Uni­ver­si­tät Bay­reuth: Erhöh­tes Risi­ko im Reis?

Symbolbild Bildung

Bay­reu­ther For­scher ent­decken Gif­tig­keit von Thio­ar­se­na­ten für Pflanzen

Reis ist in vie­len Regio­nen der Erde ein Grund­nah­rungs­mit­tel, ent­hält aber nicht sel­ten gesund­heits­ge­fähr­den­de Men­gen von Arsen. Wie eine inter­dis­zi­pli­nä­re For­scher­grup­pe der Uni­ver­si­tät Bay­reuth jetzt fest­ge­stellt hat, gibt es Arsen­ver­bin­dun­gen, die eine gif­ti­ge Wir­kung auf Pflan­zen haben, aber bei che­mi­schen Ana­ly­sen von Reis und bei der Abschät­zung des Gesund­heits­ri­si­kos für den Men­schen bis­her nicht berück­sich­tigt wur­den. Es han­delt sich um Thio­ar­se­na­te, Ver­bin­dun­gen von Arsen mit Schwe­fel, die auf Reis­fel­dern mög­li­cher­wei­se häu­fi­ger vor­kom­men, als bis­her ange­nom­men wur­de. Über ihre Erkennt­nis­se berich­ten die Wis­sen­schaft­ler in der Zeit­schrift Envi­ron­men­tal Sci­ence and Technology.

Erhöh­te Kon­zen­tra­tio­nen auf Reisfeldern?

Thio­ar­se­na­te ent­ste­hen im Oberflächen‑, Boden- und Grund­was­ser, falls das Was­ser einen hohen Sul­fid-Anteil auf­weist. Sul­fid ist die redu­zier­te Form von Sul­fat, es reagiert spon­tan mit Arsen und kann Thio­ar­se­na­te bil­den. Reis­fel­der bie­ten für die­se Pro­zes­se gün­sti­ge Vor­aus­set­zun­gen. „Reis wird meist auf geflu­te­ten Fel­dern ange­baut. Wegen des dar­aus resul­tie­ren­den Sau­er­stoff­man­gels im Boden kann Sul­fat zu Sul­fid redu­ziert wer­den. Wir konn­ten erst­mals nach­wei­sen, dass ein nicht uner­heb­li­cher Teil des Arsens in Reis­fel­dern – näm­lich 20 bis 30 Pro­zent – in Form von Thio­ar­se­na­ten gebun­den ist“, erklärt Prof. Dr. Brit­ta Pla­ner-Fried­rich, Pro­fes­so­rin für Umwelt­geo­che­mie an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth. „Wei­te­re For­schungs­ar­bei­ten, die über die Aus­brei­tung von Thio­ar­se­na­ten genaue­re Erkennt­nis­se lie­fern, sind umso dring­li­cher, als wir jetzt erst­mals zei­gen konn­ten, dass Thio­ar­se­na­te von Pflan­zen auf­ge­nom­men wer­den kön­nen und schäd­lich für sie sind.“

Schäd­lich­keit für bio­lo­gi­schen Modellorganismus

Die Bay­reu­ther Unter­su­chun­gen, an denen auch eini­ge Dok­to­ran­den mit­ar­bei­te­ten, kon­zen­trier­ten sich auf die Acker-Schmal­wand (Ara­bi­d­op­sis tha­lia­na), eine auf Wie­sen in Euro­pa und Asi­en weit­ver­brei­te­te Pflan­ze, die sich in der bio­lo­gi­schen For­schung als Modell­or­ga­nis­mus bewährt hat. In Zusam­men­ar­beit mit dem Pflan­zen­phy­sio­lo­gen Prof. Dr. Ste­phan Cle­mens wur­den unter­schied­li­che Mutan­ten der Acker-Schmal­wand im Labor dar­auf­hin gete­stet, wie sie auf Thio­ar­se­na­te reagie­ren, sobald die­se ihrer Nähr­flüs­sig­keit bei­gege­ben wer­den. Die Ergeb­nis­se sind ein­deu­tig: Die Pflan­zen neh­men die Arsen-Schwe­fel-Ver­bin­dun­gen auf und wer­den in ihrem Wachs­tum sicht­bar beein­träch­tigt. Je mehr Arsen auf die­sem Weg in ihren Orga­nis­mus gelangt, desto mehr ver­küm­mern ihre Wurzeln.

Toxisch auch für den Menschen?

„Auf­grund die­ser beun­ru­hi­gen­den Erkennt­nis­se wol­len wir in den näch­sten Mona­ten gezielt die Wir­kun­gen von Thio­ar­se­na­ten auf ver­schie­de­ne Reis­sor­ten unter­su­chen. Bis­her wis­sen wir noch zu wenig dar­über, ob und in wel­chem Umfang Reis­pflan­zen das schwe­fel­ge­bun­de­ne Arsen auf­neh­men und wie gra­vie­rend ihr Stoff­wech­sel dadurch gestört wird. Vor allem ist unklar, ob Thio­ar­se­na­te auch bis in die Reis­kör­ner gelan­gen“, erläu­tert Prof. Cle­mens, Spre­cher des Pro­fil­felds ‚Lebens­mit­tel- und Gesund­heits­wis­sen­schaf­ten‘ an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth, und ergänzt: „In Bay­reuth ver­fü­gen wir über alle nöti­gen For­schungs­tech­no­lo­gien, um die­se Unter­su­chun­gen vor­an­trei­ben zu kön­nen. Soll­te sich her­aus­stel­len, dass Thio­ar­se­na­te von den Wur­zeln der Reis­pflan­zen auf­ge­nom­men wer­den und unver­än­dert in die Reis­kör­ner vor­drin­gen kön­nen, besteht wei­te­rer For­schungs­be­darf. So muss dann ins­be­son­de­re geklärt wer­den, ob Thio­ar­se­na­te für den Men­schen toxisch sind, falls sie über lan­ge Zeit­räu­me mit reis­hal­ti­ger Nah­rung auf­ge­nom­men wer­den. Dar­über hin­aus sind – neben den bis­lang bekann­ten Arsen­for­men – künf­tig auch Thio­ar­se­na­te zu berück­sich­ti­gen, wenn es dar­um geht, Reis­pflan­zen zu ent­wickeln, die weni­ger Arsen in den Kör­nern akku­mu­lie­ren. Dies ist ein Ziel, auf das heu­te welt­weit zahl­rei­che For­scher­grup­pen hinarbeiten.“

„Nicht allein die EU, in der seit 2016 erst­mals ein Grenz­wert für Arsen in Reis gilt, son­dern vor allem auch Län­der in Asi­en und Afri­ka, die oft einen jähr­li­chen Reis­kon­sum von weit über 100 Kilo­gramm pro Kopf haben, soll­ten die wei­te­re Reis­for­schung auf­merk­sam ver­fol­gen und ihren Ver­brau­cher­schutz ent­spre­chend wei­ter­ent­wickeln. Spu­ren von Arsen sind auch im Trink­was­ser und in wei­te­ren Lebens­mit­teln ent­hal­ten. Sie kön­nen sich schnell zu einer täg­li­chen Dosis sum­mie­ren, die ein nicht zu unter­schät­zen­des Gesund­heits­ri­si­ko dar­stellt“, meint Prof. Planer-Friedrich.

Die Bay­reu­ther Umwelt­geo­che­mi­ke­rin hat erst vor weni­gen Jah­ren ent­deckt, dass Thio­ar­se­na­te für den Arsen­haus­halt der Erde eine grö­ße­re Bedeu­tung haben könn­ten als bis dahin ange­nom­men. Aus­gangs­punkt waren Unter­su­chun­gen an Ther­mal­quel­len im Yel­low­s­tone-Natio­nal­park in den USA. Hier stell­te sich her­aus, dass mehr als 80 Pro­zent des Arsens, das in die­sen hei­ßen Quel­len vor­kommt, in Thio­ar­se­na­ten gebun­den sind. In den Fol­ge­jah­ren zeig­te sich, dass Thio­ar­se­na­te auch unter weni­ger extre­men Bedin­gun­gen in Böden und im Grund­was­ser auf­tre­ten kön­nen. Hier kön­nen sie, je nach Sul­fid­ge­halt, gut ein Vier­tel des Gesamt­ar­sens aus­ma­chen. Die­se Erkennt­nis­se gaben den Anstoß für wei­te­re Unter­su­chun­gen zur Ver­brei­tung die­ser Arsen­ver­bin­dun­gen, die sich an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth nun auf das Grund­nah­rungs­mit­tel Reis kon­zen­trie­ren werden.

Ver­öf­fent­li­chung:

Brit­ta Pla­ner-Fried­rich, Tan­ja Kühn­lenz, Dipti Hal­der, Regi­na Loh­may­er, Natha­ni­el Wil­son, Col­leen Raf­fer­ty, and Ste­phan Cle­mens, Thio­ar­se­na­te Toxi­ci­ty and Tole­rance in the Model System Ara­bi­d­op­sis tha­lia­na, Envi­ron­men­tal Sci­ence & Tech­no­lo­gy (2017),
DOI: 10.1021/acs.est.6b06028