Arti­kel­se­rie: Ener­gie­wen­de ja – aber wie? 62. Dezen­tra­li­sie­rung durch Eigen­ver­sor­gung – Not­be­trieb bei Netzausfall

Not­be­trieb bei Netz­aus­fall – brau­chen wir so etwas über­haupt? Wir haben doch das sicher­ste Ver­sor­gungs­sy­stem. Die­ses The­ma hat­ten wir schon mal, Kapi­tel 7, 28 und 29. Die sta­ti­sti­sche „Nicht­ver­füg­bar­keit pro Anschluss im Jahr“, ist für Deutsch­land etwa 15 min. In die­sen sta­ti­sti­schen Mit­tel­wert gehen vor allem die zig Mil­lio­nen Haus­hal­te ein, die im Lau­fe eines Jah­res kei­nen Netz­aus­fall hat­ten. Da fal­len die eini­ge Hun­dert­tau­send Haus­hal­te, die viel­leicht 24 Stun­den ohne Netz waren, sta­ti­stisch kaum ins Gewicht. Auch Strom­aus­fäl­le von meh­re­ren Tagen, die aber regio­nal begrenzt sind, fal­len in sol­chen Sta­ti­sti­ken kaum ins Gewicht. Für die betrof­fe­nen Haus­hal­te sind die Fol­gen aber alles ande­re als harmlos.

Die Bun­des­re­gie­rung hat ihre „Kon­zep­ti­on der Zivi­len Ver­tei­di­gung“ von 1995 über­ar­bei­tet und im August 2016 ver­öf­fent­licht (http://​bit​.ly/​1​r​Y​y​wgF). Unter „Zivi­le Ver­tei­di­gung“ sind vor allem Vor­sor­ge­maß­nah­men für Not­si­tua­tio­nen durch extre­me Ereig­nis­se, wie Wet­ter, Hoch­was­ser, Aus­fall von Ver­sor­gungs­ein­rich­tun­gen etc. zu ver­ste­hen. Erst­ma­lig wer­den bei den mög­li­chen Bedro­hun­gen auch „Cyber-Angrif­fe auf kri­ti­sche Infra­struk­tu­ren“ genannt. Unse­re der­zeit immer noch zen­tral orga­ni­sier­te elek­tri­sche Ener­gie­ver­sor­gung ist solch eine „kri­ti­sche Infra­struk­tur“, von der wie­der­um wei­te­re Infra­struk­tu­ren wie Was­ser­ver­sor­gung, Abwas­ser, Zah­lungs­ver­kehr, Kom­mu­ni­ka­ti­on, Lie­fer­ver­kehr usw. abhän­gig sind. Wel­che Aus­wir­kun­gen ein meh­re­re Tage dau­ern­der groß­flä­chi­ger Strom­aus­fall auf unse­re gesam­te Infra­struk­tur hat, wur­de bereits 2011 vom Aus­schuss des Bun­des­ta­ges für Tech­nik­fol­gen­ab­schät­zung ana­ly­siert (Kapi­tel 28, 29). her­un­ter­zu­la­den unter http://​bit​.ly/​2​d​R​M​lIV. Dar­über hin­aus hat das Bun­des­amt für Bevöl­ke­rungs­schutz und Kata­stro­phen­hil­fe spe­zi­ell für Pri­vat­haus­hal­te, zwei Broschüren/​Ratgeber ver­öf­fent­licht, für die Vor­sor­ge für all­ge­mei­ne Not­si­tua­tio­nen (http://​bit​.ly/​2​b​O​r​Hbo) und für Strom­aus­fall (http://​bit​.ly/​1​Q​B​w​gAj). In die­sem wird bereits die Mög­lich­keit der pri­va­ten Not­ver­sor­gung mit elek­tri­scher Ener­gie über eine PV-Anla­ge angesprochen.

Eine Zusam­men­fas­sung der für Pri­vat­haus­hal­te wich­tig­sten Punk­te für die Not­fall­vor­sor­ge fin­det man unter http://​bit​.ly/​1​5​H​l​x7f. Betrach­tet man nur die Trink­was­ser­men­gen, die für einen Not­fall vor­zu­hal­ten emp­foh­le­nen wer­den, so soll man sich auf einen Aus­fall der Was­ser­ver­sor­gung von bis zu 2 Wochen ein­stel­len. Ein sol­cher groß­flä­chi­ger Not­fall, bei dem weder Nach­bar­re­gio­nen noch Super­märk­te einen Trink­was­ser­nach­schub sicher­stel­len kön­nen, kann nur durch einen ent­spre­chend lan­gen und groß­flä­chi­gen Strom­aus­fall ver­ur­sacht werden.

Einen Strom­aus­fall von weni­gen Stun­den kann sicher jeder Haus­halt unbe­scha­det über­ste­hen. Wel­che zusätz­li­chen Risi­ken tre­ten aber bei einem län­ge­ren Strom­aus­fall für einen Haus­halt auf? Zur Erin­ne­rung: Risi­ko ist die „Kom­bi­na­ti­on der Wahr­schein­lich­keit des Ein­tritts eines Scha­dens und sei­nes Scha­dens­aus­ma­ßes“, s.a. Kapi­tel 26. Die Wahr­schein­lich­keit für einen län­ge­ren Strom­aus­fall ist rela­tiv gering. Ursa­chen hier­für sind aber nicht nur, wie bis­her, mensch­li­ches Ver­sa­gen oder extre­me Wet­ter­ereig­nis­se. Heu­te muss man außer­dem mit den erwähn­ten Cyber-Attacken rech­nen. Es gibt kein abso­lut siche­res IT-System. Die Schä­den bei einem Strom­aus­fall über meh­re­re Tage kön­nen recht teu­er und unan­ge­nehm wer­den. Da sind zunächst die Inhal­te der Kühl- und Gefrier­ge­rä­te. Einer­seits sind deren Inhal­te lebens­not­wen­dig, wenn wegen groß­flä­chi­gem Ener­gie­aus­fall die Lie­fer­ket­ten für Ein­zel­han­del und Super­märk­te unter­bro­chen wer­den. Ande­rer­seits sind sie aber bei einem Strom­aus­fall einem schnel­le­ren Ver­derb unter­wor­fen. In der Heiz­pe­ri­ode kommt hin­zu, dass alle klas­si­schen Heiz­sy­ste­me (Öl, Gas‑, Pel­let­kes­sel) ohne Strom nicht funk­ti­ons­fä­hig sind.

War­um also nicht die eige­ne PV-Anla­ge auf dem Dach (Kapi­tel 58 bis 61) für einen Not­be­trieb bei Netz­aus­fall, der Fach­mann spricht auch von „Insel­be­trieb“, zu ertüch­ti­gen, um wenig­stens die wich­tig­sten Funk­tio­nen eines Haus­hal­tes sicher zu stel­len. Zumal der zusätz­li­che Auf­wand hier­für denk­bar gering ist.

Das ent­schei­den­de Ele­ment hier­für ist die Art des Wech­sel­rich­ters. Die­ser hat im Nor­mal­be­trieb die Auf­ga­be, die Gleich­span­nung der Solar­an­la­ge in eine ent­spre­chen­de Wech­sel­span­nung umfor­men, die ins Netz ein­ge­speist wer­den kann. Hier­für muss die Aus­gangs­span­nung des Wech­sel­rich­ters exakt mit der Netz­span­nung syn­chron sein, d.h. sie muss der Span­nungs­hö­he, der Fre­quenz und der Pha­sen­la­ge des Net­zes ange­passt wer­den. Dafür braucht der Wech­sel­rich­ter ein ent­spre­chen­des Füh­rungs­si­gnal (Trig­ger­im­puls), wel­ches er aus der Netz­span­nung gene­riert. Der Fach­mann spricht von einem „netz­ge­führ­ten Wech­sel­rich­ter“. Die­ser Wech­sel­rich­ter­typ war der Stan­dard­wech­sel­rich­ter für die älte­ren PV-Anla­gen, die aus­schließ­lich ihren gesam­ten Strom ins Netz ein­spei­sten. Bei Netz­aus­fall fehlt aber die­ses Füh­rungs­si­gnal und die PV-Anla­ge ist nicht funktionsfähig.

Dane­ben gibt es jedoch Wech­sel­rich­ter, die nicht mit einem vor­han­de­nen Netz syn­chro­ni­siert wer­den müs­sen, und die sich ihr Füh­rungs­si­gnal nach ande­ren Kri­te­ri­en selbst gene­rie­ren. Der Fach­mann spricht vom „selbst­ge­führ­ten Wech­sel­rich­ter“. Die­ser Wech­sel­rich­ter­typ wird in der Indu­strie in gro­ßen Stück­zah­len über­all dort ein­ge­setzt, wo dreh­zahl­ver­än­der­ba­re Antrie­be erfor­der­lich sind. Die­ser Wech­sel­rich­ter­typ kann natür­lich auch die Netz­span­nung für ein klei­nes Netz lie­fern, wel­ches kei­ne Ver­bin­dung zu einem über­ge­ord­ne­ten gro­ßen Netz hat, des­halb auch der Name „Insel­be­trieb“. Dies ist jedoch genau die Situa­ti­on einer Haus­in­stal­la­ti­on (Haus­netz) bei Aus­fall des Versorgungsnetzes.

Für den Not­be­trieb ist also ein selbst­ge­führ­ter Wech­sel­rich­ter erfor­der­lich. Mitt­ler­wei­le gibt es am Markt Wech­sel­rich­ter, die auf bei­de Betriebs­ar­ten umschalt­bar sind. Und eini­ge der am Markt ange­bo­te­nen Kom­plett­sy­ste­me für PV-Anla­gen ent­hal­ten bereits stan­dard­mä­ßig die­sen Wech­sel­rich­ter­typ. Erkenn­bar an For­mu­lie­run­gen in der Pro­dukt­be­schrei­bung wie „für Not­be­trieb vor­be­rei­tet“ oder ähn­li­ches. Was dann noch zusätz­lich not­wen­dig ist, ist ein simp­ler Schal­ter, der das Haus­netz ein­deu­tig von dem Ver­sor­gungs­netz trennt und so prak­tisch die „Insel“ herstellt.

Sicher wird man mit solch einer Not­ver­sor­gung nicht sei­nen nor­ma­len Strom­be­darf decken kön­nen. Der Lade­zu­stand der Bat­te­rie beim Ein­tritt des Not­falls ist nicht vor­her­seh­bar. Der Ener­gie­nach­schub durch die Son­ne ist u.U. auch ein­ge­schränkt. Aber mit einem sorg­sa­men Ein­satz der zur Ver­fü­gung ste­hen­den Ener­gie aus der Bat­te­rie, nur um die wich­tig­sten Funk­tio­nen not­dürf­tig zu betrei­ben, kann man sicher grö­ße­re Schä­den und Unan­nehm­lich­kei­ten begrenzen.

Eini­ge Her­stel­ler von Kom­plett­sy­ste­men sehen einen zusätz­li­chen Anschluss für eine wei­te­re klei­ne Strom­quel­le vor. Hier bie­ten sich ins­be­son­de­re sol­che Ener­gie­quel­len an, wel­che die PV-Anla­ge in son­nen­ar­men Peri­oden ergän­zen kön­nen. Über das Ener­gie­ma­nage­ment­sy­stem wird die­se Ener­gie dazu benutzt in der Bat­te­rie evtl. feh­len­de Ladung zu ergän­zen. Es geht dar­um, den in der PV-Anla­ge inte­grier­ten Ener­gie­spei­cher auch in son­nen­ar­men Peri­oden zu nut­zen. Dies erhöht einer­seits den Aut­ar­kie­grad, ande­rer­seits gibt dies auch mehr Sicher­heit für eine aus­rei­chen­de Not­ver­sor­gung bei Netz­aus­fall. Hier­zu mehr im näch­sten Kapitel.