Uni­ver­si­tät Bam­berg: „Euro­pa braucht Zuwanderung“

Symbolbild Bildung

Geo­gra­phi­sche Migra­ti­ons- und Trans­for­ma­ti­ons­for­schung for­dert mehr Sach­lich­keit in der Europa-Debatte

Brexit, Grenz­kon­trol­len, Popu­lis­mus – die­se Ele­men­te wer­den immer häu­fi­ger mit dem The­ma Migra­ti­on in Ver­bin­dung gebracht und wer­fen Fra­gen nach dem Ein­fluss der Zuwan­de­rung auf die euro­päi­sche Iden­ti­tät auf. Wel­chen Bei­trag Migra­ti­on und Diver­si­tät für Euro­pa lei­sten und wie Pro­ble­me und Ursa­chen ange­gan­gen wer­den kön­nen, damit beschäf­tigt sich Prof. Dr. Dani­el Göler, Inha­ber der Pro­fes­sur für Geo­gra­phi­sche Migra­ti­ons- und Trans­for­ma­ti­ons­for­schung an der Uni­ver­si­tät Bamberg.

Die For­schungs­pro­jek­te sei­ner Pro­fes­sur unter­su­chen Migra­ti­on und Mobi­li­tät auf regio­na­ler, natio­na­ler und inter­na­tio­na­ler Ebe­ne. Schwer­punk­te sind Ost- und Süd­ost­eu­ro­pa und dar­in ins­be­son­de­re der west­li­che Bal­kan­raum und Russ­land. Egal ob in Gölers Pro­jekt „Back to No Future? Per­spek­ti­ven remi­grier­ter Asyl­be­wer­ber in Alba­ni­en und Koso­vo“, in dem er sich mit Rück­kehr­mi­gra­ti­on in siche­re Her­kunfts­län­der des West­bal­kans beschäf­tigt oder in „On the move: Rei­se­frei­heit jun­ger Euro­pä­er in Zei­ten der Kri­se“ – zwei Erkennt­nis­se zie­hen sich wie ein roter Faden durch all sei­ne Arbei­ten: Sach­lich­keit und das Bewusst­sein, dass vie­le EU-Län­der, ins­be­son­de­re Deutsch­land, seit lan­gem Ein­wan­de­rungs­län­der sind, die viel von die­sem Umstand pro­fi­tiert haben, sind in der euro­päi­schen Debat­te ganz beson­ders wich­tig. „Man­ches wird völ­lig falsch oder zu ein­sei­tig von ver­schie­de­nen Grup­pie­run­gen dar­ge­stellt“, sagt Dani­el Göler. „Für vie­le The­sen wie bei­spiel­wei­se die, dass Ein­wan­de­rung zu einer Über­frem­dung oder gar zur Ver­drän­gung der ein­ge­ses­se­nen Bevöl­ke­rung führt, gibt es abso­lut kei­nen wis­sen­schaft­li­chen Beweis.“

Gera­de im Bereich des Fach­kräf­te­man­gels ber­ge Migra­ti­on in Deutsch­land das Poten­ti­al, Wohl­stand und Pro­duk­ti­vi­tät zu erhal­ten: „Ohne Immi­gra­ti­on dürf­te es län­ger­fri­stig schwie­rig wer­den, die hohe Wert­schöp­fung und damit den gewohn­ten Lebens­stan­dard zu bewah­ren.“ Doch zunächst sei­en inten­si­ve Qua­li­fi­zie­rungs- und Inte­gra­ti­ons­maß­nah­men nötig, momen­tan vor allem teil­qua­li­fi­zie­ren­de Aus­bil­dun­gen, die spe­zi­ell auf Flücht­lin­ge zuge­schnit­ten sind. Nur sie schaff­ten die nöti­gen sprach­li­chen, kul­tu­rel­len Vor­aus­set­zun­gen, um den Migran­tin­nen und Migran­ten den Ein­stieg in das Erwerbs­le­ben zu ermög­li­chen, sei es durch eine Aus­bil­dung, Umschu­lung oder Wei­ter­qua­li­fi­zie­rung. „Von Migran­ten zu erwar­ten, dass sie nach weni­gen Mona­ten hier erfolg­reich durch das dua­le Aus­bil­dungs­sy­stem oder gar ein Stu­di­um lau­fen, ist völ­lig über­zo­gen. Zeit ist hier ein ganz wich­ti­ger, aber nicht zwin­gend hin­der­li­cher Fak­tor“, so Göler.

Ein For­schungs­schwer­punkt in Gölers Team ist also die Fra­ge, wel­che Poten­tia­le Migran­tin­nen und Migran­ten haben, um einen Bei­trag zur sozia­len, wirt­schaft­li­chen und kul­tu­rel­len Ent­wick­lung der EU und ihrer Mit­glieds­staa­ten, aber auch in den Her­kunfts­län­dern zu lei­sten. Dabei ermit­teln sie unter ande­rem indi­vi­du­el­le Inte­gra­ti­ons- und Sozia­li­sa­ti­ons­fak­to­ren und unter­su­chen, wie inter­kul­tu­rel­le Zusam­men­ar­beit fest­ge­fah­re­ne Denk­mu­ster auf­bre­chen und dabei unter­stüt­zen kann, neue Her­an­ge­hens­wei­sen zu adap­tie­ren. Unter­neh­men, die bereits Per­so­nen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund beschäf­ti­gen, kön­nen dabei wich­ti­ge Infor­ma­tio­nen zur Ermitt­lung der lang­fri­sti­gen Fol­gen von Zuwan­de­rung im Arbeits­markt lie­fern. Eine ande­re, am Euro­päi­schen Forum für Migra­ti­ons­stu­di­en (efms), einem An-Insti­tut der Uni­ver­si­tät Bam­berg, ange­fer­tig­te Pilot­stu­die greift auf bio­gra­fi­sche Daten aus Unter­la­gen der Gemein­schafts­un­ter­künf­te über einen Zeit­raum von 10 Jah­ren seit dem Jahr 2006 zurück. Die Längs­schnitt­me­tho­de hat den Vor­teil, dass über Gelin­gens- und Miss­lin­gen­sfak­to­ren bereits durch­lau­fe­ner Inte­gra­ti­ons­pro­zes­se berich­tet wer­den kann. Die­se Pilot­stu­die soll auf eine brei­te­re empi­ri­sche Basis gestellt wer­den. Aktu­ell arbei­tet Göler im Auf­trag der Deut­schen Gesell­schaft für Inter­na­tio­na­le Zusam­men­ar­beit (GIZ) an einer Begleit­for­schung zu deren Enga­ge­ment in Zusam­men­hang mit dem The­ma „Migra­ti­ons­ur­sa­chen bekämpfen“.

Wei­te­re Aspek­te zum The­ma Migra­ti­on, Diver­si­tät und euro­päi­sche Iden­ti­tät grei­fen Göler und sei­ne Kol­le­gen Prof. Dr. Bern­hard Köp­pen und Ste­fan Bloß­feld in ihrem Bei­trag „Migra­ti­on nach Euro­pa“ in der aktu­el­len Aus­ga­be des For­schungs­ma­ga­zins „uni.vers“ der Uni­ver­si­tät Bam­berg auf: www​.uni​-bam​berg​.de/​u​n​i​v​e​r​s​-​f​o​r​s​c​h​u​n​g​/​2​017

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen zu den For­schungs­pro­jek­ten der Pro­fes­sur für Geo­gra­phi­sche Migra­ti­ons- und Trans­for­ma­ti­ons­for­schung unter: www​.uni​-bam​berg​.de/​m​i​g​t​r​a​n​s​/​f​o​r​s​c​h​ung