Para­die­se in Gefahr: Bay­reu­ther Stu­die­ren­de for­schen auf den Male­di­ven zu Pla­stik­müll in den Meeren

Symbolbild Bildung

Selbst ein ent­le­ge­nes Atoll bleibt von der Ver­schmut­zung der Mee­re durch Pla­stik­müll nicht ver­schont. Master-Stu­die­ren­de und Wis­sen­schaft­ler der Uni Bay­reuth haben auf einer Insel im Indi­schen Oze­an ange­spül­tes Treib­gut ana­ly­siert und Bedenk­li­ches herausgefunden.

Zwi­schen 40 und 1.000 Pla­stik­tei­le pro Qua­drat­me­ter wur­den gefun­den, und täg­lich kom­men neue Tei­le hin­zu – die­ser Ver­schmut­zung ist die Male­di­ven-Insel Vav­va­ru aus­ge­setzt. Ein sol­cher Befund auf einer abge­le­ge­nen und fast unbe­wohn­ten Insel zeigt deut­lich, dass die glo­ba­le Ver­tei­lung des Pla­stik­mülls besorg­nis­er­re­gen­de Aus­ma­ße ange­nom­men hat. Denn die­ser Müll gefähr­det nicht nur indu­stria­li­sier­te und stark bevöl­ker­te Regio­nen, son­dern kann auch in die letz­ten natür­li­chen Rück­zugs­or­te gelan­gen. Zu die­sem Ergeb­nis kommt eine Stu­die, die Wis­sen­schaft­ler und Stu­die­ren­de der Uni Bay­reuth jetzt im Mari­ne Pol­lu­ti­on Bul­le­tin ver­öf­fent­licht haben.

Ent­stan­den sind die­se Erkennt­nis­se wäh­rend einer von Prof. Dr. Chri­sti­an Laforsch gelei­te­ten Ver­an­stal­tung über Mee­res­öko­lo­gie, die als Teil des Master­stu­di­ums „Mole­ku­la­re Öko­lo­gie“ auf der Male­di­ven-Insel Vav­va­ru statt­fand. Master-Stu­die­ren­de und Mit­ar­bei­ter von Prof. Laforsch haben die dort ange­spül­ten Pla­stik­tei­le zwi­schen einem Mil­li­me­ter und 25 Zen­ti­me­ter Grö­ße syste­ma­tisch unter­sucht. An aus­ge­wähl­ten Stel­len der als For­schungs­sta­ti­on genutz­ten Insel haben die Nach­wuchs­for­scher aus Bay­reuth syste­ma­tisch Strand­gut gesam­melt. In einem Labor auf der Insel haben sie dann die Kunst­stoff-Par­ti­kel von orga­ni­schem Mate­ri­al gerei­nigt und sor­tiert. Spek­tro­sko­pi­sche Ana­ly­sen jedes ein­zel­nen vor­ge­fun­de­nen Teil­chens im Labor der Uni­ver­si­tät Bay­reuth för­der­ten die gro­ße Band­brei­te der Kunst­stof­fe zuta­ge, wel­che die Strän­de der Insel ver­un­rei­ni­gen: Pla­stik­be­häl­ter und Bruch­stücke von grö­ße­ren Gegen­stän­den waren eben­so dabei wie Foli­en­re­ste, Kunst­fa­sern, Pla­stik­pel­lets, klei­ne Sty­ro­por­ku­geln oder gan­ze Sty­ro­por­stücke. Am häu­fig­sten waren Poly­ethy­len, Poly­pro­py­len und Poly­sty­rol. Die­se Kunst­stof­fe wer­den beson­ders oft für Ver­packun­gen, Kos­me­ti­ka und Rei­ni­gungs­mit­tel oder als Dämm­stof­fe ver­wen­det. Ins­ge­samt waren aber rund 60 Pro­zent der ein­ge­sam­mel­ten Pla­stik­tei­le nur zwi­schen einem und fünf Mil­li­me­tern groß. Dies deu­tet dar­auf hin, dass es sich bei den Teil­chen um Frag­men­te von Pla­stik­müll han­delt, der schon eine gan­ze Wei­le auf den Welt­mee­ren unter­wegs war. „So lan­det unser Zivi­li­sa­ti­ons­müll also am Ende auf den Male­di­ven“, resü­miert fru­striert Lena Löschel, Stu­den­tin im Master­stu­di­en­gang ‚Mole­ku­la­re Öko­lo­gie‘ in Bayreuth.

Umfas­sen­de und lang­fri­sti­ge For­schungs­kon­zep­te sind gefordert

Zuvor hat­ten sich die Mit­ar­bei­ter von Prof. Laforsch bereits mit dem Pla­stik­müll in süd­deut­schen und ober­ita­lie­ni­schen Gewäs­sern beschäf­tigt. Aber auf Vav­va­ru waren sie über­rascht, wie sehr sich die Men­ge und die Art der am Strand ange­spül­ten Kunst­stof­fe von Tag zu Tag und von Ort zu Ort unter­schei­den – abhän­gig von den For­men des Stran­des und den stän­dig wech­seln­den Mee­res­strö­mun­gen, Wind­rich­tun­gen und Wind­stär­ken. „Wir haben die Pla­stik­tei­le in ver­schie­de­nen Küsten­re­gio­nen der Insel unter­sucht. Die Ergeb­nis­se haben uns in der Annah­me bestärkt, dass es wenig sinn­voll ist und sogar irre­füh­rend sein kann, wenn man die Bela­stung durch Pla­stik­müll nur an einem ein­zi­gen Stand­ort und nur zu ein­zel­nen Zeit­punk­ten erfasst“, betont Prof. Dr. Chri­sti­an Laforsch und erklärt wei­ter: „Um das Aus­maß und die Ursa­chen der Mee­res­ver­schmut­zung rich­tig ein­schät­zen zu kön­nen, benö­ti­gen wir umfas­sen­de und lang­fri­stig ange­leg­te For­schungs­kon­zep­te – und eben­so auch moder­ne For­schungs­tech­no­lo­gien, wie wir sie der­zeit an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth aufbauen.“

Die Male­di­ven-Insel Vav­va­ru liegt im Süd­we­sten des Lha­vi­ya­ni-Atolls und hat eine Flä­che von rund 31.000 Qua­drat­me­tern. Die weni­gen Men­schen, die hier leben, arbei­ten in den Labo­ra­to­ri­en einer Sta­ti­on für Mee­res­for­schung. „Von den rund 1.200 Inseln der Male­di­ven ist Vav­va­ru für die Wis­sen­schaft beson­ders inter­es­sant, weil die land­schaft­li­chen Gege­ben­hei­ten hier auf klei­nem Raum sehr unter­schied­lich sind und die Insel nur von weni­gen Tou­ri­sten und Ein­hei­mi­schen betre­ten wird. So kann aus­ge­schlos­sen wer­den, dass der Pla­stik­müll von der Insel und sei­nen Bewoh­nern stammt“, erklärt der Bay­reu­ther Wis­sen­schaft­ler Dr. Han­nes Imhof, der das For­schungs­mo­dul zusam­men mit Prof. Dr. Chri­sti­an Laforsch betreut hat.

Klei­ne Pla­stik­teil­chen gelan­gen in die Nahrungsketten

„Unse­re For­schungs­er­geb­nis­se zei­gen deut­lich, dass die glo­ba­le Pla­stik-Ver­schmut­zung der Welt­mee­re auch die ein­sam­sten Inseln erreicht hat“, sagt Han­nes Imhof. Die täg­li­che Bela­stung durch Pla­stik­müll sei zwar erheb­lich gerin­ger als an den Küsten dicht besie­del­ter Regio­nen in Asi­en – wie zum Bei­spiel an man­chen Strän­den in Süd­ko­rea oder Indi­en, wo neue­ren Mes­sun­gen zufol­ge täg­lich mehr als 1.000 Kunst­stoff-Par­ti­kel pro Qua­drat­me­ter ange­schwemmt wür­den. Aber die­ser Unter­schied sei kein Grund zur Ent­war­nung. „Ver­mut­lich wären unse­re For­schungs­da­ten für Vav­va­ru noch dra­ma­ti­scher aus­ge­fal­len, wenn wir auch Mikro­pla­stik unter­halb einer Grö­ße von einem Mil­li­me­ter erfasst hät­ten. Denn unse­re For­schung von ande­ren Gebie­ten zeigt, dass mit abneh­men­der Grö­ße die Men­ge der Teil­chen stark zunimmt. Spe­zi­ell die­se klei­nen Teil­chen aber gelan­gen beson­ders leicht in die Nah­rungs­ket­ten“, so der Bay­reu­ther Biologe.

Ver­öf­fent­li­chung:

Han­nes K. Imhof et al., Spa­ti­al and tem­po­ral varia­ti­on of macro‑, meso- and micro­pla­stic abun­dance on a remo­te coral island of the Mal­di­ves, Indi­an Oce­an, Mari­ne Pol­lu­ti­on Bul­le­tin (2017), doi: 10.1016/j.marpolbul.2017.01.010.

Master-Stu­di­en­gang ‚Mole­ku­la­re Öko­lo­gie‘ der Uni­ver­si­tät Bayreuth:
www​.uni​-bay​reuth​.de/​d​e​/​s​t​u​d​i​u​m​/​m​a​s​t​e​r​s​t​u​d​i​u​m​/​m​o​l​e​k​u​l​a​r​e​_​o​e​k​o​l​o​gie

Infor­ma­tio­nen zu For­schungs­ar­bei­ten in Süd­deutsch­land und am Gardasee:
www​.uni​-bay​reuth​.de/​d​e​/​u​n​i​v​e​r​s​i​t​a​e​t​/​p​r​e​s​s​e​/​a​r​c​h​i​v​/​2​0​1​4​/​1​6​4​-​M​i​k​r​o​p​l​a​s​t​i​k​.​pdf
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