stu­die bil­de­te den Aus­gangs­punkt für wei­te­re Feld­for­schun­gen. Dr. Seve­rin Irl ging ins­be­son­de­re der Fra­ge nach, in wel­chen Gebie­ten auf La Pal­ma sel­te­ne – und daher beson­ders schüt­zens­wer­te – ende­mi­sche Arten beson­ders häu­fig anzu­tref­fen sind. Es stell­te sich her­aus, dass sich die­se Arten vor allem in den Hoch­la­gen der Insel kon­zen­trie­ren. „Dies liegt ver­mut­lich dar­an, dass drei Fak­to­ren hier zusam­men­wir­ken: die Unzu­gäng­lich­keit und dar­aus resul­tie­ren­de Iso­la­ti­on der Hoch­la­gen, ihre ver­gleichs­wei­se klei­ne Flä­che und die har­schen Umwelt­be­din­gun­gen“, so der Bay­reu­ther Wis­sen­schaft­ler. Eine von ihm koor­di­nier­te For­scher­grup­pe ent­deck­te zugleich, dass die aus­ge­wie­se­nen Schutz­ge­bie­te auf La Pal­ma den sel­te­nen Arten gute und siche­re Lebens­be­din­gun­gen bie­ten. Doch falls sich die Tem­pe­ra­tu­ren im Zuge des Kli­ma­wan­dels erhö­hen, ist damit zu rech­nen, dass sie sich neue Ver­brei­tungs­ge­bie­te suchen.

Die­se Pro­ble­ma­tik bil­det der­zeit einen wei­te­ren Schwer­punkt der Bay­reu­ther Wis­sen­schaft­ler. Sie nut­zen aktu­el­le Sze­na­ri­en des Kli­ma­wan­dels und Model­le der Arten­ver­brei­tung, um beson­ders gefähr­de­te ende­mi­sche Arten auf La Pal­ma zu iden­ti­fi­zie­ren. Erste Ergeb­nis­se zei­gen, dass eini­ge Hoch­la­gen­ar­ten schon bald vom Aus­ster­ben bedroht sein könn­ten. Sie befin­den sich bereits auf den höch­sten Gip­feln und haben im Fal­le einer Erwär­mung kei­nen Raum, um wei­ter nach oben aus­zu­wei­chen. „Der Natur­schutz auf Mee­res­in­seln wird sich schon in naher Zukunft dem sich abzeich­nen­den Kli­ma­wan­del anpas­sen müs­sen. Inseln bedecken zwar nur unge­fähr drei Pro­zent der Erd­ober­flä­che, beher­ber­gen aber rund ein Vier­tel der heu­ti­gen Pflan­zen­ar­ten“, betont Dr. Seve­rin Irl.

Ver­öf­fent­li­chun­gen:

Preis­ge­krön­ter Arti­kel: Irl SDH, Har­ter DEV, Stein­bau­er MJ, Puyol Gal­le­go D, Fernán­dez-Pala­ci­os JM, Jentsch A, Bei­er­kuhn­lein C (2015), Cli­ma­te vs. topo­gra­phy – Spa­ti­al pat­terns of plant spe­ci­es diver­si­ty and ende­mism on a high-ele­va­ti­on island. Jour­nal of Eco­lo­gy, 103, 1621–1633, DOI: 10.1111/1365–2745.12463.
Der For­schungs­bei­trag ist aus einer Zusam­men­ar­beit des Preis­trä­gers mit Wis­sen­schaft­lern der Uni­ver­si­tät Bay­reuth (Prof. Carl Bei­er­kuhn­lein, Bio­geo­gra­fie, und Prof. Anke Jentsch, Stö­rungs­öko­lo­gie), der Uni­ver­si­dad de La Lagu­na (Tene­rif­fa) und der Uni­ver­si­dad de Sevil­la hervorgegangen.
Vor kur­zem erschie­nen: Irl SDH, Schwei­ger AH, Medi­na FH, Fernán­dez-Pala­ci­os JM, Har­ter DEV, Jentsch A, Pro­ven­za­le A, Stein­bau­er MJ., Bei­er­kuhn­lein C (2017), An island view of ende­mic rari­ty – Envi­ron­men­tal dri­vers and con­se­quen­ces for natu­re con­ser­va­ti­on. Diver­si­ty and Dis­tri­bu­ti­ons, 23, 1132–1142, 10.1111/ddi.12605.

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen zum Edu­ard Strasburger-Preis:

www​.deut​sche​-bota​ni​sche​-gesell​schaft​.de/​u​e​b​e​r​-​d​i​e​-​d​b​g​/​n​a​c​h​w​u​c​h​s​f​o​e​r​d​e​r​u​n​g​/​e​d​u​a​r​d​-​s​t​r​a​s​b​u​r​g​e​r​-​p​r​e​i​s​.​h​tml
Der Preis ist nach dem ein­fluss­rei­chen Pflan­zen­wis­sen­schaft­ler Edu­ard Stras­bur­ger (1844 – 1912) benannt.