Welt­weit Spit­ze: For­schung für neue Arz­nei­en im Giga­hertz-Magnet­feld an der Uni­ver­si­tät Bayreuth

1-Gigahertz-Spektrometer für Kernresonanz
1-Gigahertz-Spektrometer für Kernresonanz

Die Uni­ver­si­tät Bay­reuth betreibt inter­na­tio­na­le Spit­zen­for­schung auf dem Feld der Struk­tur­bio­lo­gie. Vor allem in der Mole­ku­lar­me­di­zin wer­den in der For­schung zu Aids, All­er­ge­nen und Anti­bio­ti­ka­re­si­sten­zen auf­se­hen­er­re­gen­de Ergeb­nis­se erzielt. Mög­lich ist dies durch das welt­weit lei­stungs­fä­hig­ste hoch­auf­lö­sen­de 1‑Gi­ga­hertz-Spek­tro­me­ter für Kern­re­so­nanz (Nuclear Magne­tic Reso­nan­ce, kurz NMR): Es ist nach einem Gerät in Lyon das zwei­te welt­weit, das NMR bei einer Fre­quenz von 1 GHz mes­sen kann, aber tech­no­lo­gisch weit fort­ge­schrit­te­ner, unter ande­rem durch eine Abschir­mung des Magne­ten gegen äuße­re Ein­flüs­se und eine gerä­te­in­te­re Heli­um­ver­flüs­si­gung. Mit­tel­fri­stig sol­len die For­schungs­er­geb­nis­se die Ent­wick­lung neu­er Arz­nei­mit­tel voranbringen.

„An der Uni­ver­si­tät Bay­reuth bestehen damit ein­zig­ar­ti­ge Poten­zia­le für grund­la­gen- und anwen­dungs­ori­en­tier­te For­schung auf dem Gebiet der medi­zi­nisch ange­wand­ten Struk­tur­bio­lo­gie“, sagt Prof. Dr. Paul Rösch, Inha­ber des Lehr­stuhls Bio­po­ly­me­re und Lei­ter des For­schungs­zen­trums für Bio-Makro­mo­le­kü­le BIO­mac an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth. Er erläu­tert, wel­che bahn­bre­chen­den Ergeb­nis­se damit bereits erzielt wur­den. Bei­spiel Aids: Obwohl es inzwi­schen anti­vi­ra­le The­ra­pien gegen HIV, den vira­len Ver­ur­sa­cher der Krank­heit gibt, ist sie nicht heil­bar, und es gibt HI-Viren, die gegen­über den ver­wen­de­ten Medi­ka­men­ten resi­stent sind. „Mit Hil­fe der 1‑GHz-NMR-Spek­tro­sko­pie haben wir vira­le Pro­te­ine, die für die Ver­meh­rung des Virus not­wen­dig sind, als the­ra­peu­ti­sche Zie­le unter­sucht. Uns ist es so gelun­gen, die Grund­la­ge für die che­mi­sche Syn­the­se spe­zi­fi­scher, inno­va­ti­ver Inhi­bi­to­ren des Enzyms zu schaf­fen, also von Stof­fen, die die Viren­ver­meh­rung brem­sen“, berich­tet Rösch.

Eine ande­re Bay­reu­ther Arbeits­grup­pe setzt das Spek­tro­me­ter ein, um das rie­si­ge, für die Ver­meh­rung von Bak­te­ri­en unab­ding­ba­re Pro­te­in RNA-Poly­me­ra­se (RNAP) und Pro­te­ine, wel­che des­sen Akti­vi­tät regeln, zu unter­su­chen. „Die so gewon­ne­nen Erkennt­nis­se sind Basis für das geziel­te Design neu­er Wirk­stof­fe“, sagt Rösch. „Damit sind wir Vor­rei­ter im Kampf gegen anti­bio­ti­ka­re­si­sten­te Kei­me.“ Ein wei­te­rer Fokus der Bay­reu­ther NMR-Spek­tro­sko­pie liegt auf dem Gebiet der All­er­gie­for­schung. Die Kon­for­ma­ti­on von All­er­ge­nen und deren Kom­ple­xen mit klei­nen Mole­kü­len kann mit Hil­fe des 1‑GHz-Spek­tro­me­ters beson­ders genau bestimmt wer­den. Mit die­sen Erkennt­nis­sen kön­nen die For­scher der Uni­ver­si­tät Bay­reuth gezielt Modi­fi­ka­tio­nen vor­schla­gen, die All­er­ge­ne in harm­lo­se Pro­te­ine umwan­deln, die dann bei­spiels­wei­se in der Immun­the­ra­pie ein­ge­setzt wer­den. Die mit­hil­fe des 1‑GHz-Spek­tro­me­ters gewon­ne­nen Daten ermög­li­chen die Dar­stel­lung der Raum­struk­tur aller­ge­ner Pro­te­in­kom­ple­xe und führt damit auch zur Auf­klä­rung bis­her unbe­kann­ter natür­li­cher Funk­tio­nen aller­ge­ner Pro­te­ine. Damit besteht die Chan­ce, all­er­ge­ne Pro­te­ine etwa in Pflan­zen durch nicht-all­er­ge­ne zu erset­zen und somit auch in Lebens­mit­teln auszutauschen.

„Wir sind mit die­sem Spek­tro­me­ter und der Exzel­lenz unse­rer For­scher und For­sche­rin­nen ein welt­weit füh­ren­der Stand­ort für Struk­tur­bio­lo­gie und mole­ku­la­re Medi­zin gewor­den, sind inter­na­tio­nal aus­ge­wie­sen als Zen­trum der NMR-Spek­tro­sko­pie und als Hei­mat her­vor­ra­gen­der rönt­gen­kri­stal­lo­gra­phisch arbei­ten­der Wis­sen­schaft­ler“, sagt Uni­ver­si­täts­prä­si­dent Prof. Dr. Ste­fan Leib­le und erklärt: „An der Uni­ver­si­tät Bay­reuth wur­den so ein­zig­ar­ti­ge Poten­zia­le für grund­la­gen- und anwen­dungs­ori­en­tier­te For­schung geschaf­fen.“ Bay­erns Wis­sen­schafts­mi­ni­ster Dr. Lud­wig Spaen­le bestä­tigt dies, wenn er betont: „Das 1‑GHz-Spek­tro­me­ter ist ein Inve­sti­ti­ons­vor­ha­ben von her­aus­ra­gen­der wis­sen­schaft­li­cher Qua­li­tät und natio­na­ler Bedeu­tung. Die Uni­ver­si­tät Bay­reuth beweist damit ein­mal mehr, dass auch eine klei­ne­re Uni­ver­si­tät wis­sen­schaft­li­che Exzel­lenz sicht­bar machen und sich im anspruchs­vol­len Wett­be­werb durch­set­zen kann.“

Der Par­la­men­ta­ri­sche Staats­se­kre­tär bei der Bun­des­mi­ni­ste­rin für Bil­dung und For­schung, Ste­fan Mül­ler, MdB, sag­te: „Mit der Inve­sti­ti­on in das neue NMR-Gerät brin­gen der Bund und das Land Bay­ern gemein­sam die Struk­tur­bio­lo­gie in Deutsch­land vor­an. Die­se Tech­no­lo­gie zählt zu den bedeu­tend­sten unse­rer Zeit, denn sie hat das Poten­zi­al, wich­ti­ge Bei­trä­ge zur Lösung der gro­ßen gesell­schaft­li­chen Her­aus­for­de­run­gen wie neue Mög­lich­kei­ten zur Behe­bung von Krank­heits­ur­sa­chen zu lei­sten.“ Das Bun­des­mi­ni­ste­ri­um für Bil­dung und For­schung sowie das Land Bay­ern finan­zie­ren das NMR mit jeweils sechs Mil­lio­nen Euro.

Nahe­zu alle uni­ver­si­tä­ren Arbeits­grup­pen für NMR-basier­te Struk­tur­bio­lo­gie in Deutsch­land haben die Schaf­fung der Bay­reu­ther Infra­struk­tur unter­stützt. Haupt­an­trag­stel­ler waren neben der Uni­ver­si­tät Bay­reuth die Uni­ver­si­tä­ten Erlan­gen-Nürn­berg, Regens­burg und Würz­burg. Gleich­zei­tig ist das 1‑GHz-Spek­tro­me­ter Teil einer EU-Initia­ti­ve zum Auf­bau eines Netz­werks bio­phy­si­ka­li­scher For­schungs­ein­rich­tun­gen. Wegen der Ein­ma­lig­keit des Spek­tro­me­ters und der hohen Kosten steht es nicht nur For­schern lokal und regio­nal, son­dern auch bun­des- und welt­weit für ihre Arbei­ten zur Verfügung.

Das BIO­mac ist neben dem Insti­tut des Sci­en­ces Ana­ly­ti­ques (ISA) in Lyon die welt­weit zwei­te Insti­tu­ti­on, die für ihre mole­ku­lar­me­di­zi­ni­schen, struk­tur­bio­lo­gi­schen und che­mi­schen For­schun­gen mit einem NMR-Gerät mit dem stärk­sten der­zeit für die­sen Anwen­dungs­be­reich erhält­li­chen Magne­ten aus­ge­stat­tet ist: einem hoch­auf­lö­sen­den Spek­tro­me­ter der Feld­stär­ke 23,4 Tes­la, ent­spre­chend einer Pro­to­nen­re­so­nanz­fre­quenz von einem GHz. Das Bay­reu­ther 1‑GHz-Gerät wird durch Abschir­mung des Magne­ten gegen Ein­flüs­se von außen zusätz­lich stabilisiert.