Euro­päi­scher For­schungs­preis für Bay­reu­ther Meteorologen

Symbolbild Bildung

For­schung soll Licht in die ‚dunk­le Sei­te‘ von Wet­ter und Kli­ma bringen

Prof. Dr. Chri­stoph Tho­mas, Pro­fes­sor für Mikro­me­teo­ro­lo­gie an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth, ist vom Euro­päi­schen For­schungs­rat mit einem ERC Con­so­li­da­tor Grant aus­ge­zeich­net wor­den. Die­ser begehr­te For­schungs­preis ermög­licht es inter­na­tio­nal her­aus­ra­gen­den Wis­sen­schaft­lern, mit einem zukunfts­wei­sen­den Pro­jekt eine eige­ne unab­hän­gi­ge For­schungs­grup­pe auf­zu­bau­en und zu festi­gen. Mit der För­der­sum­me von 1,9 Mio. Euro wird der Bay­reu­ther Wis­sen­schaft­ler in den näch­sten 5 Jah­ren meteo­ro­lo­gi­sche Phä­no­me­ne unter­su­chen, die bis­her buch­stäb­lich im Dun­keln liegen.

Ener­gie und Luft­strö­me in wind­schwa­chen Nächten

Wie sich Licht und Wär­me sowie Was­ser­dampf, Koh­len­di­oxid und auch Luft­schad­stof­fe ober­halb der Erd­ober­flä­che aus­brei­ten und ver­mi­schen, hat einen wesent­li­chen Ein­fluss auf die Lebens­qua­li­tät von Men­schen, Pflan­zen und Tie­ren. Empi­ri­sche Unter­su­chun­gen mit hoch­sen­si­blen Mess­tech­ni­ken, Daten­mo­del­le und bewähr­te Theo­rien haben in den letz­ten Jahr­zehn­ten wich­ti­ge Ein­blicke in die ober­ir­di­schen Trans­por­te von Ener­gie und Luft­be­stand­tei­len ermög­licht. Gleich­wohl beschrän­ken sich die­se Erkennt­nis­se weit­ge­hend auf die ‚hel­le Tages­hälf­te‘, wenn die Son­nen­ein­strah­lung und star­ke Win­de meteo­ro­lo­gi­sche Pro­zes­se in Gang set­zen, antrei­ben und ver­stär­ken. Aber was geschieht nachts, wenn Wär­me- und Luft­strö­mun­gen schwä­cher wer­den und schein­bar zum Erlie­gen kommen?

„Die­se ‚dunk­le Sei­te‘ des meteo­ro­lo­gi­schen Gesche­hens ist längst noch nicht zurei­chend erforscht“, meint Prof. Tho­mas, der 2014 nach einer zehn­jäh­ri­gen For­schungs- und Lehr­tä­tig­keit in den USA an die Uni­ver­si­tät Bay­reuth zurück­ge­kehrt ist. In sei­nem neu­en, vom ERC aus­ge­zeich­ne­ten Pro­jekt mit dem Titel ’Dark­Mix‘ will er genau­er unter­su­chen, was sich in küh­len, wind­schwa­chen Näch­ten im, am und über dem Erd­bo­den abspielt. „Es bil­det sich dann unmit­tel­bar über dem Erd­bo­den eine Schicht, in der sich Wär­me, Luft und dar­in ent­hal­te­ne Bei­men­gun­gen fast nur noch hori­zon­tal bewe­gen, nicht aber ver­ti­kal in dar­über lie­gen­de Schich­ten ent­wei­chen“, so der Bay­reu­ther Wis­sen­schaft­ler. „Dadurch errei­chen die boden­na­hen Kon­zen­tra­tio­nen Spit­zen­wer­te, und wir Men­schen, Tie­re und Pflan­zen sind mit­ten­drin. Die­se Schicht kann einen Zen­ti­me­ter bis zehn Meter dick sein. Oft­mals befin­den sich meh­re­re sol­cher Schich­ten über­ein­an­der, ohne sich zu ver­mi­schen – wie bei einer Tor­te. Momen­tan wis­sen wir nur soviel, dass selbst unse­re besten Trans­port- und Wet­ter­mo­del­le und die ihnen zugrun­de­lie­gen­den Theo­rien hier ver­sa­gen. Was wir brau­chen sind neue Denk­an­sät­ze und Ideen, die auf detail­lier­ten räum­li­chen Beob­ach­tun­gen beru­hen. Dies ist der klas­si­sche Pfad der Wissenschaft.“

Neue Daten­mo­del­le und eine tech­no­lo­gi­sche Innovation

Gemein­sam mit sei­ner Arbeits­grup­pe will er daher einen meteo­ro­lo­gi­schen For­schungs­rah­men erar­bei­ten, der spe­zi­ell auf die beson­de­ren nächt­li­chen Gege­ben­hei­ten zuge­schnit­ten ist. Dabei sol­len erst­mals auch die­je­ni­gen Luft- und Ener­gie­trans­por­te voll ein­be­zo­gen wer­den, die sich – was ihre Grö­ßen­ord­nung betrifft – zwi­schen dem groß­räu­mi­gen Wet­ter­ge­sche­hen der Wet­ter­vor­her­sa­ge und klei­nen Tur­bu­len­z­wir­beln bewe­gen. Neue com­pu­ter­ge­stütz­te Daten­mo­del­le wer­den dazu die­nen, Hypo­the­sen in Bezug auf Wär­me- und Luft­strö­mun­gen empi­risch zu testen; sie sol­len aber zugleich dabei hel­fen, Gesetz­mä­ßig­kei­ten her­aus­zu­fin­den und Pro­gno­sen dar­aus abzuleiten.

Die tech­no­lo­gi­sche Schlüs­sel­in­no­va­ti­on von Dark­Mix ist eine aus opti­schen Glas­fa­sern bestehen­de Mess­ein­rich­tung. Hier kom­men kilo­me­ter­lan­ge, aus der Daten­über­tra­gung bekann­te dün­ne Glas­fa­sern zum Ein­satz. Wenn ein Laser­strahl durch sie hin­durch­ge­lei­tet wird, sind die Fasern in der Lage, selbst schwa­che Ener­gie- und Luft­strö­mun­gen in der wind­schwa­chen Schicht am Boden zu regi­strie­ren. Die Auf­lö­sung beträgt eini­ge Zen­ti­me­ter und ermög­licht somit Beob­ach­tun­gen mit einer bis­lang uner­reich­ten Detail­ge­nau­ig­keit. Die neue Mess­an­la­ge wird so kon­zi­piert sein, dass sie nicht nur die Luft­tem­pe­ra­tur und die Wind­ge­schwin­dig­keit, son­dern erst­mals auch die häu­fig wech­seln­den Wind­rich­tun­gen prä­zi­se erfas­sen kann. „Falls die­se Mess­tech­nik funk­tio­niert, wür­de dies eine mess­tech­ni­sche Revo­lu­ti­on in der Meteo­ro­lo­gie bedeu­ten“, meint Prof. Tho­mas, der die neue Anla­ge als Mess­har­fe (‚sens­ing harp‘) bezeichnet.

Feld­ex­pe­ri­men­te sind an drei Stand­or­ten geplant, die sich topo­gra­phisch und kli­ma­tisch deut­lich unter­schei­den: auf Wie­sen in einem Tal des Wei­ßen­städ­ter Beckens, am hoch­ge­le­ge­nen Wald­stein im Fich­tel­ge­bir­ge sowie auf einer gro­ßen unbe­bau­ten Flä­che im Zen­trum der Stadt Münster.

Immer im Blick­feld: aktu­el­le öko­lo­gi­sche Herausforderungen

“Dark­Mix ist ein sehr ambi­tio­nier­tes Vor­ha­ben und wir kön­nen kei­nes­wegs mit Sicher­heit sagen, ob wir alle For­schungs­zie­le wie geplant errei­chen wer­den. Unser Pro­jekt bie­tet aber die gro­ße Chan­ce, in einem bis­her weit­ge­hend unbe­ach­te­ten Gebiet der Meteo­ro­lo­gie neue Erkennt­nis­se zuta­ge zu för­dern, die für eine Viel­zahl aktu­el­ler gesell­schaft­li­cher und öko­lo­gi­scher Her­aus­for­de­run­gen rele­vant sind. Es freut mich sehr, dass der ERC die­se ‚High risk – High gain’-Forschung för­dert,“ erklärt der preis­ge­krön­te Wis­sen­schaft­ler. Als Bei­spie­le nennt er die urba­ne und länd­li­che Luft­ver­schmut­zung, den Aus­tausch von Treib­haus­ga­sen in der Atmo­sphä­re und sin­ken­de Erträ­ge in der Land­wirt­schaft, die durch extre­me nächt­li­che Käl­te ver­ur­sacht wer­den. „Die vom ERC geför­der­ten For­schungs­ar­bei­ten ver­ste­hen sich daher auch als Teil einer breit ange­leg­ten inter­dis­zi­pli­nä­ren und inter­na­tio­nal aus­ge­rich­te­ten For­schung, die dem Kli­ma­wan­del und sei­nen Fol­gen auf die Spur kom­men will,“ fügt Prof. Tho­mas hinzu.

Zur Per­son

Prof. Dr. Chri­stoph Tho­mas wur­de 1974 in Detmold/​Lip­pe gebo­ren. Nach dem Abitur in Bad Neu­en­ahr-Ahr­wei­ler mach­te er zunächst eine Aus­bil­dung zum Sprach­mitt­ler und arbei­te­te im Bereich Land­wirt­schaft in ver­schie­de­nen Regio­nen der Rus­si­schen Föde­ra­ti­on. 1996 nahm er das Diplom­stu­di­um der Geo­öko­lo­gie an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth auf. In des­sen Ver­lauf absol­vier­te er ein ein­jäh­ri­ges, vom DAAD geför­der­tes Aus­lands­stu­di­um an der Irkuts­ker Land­wirt­schaft­li­chen Aka­de­mie und ein For­schungs­prak­ti­kum am Lim­no­lo­gi­schen Insti­tut der Rus­si­schen Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten am Bai­kal­see. 2005 wur­de er an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth mit einer von Prof. Dr. Tho­mas Foken betreu­ten For­schungs­ar­beit über die Mecha­nis­men des Luft- und Koh­len­stoff­aus­tauschs in Wäl­dern promoviert.

Anschlie­ßend wech­sel­te er als Post­dok­to­rand an die Ore­gon Sta­te Uni­ver­si­ty in Corvallis/​USA. Hier war er ab 2008 zunächst als Assi­stant Pro­fes­sor, danach als Asso­cia­te Pro­fes­sor am Col­lege of Earth, Oce­an and Atmo­sphe­ric Sci­en­ces tätig. Schwer­punk­te in For­schung und Leh­re waren die Meteo­ro­lo­gie von Grenz­schich­ten sowie die Wech­sel­wir­kun­gen zwi­schen Vege­ta­ti­on und Erd­at­mo­sphä­re. Im Jahr 2010 erhielt Prof. Tho­mas den pre­sti­ge­rei­chen Nach­wuchs­for­scher­preis ‚Care­er Award’ der Natio­nal Sci­ence Foun­da­ti­on, der bedeu­tend­sten US ame­ri­ka­ni­schen Orga­ni­sa­ti­on für For­schungs­för­de­rung. Im Okto­ber 2014 kehr­te er an die Uni­ver­si­tät Bay­reuth zurück und über­nahm hier als Nach­fol­ger sei­nes frü­he­ren Dok­tor­va­ters die Pro­fes­sur für Mikrometeorologie.