Bus­un­glück mit 18 Toten – Erste Ermittlungsergebnisse

Symbolbild Polizei

Gemein­sa­me Pres­se­mit­tei­lung des Poli­zei­prä­si­di­ums Ober­fran­ken und der Staats­an­walt­schaft Hof

A9 / MÜNCH­BERG, LKR. HOF. Nach dem tra­gi­schen Bus­un­glück am 03.07.2017 auf der A9 auf Höhe Stamm­bach, bei dem 18 Men­schen ums Leben kamen, lie­gen der Ver­kehrs­po­li­zei Hof und der Staats­an­walt­schaft Hof jetzt erste Ermitt­lungs­er­geb­nis­se vor.

Infor­ma­tio­nen zu den Fahr­zeu­gen und den Fahrern

Der Last­wa­gen mit Anhän­ger war unter­wegs von der Ukrai­ne nach Frank­reich. Bela­den waren die bei­den Con­tai­ner mit ins­ge­samt 5.250 Kilo­gramm Schaum­stoff­kis­sen. Tech­ni­sche Män­gel lagen nicht vor, die Lenk- und Ruhe­zei­ten wur­den vom Fah­rer ein­ge­hal­ten. Die letz­te Pau­se von etwa einer Stun­de fand 19 Kilo­me­ter vor der Unfall­stel­le statt.

Der Rei­se­bus, Bau­jahr 2013 war mit ABS und ESP aus­ge­stat­tet, ver­füg­te anson­sten jedoch über kei­ne Assi­stenz­sy­ste­me. Er hat­te zwei ver­bun­de­ne Kraft­stoff­tanks. Die­se befan­den sich vor­ne rechts (500 Liter) und vor­ne links (300 Liter) jeweils vor der Vor­der­ach­se. Eben­falls vor­ne links befan­den sich die bei­den Auto­bat­te­rien und die Druck­luft­tanks. Bei Abfahrt war der Bus voll­ge­tankt. Der Bus hat­te kei­ne tech­ni­schen Män­gel. Der Fah­rer des Bus­ses hat­te das Wochen­en­de vor dem Unfall­tag frei. Er hat in Dres­den gegen 4.50 Uhr das Steu­er über­nom­men. Lenk- und Ruhe­zei­ten wur­den ein­ge­hal­ten. Zu bei­den Fah­rern lie­gen kei­ner­lei son­sti­ge poli­zei­li­che Erkennt­nis­se vor.

Zum Fahrt­ver­lauf des Reisebusses

Der Bus befand sich auf einer Fahrt von Dres­den nach Ita­li­en. Abfahrt war gegen 0.30 Uhr ab dem Betriebs­ge­län­de des Bus­un­ter­neh­mens im Land­kreis Gör­litz. Zunächst wur­de eine „Sam­mel­fahrt“ bis Dres­den durch­ge­führt, bei wel­cher Fahr­gä­ste auf­ge­nom­men wur­den. Abfahrt in Dres­den mit den letz­ten zuge­stie­ge­nen Fahr­gä­sten war gegen 4.50 Uhr. An Bord befan­den sich ab Dres­den 46 Fahr­gä­ste im Alter zwi­schen 41 und 81 Jah­ren und die bei­den 55- und 43-jäh­ri­gen Fah­rer. Die erste Pau­se war nach etwa 2:30 Stun­den Fahrt­zeit geplant.

Zum Unfall­ge­sche­hen

Der Unfall fand auf der BAB 9 in Fahrt­rich­tung Süden zwi­schen den Anschluss­stel­len Münch­berg-Süd und Gefrees bei km 280 in Höhe des Ortes Stamm­bach statt. Die Unfall­stel­le liegt rund 2,5 Kilo­me­ter nach dem Beginn der bau­stel­len­be­ding­ten Geschwin­dig­keits­be­gren­zung für Pkw auf 120 km/​h und etwa 900 Meter vor dem Bau­stel­len­trich­ter, in dem die drei Fahr­spu­ren auf zwei Spu­ren zusam­men­ge­führt wer­den. Zum Unfall­zeit­punkt um kurz nach 7 Uhr kam es auf der rech­ten Spur zu stocken­den Ver­kehr bis in den Bereich der Unfallstelle.

Bei­de Fahr­zeu­ge befan­den sich bereits seit län­ge­rem auf der rech­ten der drei Fahr­spu­ren. Der Fah­rer des Last­wa­gens redu­zier­te sei­ne Geschwin­dig­keit schritt­wei­se von um die 80 km/​h auf 28 km/​h. Die Ana­ly­se der Dia­gramm­schei­be erbrach­te, dass es sich um einen nor­ma­len Brems­vor­gang gehan­delt hat. Dar­auf­hin fuhr der Bus von hin­ten in Fol­ge einer Unauf­merk­sam­keit des Fah­rers mit einer Anstoß­ge­schwin­dig­keit von etwa 60 bis 70 km/​h auf den Anhän­ger auf, wobei der Fah­rer noch ver­such­te, nach rechts Rich­tung Stand­strei­fen aus­zu­wei­chen und wohl im letz­ten Moment noch abbrem­ste. Was die Ursa­che für die­se Unauf­merk­sam­keit war, lässt sich nicht mehr aufklären.

Die Fahr­zeu­ge kol­li­dier­ten dadurch mit einer gerin­gen Über­deckung von nur rund 60 cm. Die­se rela­tiv gerin­ge Anstoß­flä­che führ­te dazu, dass der eigent­li­che Front­ab­schluss des Bus­ses im Bereich des Fah­rer­sit­zes etwa 1,50 bis 2,00 Meter nach hin­ten ver­scho­ben wur­de. In die­sem Bereich sind die Druck­luft­tanks, die Bat­te­rie samt Elek­trik und der Zusatz­tank ver­baut. Dies löste einer­seits elek­tri­sche Kurz­schlüs­se und die Bil­dung extrem hei­ßer Licht­bö­gen im Bereich der Elek­trik aus. Ande­rer­seits kam es zu einer Auf­stau­chung des Zusatz­tanks, wel­che die­sen zum Zer­plat­zen brach­te. Der her­aus­sprit­zen­de und zer­stäub­te Kraft­stoff ent­zün­de­te sich unmit­tel­bar beim Aus­tre­ten durch die Licht­bo­gen­bil­dun­gen, noch ange­facht durch die ent­wei­chen­de Druck­luft. Zudem war der Bus wegen der mas­si­ven Kol­li­si­on im vor­de­ren lin­ken Bereich auf­ge­ris­sen, wodurch sich Rauch und Feu­er im Innen­raum des Bus­ses schlag­ar­tig aus­brei­ten konn­ten. Dadurch kam es in kür­ze­ster Zeit zum Voll­brand des Busses.

Wäh­rend der 55-jäh­ri­ge Bus­fah­rer auf dem Fah­rer­sitz mit schwe­ren Ver­let­zun­gen ein­ge­klemmt war, gelang es dem 43-jäh­ri­gen Bei­fah­rer zunächst die vor­de­re Türe auf­zu­drücken. Im Zusam­men­wir­ken mit wei­te­ren Fahr­gä­sten konn­te auch die hin­te­re Türe geöff­net und nach dem Auf­prall dort lie­gen­de Hin­der­nis­se im Abgangs­be­reich besei­tigt wer­den. Ein Ver­las­sen des Bus­ses über die vor­de­re Türe war nur schwer mög­lich, weil der Mit­tel­gang im vor­de­ren Bereich wegen der Defor­mie­run­gen blockiert war. Wei­te­re Insas­sen ret­te­ten sich über ein­ge­schla­ge­ne Sei­ten­schei­ben mit einem Sprung nach draußen.

Die aus dem Bus ent­kom­me­nen 30 Insas­sen waren zum Teil schwer ver­letzt. Für 17 Insas­sen und den Fah­rer kam aller­dings jede Hil­fe zu spät. Die Män­ner und Frau­en im Alter von 55 bis 81 Jah­ren dürf­ten bereits nach kur­zer Zeit auf Grund der star­ken Rauch­ent­wick­lung das Bewusst­sein ver­lo­ren haben. Nach der Ber­gung der sterb­li­chen Über­re­ste erfolg­ten im Insti­tut für Rechts­me­di­zin in Erlan­gen die Obduk­ti­on und Identifizierung.

Ermitt­lungs­er­geb­nis­se und Gut­ach­ten übereinstimmend

Zwi­schen­zeit­lich wur­den die wesent­li­chen Ermitt­lun­gen durch­ge­führt. Die aller­mei­sten über­le­ben­den Bus­in­sas­sen – soweit bereits ver­neh­mungs­fä­hig – sowie die unbe­tei­lig­ten Zeu­gen wur­den ver­nom­men. Die beauf­trag­ten Sach­ver­stän­di­gen haben eine kurz­gut­ach­ter­li­che Stel­lung­nah­me abge­ge­ben. Die­se beruht auch auf der Begut­ach­tung eines bau­glei­chen Ver­gleichs­bus­ses. Zudem wur­den zu sämt­li­chen Betei­lig­ten und den Fahr­zeu­gen alle ver­füg­ba­ren Infor­ma­tio­nen zusam­men­ge­tra­gen und ausgewertet.

Die Ergeb­nis­se las­sen der­zeit kei­ne ver­nünf­ti­gen Zwei­fel am dar­ge­stell­ten Ablauf des schreck­li­chen Bus­un­glücks zu.

Es ste­hen noch die abschlie­ßen­den schrift­li­chen Gut­ach­ten der Sach­ver­stän­di­gen aus. Aus momen­ta­ner Sicht ist nicht zu erwar­ten, dass sich noch wesent­li­che neue Erkennt­nis­se ergeben.