Voll­ver­samm­lung der HWK: Bericht des Prä­si­den­ten Tho­mas Zimmer

Lie­be Kol­le­gin­nen und Kollegen,
wir leben in wider­sprüch­li­chen Zei­ten. Es geht uns in Deutsch­land gut – eine nied­ri­ge Arbeits­lo­sig­keit, gestie­ge­ne Real­löh­ne und ein ordent­li­ches Wachs­tum. Aber die Geschich­te hielt in jüng­ster Zeit auch eini­ge Über­ra­schun­gen für uns bereit – von der labi­len Welt­wirt­schaft über die wei­ter schwe­len­de Euro­kri­se; die Ent­schei­dung der bri­ti­schen Bevöl­ke­rung für einen Aus­tritt aus der EU, bis hin zu den Atten­ta­ten im Som­mer in Mün­chen und Würz­burg und vor weni­gen Tagen die Wahl in den USA.

Ich glau­be, dass sich vie­le Men­schen fra­gen, wie unse­re Zukunft aus­sieht und ob es uns auch wei­ter so gut gehen wird.

Mei­ner Mei­nung nach sind es v. a. die schnel­len Ver­än­de­run­gen in allen Berei­chen unse­rer Gesell­schaft und unse­rer Wirt­schaft. Den­ken Sie nur an unse­re glo­ba­li­sier­te Welt und Märk­te oder an die Welt der Digi­ta­li­sie­rung und der sozia­len Netz­wer­ke im Inter­net. Vie­le die­ser Ver­än­de­run­gen sind abstrakt und nicht rich­tig greifbar.

Und auch des­halb wächst das Gefühl von Unsi­cher­heit. Der erwähn­te Brexit ist eben­so ein deut­li­ches Signal, dass in der EU etwas nicht stimmt, wie die Unei­nig­keit in der Flücht­lings­fra­ge. Über­bü­ro­kra­ti­sie­rung und Über­re­gu­lie­rung haben in der Ver­gan­gen­heit die Skep­sis der Bür­ger gegen­über Euro­pa wach­sen las­sen. In einer sol­chen Situa­ti­on gibt es schnell Rufe nach einem „star­ken Mann“.

Dr. Wolf­gang Schäub­le drückt es so: Das ist eine Gemenge­la­ge, in der die Sehn­sucht nach mar­ki­gen und ein­fa­chen Ant­wor­ten stär­ker wird, eine Zeit für Dem­ago­gen. In die­ser wider­sprüch­li­chen Lage muss die demo­kra­ti­sche Poli­tik Ant­wor­ten fin­den und Chan­cen eröff­nen, damit wir auch in der Zukunft fried­lich zusam­men­le­ben und unse­ren Wohl­stand dau­er­haft bewah­ren können.

Lie­be Kol­le­gin­nen und Kollegen,
unser Land ver­än­dert sich. Das war schon immer so und das wird auch wei­ter gesche­hen; aber Aus­maß und Geschwin­dig­keit der Ver­än­de­run­gen schei­nen zuzunehmen.

Wir im Hand­werk haben uns schon immer den Ver­än­de­run­gen gestellt. Das wird uns wie­der gelin­gen. Was wir im Hand­werk dazu brau­chen ist Ver­läss­lich­keit, Ver­trau­en und ver­nünf­ti­ge Rah­men­be­din­gun­gen und Struk­tu­ren. Und dem Mit­tel­stand, der das wirt­schaft­li­che Herz­stück in Deutsch­land und Euro­pas ist, muss wie­der ver­stärkt Auf­merk­sam­keit geschenkt wer­den. Jetzt müs­sen die poli­ti­schen Wei­chen für eine Fort­set­zung der beschrie­be­nen Ent­wick­lung und Erfolgs­ge­schich­te in Deutsch­land und Euro­pa gestellt werden.

Lie­be Kol­le­gin­nen und Kollegen,
umso erfreu­li­cher ist es, dass das Hand­werk in Ober­fran­ken Sta­bi­li­tät garan­tiert und uns mit einer sehr guten Kon­junk­tur posi­tiv über­rascht. Die Stim­mung in den Betrie­ben ist hervorragend.

Von Som­mer­pau­se kei­ne Spur: Im III. Quar­tal 2016 leg­ten die ober­frän­ki­schen Hand­werks­be­trie­be noch­mals merk­lich zu und berich­ten von einer her­vor­ra­gen­den Kon­junk­tur. 37 % spre­chen von einer befrie­di­gen­den und sogar 53 % von einer guten Geschäfts­la­ge. Die Hand­werks­kon­junk­tur bleibt in Fahrt. Vor allem nied­ri­ge Ener­gie- und Ein­kaufs­prei­se, sta­bi­le Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis­se wie auch eine hohe Wett­be­werbs­fä­hig­keit der ober­frän­ki­schen Betrie­be sind Grün­de für die­se Entwicklung.

Die wei­ter­hin hohe Inlands­nach­fra­ge – vor allem im Bau­be­reich – schlägt sich direkt auf die Aus­la­stung der Betrie­be nie­der. Die der­zeit hohe Kapa­zi­täts­aus­la­stung von durch­schnitt­lich 80 % wur­de zuletzt im Jah­re 1992 erreicht.
Die vol­len Auf­trags­bü­cher sor­gen eben­so für einen äußerst robu­sten Arbeits­markt. 70,5 % der Inha­ber haben ihre Per­so­nal­decke kon­stant gehal­ten, jeder Fünf­te hat sie sogar erhöht. Über 90 % möch­ten auch in den näch­sten drei Mona­ten ihre Mit­ar­bei­ter hal­ten oder sogar Neue einstellen.

Den der­zeit sehr guten kon­junk­tu­rel­len Rah­men­be­din­gun­gen ste­hen aller­dings auch Wachs­tums­hemm­nis­se gegen­über. Denn hohe Auf­trags­reich­wei­ten bedeu­ten im Umkehr­schluss län­ge­re War­te­zei­ten für den Kun­den. Der Bedarf an Fach­kräf­ten ist hoch, Stel­len kön­nen aber häu­fig nicht aus­rei­chend besetzt wer­den. Den Fach­kräf­te­be­darf der Zukunft zu decken, bleibt damit die größ­te Her­aus­for­de­rung der kom­men­den Jah­re, wobei die Markt­chan­cen für Aus­zu­bil­den­de her­vor­ra­gend sind.

Lie­be Kol­le­gin­nen und Kollegen,
ein­gangs habe ich es bereits erwähnt. Es ist drin­gend erfor­der­lich, dass die Gestal­tung der Rah­men­be­din­gun­gen für die Wirt­schaft, ins­be­son­de­re den Mit­tel­stand, wie­der in den Mit­tel­punkt der Poli­tik rückt. Die gute wirt­schaft­li­che Situa­ti­on in Deutsch­land hat zu Nach­läs­sig­kei­ten geführt. Dies geht zu Lasten der Wider­stands­kraft unse­rer Wirt­schaft gegen­über mög­li­chen Turbulenzen.

Die fünf Wirt­schafts­wei­sen brin­gen es mit dem Titel ihres Jah­res­gut­ach­tens 2016/2017 für Deutsch­land auf den Punkt: „Zeit für Reformen“!
Aus ihrer Sicht hat die Bun­des­re­gie­rung „die gute öko­no­mi­sche Ent­wick­lung der ver­gan­ge­nen Jah­re nicht aus­rei­chend für Refor­men genutzt“. Die Wirt­schafts­wei­sen mah­nen die Wirt­schafts­po­li­tik, sich stär­ker „an der Wett­be­werbs- und Zukunfts­fä­hig­keit der deut­schen Volks­wirt­schaft“ zu orientieren.

Anders als bei­spiels­wei­se die Euro­päi­sche Kom­mis­si­on oder der Inter­na­tio­na­le Wäh­rungs­fonds hal­ten die Wirt­schafts­wei­sen es für falsch, mit zusätz­li­chen Staats­aus­ga­ben die Kon­junk­tur wei­ter zu beför­dern. Die Vor­ga­be lau­tet ganz klar: kei­ne neu­en Schul­den. Sie emp­feh­len steu­er­li­che Anrei­ze, um pri­va­te Inve­sti­tio­nen und Wert­schöp­fun­gen zu sti­mu­lie­ren. Dazu sol­len die Ein­kom­men­steu­er und Unter­neh­mens­be­steue­rung refor­miert und die kal­te Pro­gres­si­on voll abge­baut wer­den. Ich befür­wor­te dies.

Das Hand­werk begrüßt es eben­falls, dass in den ver­gan­ge­nen Wochen die Not­wen­dig­keit von Steu­er­ent­la­stun­gen ver­stärkt the­ma­ti­siert wur­de. Das Sta­ti­sti­sche Bun­des­amt mel­de­te einen staat­li­chen Finan­zie­rungs­über­schuss von 18,5 Mil­li­ar­den Euro für das 1. Halb­jahr 2016. Vor­han­de­ne Spiel­räu­me müs­sen wir in Deutsch­land nut­zen, um Steu­ern zu sen­ken, Inve­sti­tio­nen zu erleich­tern und um damit wett­be­werbs­fä­hig zu bleiben.

Lie­be Kol­le­gin­nen und Kollegen,
lan­ge haben unse­re Betrie­be auf eine Eini­gung bei der Erb­schaft­steu­er war­ten müs­sen. Von die­ser Reform hängt nicht mehr und nicht weni­ger als der Gene­ra­ti­ons­wech­sel im Hand­werk ab. Wir begrü­ßen den gefun­de­nen Kom­pro­miss bei der Erb­schaft­steu­er­re­form – ein Kom­pro­miss, mit dem das Hand­werk leben kann. Ent­schei­dend ist, dass wir nun hof­fent­lich eine ver­fas­sungs­fe­ste Rege­lung bekom­men und die mei­sten Hand­werks­be­trie­be wei­ter­hin mit kei­ner bzw. nur gerin­ger Erb­schaft­steu­er­be­la­stung an die näch­ste Gene­ra­ti­on über­tra­gen wer­den kön­nen. Beson­ders freut uns, dass mit der Anhe­bung der sog. Nicht­auf­griffs­gren­ze von drei auf nun fünf Beschäf­tig­te die büro­kra­ti­schen Bela­stun­gen für die Ermitt­lung der Erb­schaft­steu­er noch­mals leicht gesenkt wur­den. Damit greift die Bun­des­re­gie­rung eine unse­rer zen­tra­len For­de­run­gen auf. Kon­kret bedeu­tet dies, dass für bis zu fünf Beschäf­tig­te kein Lohn­sum­men­nach­weis erfor­der­lich ist.

Lie­be Kol­le­gin­nen und Kollegen,
ein Kern­the­ma die­ses Jahr war und bleibt auch zukünf­tig der Zustrom von Flücht­lin­gen und deren Inte­gra­ti­on in Deutsch­land. Im lau­fen­den Jahr hat sich zwar – nicht zuletzt wegen des Abkom­mens mit der Tür­kei – die Zahl der Zuwan­de­rer deut­lich ver­rin­gert. Den­noch ste­hen wir wei­ter vor der Her­aus­for­de­rung, die Flücht­lin­ge in die Gesell­schaft und das Arbeits­le­ben zu inte­grie­ren. Eine Aus­bil­dung im Hand­werk ist hier eine gro­ße Chan­ce für jun­ge Geflüchtete.

Durch das Inte­gra­ti­ons­ge­setz auf Bun­des­ebe­ne, das Anfang August 2016 in Kraft getre­ten ist, wur­de bei der Gestal­tung des recht­li­chen Rah­mens für die Inte­gra­ti­on von Flücht­lin­gen ein deut­li­cher Fort­schritt erzielt. Für das Hand­werk von beson­de­rem Inter­es­se ist, dass Gedul­de­te für die Gesamt­dau­er der Aus­bil­dung ein Blei­be­recht bekom­men und anschlie­ßend noch min­de­stens zwei Jah­re im erlern­ten Beruf ein­ge­setzt wer­den kön­nen. Die­se Rege­lun­gen müs­sen so wei­ter bestand haben. Ander­wei­ti­ge Über­le­gun­gen oder Ein­schrän­kun­gen füh­ren dazu, dass Betrie­be bei der Inte­gra­ti­on von Flücht­lin­gen durch Aus­bil­dung deut­lich zurück­hal­ten­der wer­den, weil letzt­lich Büro­kra­tie und Unsi­cher­heit stei­gen. Ich sage es ganz deut­lich: Betrie­be, die jun­ge Flücht­lin­ge aus­bil­den, brau­chen einen ver­läss­li­chen und kal­ku­lier­ba­ren Rahmen.

Uns, dem gan­zen Hand­werk, ist es genau­so wich­tig, dass jun­ge Flücht­lin­ge eine regu­lä­re Aus­bil­dung bekom­men. Denn nur mit einer fun­dier­ten Aus­bil­dung wird es gelin­gen, sie erfolg­reich in die Arbeits­welt zu inte­grie­ren. Wir ertei­len einer Schmal­spur­aus­bil­dung oder einer Teil­qua­li­fi­ka­ti­on eine kla­re Absa­ge. Denn das Hand­werk braucht qua­li­fi­zier­te Fach­kräf­te, die ihren gan­zen Beruf beherrschen.

Lie­be Kol­le­gin­nen und Kollegen,
wir haben ein star­kes Hand­werk in Ober­fran­ken: Geschäfts­la­ge, Umsatz­ent­wick­lung, Ein­stel­lungs- und Inve­sti­ti­ons­be­reit­schaft der Betrie­be zei­gen, dass es dem Hand­werk wirt­schaft­lich sehr gut geht.

Auf der ande­ren Sei­te berei­tet mir Sor­ge, dass immer mehr Betrie­be von Schwie­rig­kei­ten bei der Suche nach Fach­kräf­ten und Aus­zu­bil­den­den berich­ten. Die­se Pro­ble­me ent­wickeln sich zuneh­mend zur Wachs­tums­brem­se für das Hand­werk und auch für die gesam­te Wirtschaft.

Wir wis­sen alle, das Fach­kräf­te­pro­blem ist kei­ne tem­po­rä­re Her­aus­for­de­rung und es gibt vie­le Ursa­chen, die zu die­ser Ent­wick­lung geführt haben. Demo­gra­fi­scher Wan­del, Aka­de­mi­sie­rung der Bil­dung, ver­än­der­te Berufs­vor­stel­lun­gen von Jugend­li­chen und ihren Eltern bewir­ken, dass es nicht ein­fa­cher wird, Men­schen von einer Zukunft im Hand­werk oder für eine ande­re beruf­li­che Aus­bil­dung zu überzeugen.

Aber gera­de das Hand­werk lebt von sei­nen Men­schen: Ob Unter­neh­mer, Gesel­len oder Auszubildende.

Für ein star­kes Hand­werk in der Zukunft müs­sen wir attrak­tiv aus­bil­den und Nach­wuchs gewin­nen. Denn nur, wenn wir genü­gend Jugend­li­che für das Hand­werk begei­stern, kön­nen wir unse­ren Nach­wuchs sichern. Eine attrak­ti­ve Aus­bil­dung bedeu­tet, dass wir gute Fach­kräf­te für das Hand­werk gewin­nen. Wenn wir unse­ren Nach­wuchs und unse­re Arbeit­neh­mer mit hoher Qua­li­tät wei­ter­bil­den, ste­hen uns aus­rei­chend qua­li­fi­zier­te Fach- und Füh­rungs­kräf­te in den Betrie­ben zur Ver­fü­gung. Die­se Füh­rungs­kräf­te sind auch poten­zi­el­le Nach­fol­ger, wenn wir an das wich­ti­ge The­ma Unter­neh­mens­nach­fol­ge denken.

Uns ist sehr wohl bewusst, dass wir unse­re Akti­vi­tä­ten zur Gewin­nung von Berufs­nach­wuchs an alle Jugend­li­chen rich­ten müs­sen. Des­halb gibt es bei uns das Kon­zept unse­rer Berufs­mes­sen. Ziel­grup­pe sind Schü­ler aus Abschluss­klas­sen aller Schu­len. Die­ses Kon­zept kam auch die­ses Jahr wie­der sehr gut an. Ins­ge­samt waren in Ober­fran­ken 4.000 Schü­le­rin­nen und Schü­ler, Leh­rer und Eltern in unse­ren Bil­dungs­zen­tren. An 28 Sta­tio­nen konn­ten die jun­gen Besu­cher sägen, boh­ren, häm­mern, am Com­pu­ter arbei­ten, backen, schrau­ben und mau­ern und so das Hand­werk live erle­ben und vie­le Hand­werks­be­ru­fe per­sön­lich kennenlernen.

Mein beson­de­rer Dank geht an die­ser Stel­le an die Innun­gen, Kreis­hand­wer­ker­schaf­ten und Betrie­be, die sich aktiv an den Berufs­mes­sen Hand­werk in Bam­berg, Bay­reuth, Hof und Coburg betei­ligt haben und sich für die Aus­bil­dung im Hand­werk engagieren!

Lie­be Kol­le­gin­nen und Kollegen,
in rund 100 Beru­fen tra­ten auch die­ses Jahr wie­der Jung­hand­wer­ke­rin­nen und Jung­hand­wer­ker aus den ein­zel­nen Kam­mer­be­zir­ken gegen­ein­an­der an und ermit­tel­ten die jeweils Besten ihres Berufs. Im Jahr 2016 haben die ober­frän­ki­schen Jung­hand­wer­ker beim Lei­stungs­wett­be­werb mit 12 ober­frän­ki­schen Lan­des­sie­ge­rin­nen und Lan­des­sie­gern her­vor­ra­gend abge­schnit­ten und damit sogar das beste ober­frän­ki­sche Ergeb­nis über­haupt in der Geschich­te des Lei­stungs­wett­be­werbs erreicht.

Unse­re 12 Lan­des­sie­ge­rin­nen und Lan­des­sie­ger und 2 Bun­des­sie­ger haben das Mot­to der Image­kam­pa­gne „Die Zukunft ist unse­re Bau­stel­le“ bereits lei­den­schaft­lich umge­setzt. Sie haben gezeigt, dass sie ihr Hand­werk beson­ders gut ver­ste­hen. Sie sind die besten Nach­wuchs­ta­len­te, die das Hand­werk in Ober­fran­ken hat. Unse­re Lan­des­sie­ge­rin­nen und Lan­des­sie­ger sind die Speer­spit­ze des Hand­werks­nach­wuch­ses 2016 in Oberfranken.

Bei den Besu­chen bei unse­ren Lan­des­sie­gern, erle­be ich ihre Lei­den­schaft. Auf die­se jun­gen Hand­wer­ker dür­fen wir alle stolz sein. Sie sind Vor­bil­der und die besten Bot­schaf­ter für das Hand­werk in Oberfranken.

Lie­be Kol­le­gin­nen und Kollegen,
der Erfolg unse­res ober­frän­ki­schen Nach­wuchs­kon­zep­tes und der Nach­wuchs­kam­pa­gne des deut­schen Hand­werks gibt uns ja auch Recht. Bis­her ist die Ent­wick­lung am Aus­bil­dungs­markt für das Hand­werk sehr erfreu­lich. Aktu­ell regi­strie­ren wir in Ober­fran­ken über 2.300 neu abge­schlos­se­ne Lehr­ver­trä­ge im Hand­werk. Das sind 2,6 % mehr als im Vor­jahr. Das ist ein Ergeb­nis unse­rer gemein­sa­men Anstren­gung, das Image des Hand­werks und damit unse­re Attrak­ti­vi­tät zu steigern.

Aber wir müs­sen dran­blei­ben: Zahl­rei­chen Hand­werks­be­trie­ben gelingt es nicht, jun­ge Men­schen für eine Aus­bil­dung zu gewin­nen. Auch in die­sem Jahr kön­nen zahl­reich ange­bo­te­ne Lehr­stel­len nicht besetzt werden.

Lie­be Kol­le­gin­nen und Kollegen,
auch die Quo­te der Stu­die­ren­den betrach­te ich durch­aus kri­tisch: Lag sie im Jahr 2006 noch bei knapp 35 %, so ist sie in den letz­ten zehn Jah­ren auf 58 % gestie­gen. Die­se mas­si­ve Zunah­me an Stu­die­ren­den geht zu Lasten der beruf­li­chen Bil­dung. Der Trend zur aka­de­mi­schen Bil­dung bedeu­tet für uns, dass wir nicht nach­las­sen dür­fen, die Attrak­ti­vi­tät einer Aus­bil­dung im Hand­werk zu verbessern.

Lie­be Kol­le­gin­nen und Kollegen,
um unser Hand­werk und unse­re Aus­bil­dung noch attrak­ti­ver zu machen, arbei­ten wir seit eini­ger Zeit an einem Kon­zept zusam­men mit der Uni­ver­si­tät Bam­berg und der Hoch­schu­le Coburg zur Koope­ra­ti­on im Bereich der Denk­mal­pfle­ge. Wir wol­len einen baye­ri­schen Kom­pe­tenz­ver­bund im Bereich der Denk­mal­pfle­ge schaf­fen, in dem Uni­ver­si­tä­ten, Hoch­schu­len und das baye­ri­sche Hand­werk zur Kul­tur­gut­si­che­rung zusam­men­ar­bei­ten. Wir haben eine gan­ze Rei­he von natio­nal und inter­na­tio­nal erfolg­rei­chen und spe­zia­li­sier­ten Unter­neh­men im Bereich der Denk­mal­pfle­ge mit einem gro­ßen Schwer­punkt in Bam­berg, wir haben die Kom­pe­tenz­zen­tren des Hand­werks in ganz Bay­ern, so z.B. das Euro­päi­sche Fort­bil­dungs­zen­trum für das Stein­metz­hand­werk in Wun­sie­del und wir haben einen gemein­sa­men Master­stu­di­en­gang der Uni­ver­si­tät Bam­berg und der Hoch­schu­le Coburg. Was alle die­se Part­ner benö­ti­gen ist eine enge­re Ver­zah­nung im Rah­men eines bun­des­weit ein­ma­li­gen Kom­pe­tenz­ver­bun­des „Kom­pe­tenz­zen­trum für Denk­mal­wis­sen­schaf­ten und Denk­mal­tech­no­lo­gien“ in Bam­berg. Was bis­her aber noch als Bau­stein fehlt ist die Unter­stüt­zung durch die Baye­ri­sche Staats­re­gie­rung. Mit einem sol­chen kon­kre­ten Pro­jekt wür­de es gelin­gen, das Ziel „Wirt­schaft und Wis­sen­schaft“ zusam­men­zu­brin­gen, ent­schei­dend voranzutreiben.

Lie­be Kol­le­gin­nen und Kollegen,
Wir müs­sen dar­auf ach­ten, dass Berufs­bil­dung nicht als Sack­gas­se gese­hen wird. Wer sich für eine dua­le Aus­bil­dung im Hand­werk ent­schei­det, der soll zu jedem Zeit­punkt wis­sen, dass ihm viel­fäl­ti­ge Kar­rie­re­mög­lich­kei­ten offen stehen.

Und wir haben die­se Kar­rie­re­mög­lich­kei­ten, ich nen­ne hier z. B. den Kfz-Ser­vice­tech­ni­ker, den Mei­ster oder den Betriebs­wirt im Hand­werk, der gleich­wer­tig ist mit dem Master an Hoch­schu­len. Ich glau­be, mit die­ser Posi­tio­nie­rung haben wir einen wich­ti­gen Mei­len­stein in der Gleich­wer­tig­keits­de­bat­te mit der Hoch­schu­le erreicht. Wir müs­sen wei­ter Stär­ke in der beruf­li­chen Fort­bil­dung zei­gen und die­se weiterentwickeln.

Denn dar­um geht es mir: Die beruf­li­che Aus- und Fort­bil­dung muss wie­der zu einer ech­ten Alter­na­ti­ve gegen­über den aka­de­mi­schen Abschlüs­sen – Bache­lor und Master – werden.

Lie­be Kol­le­gin­nen und Kollegen,
um die­se Her­aus­for­de­run­gen mei­stern zu kön­nen, muss star­ke beruf­li­che Bil­dung auch star­ke Bil­dungs­fi­nan­zie­rung bedeu­ten. Wir beob­ach­ten, dass die Bun­des­re­gie­rung ihren Fokus in den ver­gan­ge­nen Jah­ren vor allem auf die Stär­kung der aka­de­mi­schen Bil­dung gelegt hat. So wur­den allei­ne der Qua­li­täts­pakt Leh­re für Hoch­schu­len mit 2 Mil­li­ar­den Euro und der Hoch­schul­pakt mit 20,2 Mil­li­ar­den Euro För­der­vo­lu­men finan­ziert. Die­se Ungleich­be­hand­lung von aka­de­mi­scher und beruf­li­cher Bil­dung muss aufhören.

Ein ande­res Bei­spiel hier­zu: Wäh­rend über das Stu­die­ren­den-Bafög mit dem Bache­lor und dem Master zwei Abschlüs­se im ter­tiä­ren Bil­dungs­be­reich för­der­fä­hig sind, gilt die För­der­fä­hig­keit in der Berufs­bil­dung über das Mei­ster-Bafög ledig­lich für einen Abschluss.

Ich sage es noch­mals in aller Deut­lich­keit: Die Gleich­wer­tig­keit der beruf­li­chen und aka­de­mi­schen Bil­dung muss sich end­lich auch in der finan­zi­el­len Aus­stat­tung niederschlagen.

Gera­de unse­re beruf­li­chen Bil­dungs­zen­tren sehen sich enor­men Her­aus­for­de­run­gen gegen­über, die nur auf einer soli­den finan­zi­el­len Grund­la­ge bewäl­tigt wer­den kön­nen. Sie müs­sen einer­seits neue Ziel­grup­pen wie z. B. Geflüch­te­te oder Jugend­li­che mit beson­de­rem För­der­be­darf erschlie­ßen und inte­grie­ren, ande­rer­seits auch inno­va­ti­ve Ange­bo­te zum Ler­nen in einer digi­ta­len Welt bereit­stel­len. Dies erfor­dert nicht nur bau­li­che Inve­sti­tio­nen, son­dern auch fort­lau­fen­de Inve­sti­tio­nen in die Aus­stat­tung – mit neu­en digi­ta­len Technologien.

Lie­be Kol­le­gin­nen und Kollegen,
wir hören es tag­täg­lich: Digi­ta­li­sie­rung ist Zukunft. Ich sage: Die Digi­ta­li­sie­rung ist längst schon Gegen­wart. Die Digi­ta­li­sie­rung durch­dringt inzwi­schen alle Lebens­be­rei­che und nimmt in Wirt­schaft und Gesell­schaft einen immer wich­ti­ge­ren Raum ein.

Als Hand­werk sind wir es gewohnt, Ver­än­de­run­gen mit­zu­ge­stal­ten. Ich sehe die Digi­ta­li­sie­rung als Chan­ce: als Inno­va­ti­ons­trei­ber und als Weg­be­rei­ter für neue Pro­duk­te, für neue Dienst­lei­stun­gen und für neue Märk­te und Kunden.

Dazu nur eini­ge Bei­spie­le aus der Wirklichkeit:

  • Der Maler­be­trieb, der eine Online-Farb­be­ra­tung betreibt und dann natür­lich auch die pass­ge­nau­en Farb­mi­schun­gen anbietet.
  • Der Schrei­ner, der die inter­net­ge­stütz­te Kon­fi­gu­ra­ti­on von Möbel­stücken anbietet.
  • In zahl­rei­chen Hand­werks­bran­chen vom Werk­zeug­bau bis zum Ortho­pä­die­tech­ni­ker bie­tet der 3D-Druck inter­es­san­te Ansatzpunkte.
  • In Braue­rei­en bie­tet z. B. der Ein­zug von RFID-Sen­dern neue Mög­lich­kei­ten der Lager­ver­wal­tung und Logistik.
  • Der Dach­decker nutzt die Droh­ne zur Begut­ach­tung des Daches, spart damit Zeit und dem Kun­den Kosten.
  • Die Achs­ver­mes­sung an Fahr­zeu­gen erfolgt immer mehr digital.

Bereits anhand die­ser weni­gen Bei­spie­le sehen Sie: Im Hand­werk hält die Digi­ta­li­sie­rung in jeweils sehr unter­schied­li­chen Dimen­sio­nen Ein­zug. Bei der Geschwin­dig­keit, auf der das Hand­werk dem Digi­ta­li­sie­rungs­pfad folgt, unter­schei­den wir uns nicht von den ande­ren Wirt­schafts­be­rei­chen: Vom beson­ders Wage­mu­ti­gen bis zum Zögernden.

Mit unse­rem bun­des­wei­ten „Kom­pe­tenz­zen­trum Digi­ta­les Hand­werk“ beglei­ten wir unse­re Betrie­be auf ihrem Digi­ta­li­sie­rungs­weg und wir wol­len sie in Ober­fran­ken für die Rele­vanz der Digi­ta­li­sie­rung und für die unter­neh­me­ri­sche Zukunft sensibilisieren.

Als bun­des­wei­tes „Kom­pe­tenz­zen­trum Digi­ta­les Hand­werk“ unter­stüt­zen wir unse­re Betrie­be bei der Bewäl­ti­gung der Her­aus­for­de­run­gen des Digi­ta­len Wan­dels. Gemein­sam mit Part­nern aus Wis­sen­schaft und Pra­xis bie­ten wir konkret

  • Semi­na­re und Informationsveranstaltungen
  • Schu­lun­gen und „Live-Demon­stra­tio­nen“
  • Unter­stüt­zung bei der Ein­füh­rung und Nut­zung von Pro­duk­ti­ons- und Auto­ma­ti­sie­rungs­tech­no­lo­gien in den Betrieben
  • Infor­ma­ti­ons­aus­tausch mit ande­ren Betrieben.

Unser Kom­pe­tenz­zen­trum fun­giert dabei als Ideen­ge­ber und Werk­statt und wird ergänzt durch Leucht­turm­be­trie­be mit digi­ta­len Vor­zei­ge­pro­jek­ten bei denen ande­re Unter­neh­men die Mög­lich­kei­ten der Digi­ta­li­sie­rung auch „live“ vor Ort erle­ben und erfah­ren können.

Auf baye­ri­scher Ebe­ne erhal­ten wir durch die Baye­ri­sche Staats­re­gie­rung bei der Bewäl­ti­gung der Her­aus­for­de­run­gen tat­kräf­ti­ge Unter­stüt­zung. So ent­ste­hen in Bam­berg und Hof zwei „Digi­ta­le Grün­der­zen­tren“. Ziel ist es, durch die Koope­ra­ti­on mit Hoch­schu­le und Wirt­schaft sowie Unter­stüt­zung der Kom­mu­ne „digi­ta­le“ Grün­der zu för­dern. Aber die Infra­struk­tur soll auch bestehen­den Unter­neh­men zugu­te­kom­men. Mit bei­den Zen­tren wer­den wir als Koope­ra­ti­ons­part­ner zusam­men­ar­bei­ten und auch ziel­ge­rich­tet Ange­bo­te für unse­re Hand­werks­be­trie­be entwickeln.

Dar­über hin­aus wur­de in Bay­ern mit dem neu­en Digi­talbo­nus ein För­der­pro­gramm für klei­ne und mitt­le­re Unter­neh­men geschaf­fen. Die maxi­ma­len Zuschüs­se für Unter­neh­men betra­gen je nach Typ des Digi­talbo­nus 10.000 bzw. 50.000 Euro. Außer­dem ist für grö­ße­re Vor­ha­ben und Inve­sti­tio­nen eine zusätz­li­che Kre­dit­va­ri­an­te vor­ge­se­hen. Das neue För­der­pro­gramm deckt ein sehr brei­tes För­der­spek­trum ab: Ver­bes­se­rung und Ent­wick­lung IT-basier­ter Pro­duk­te, Pro­zes­se und Dienst­lei­stun­gen, Aus­bau von IT-Sicher­heit sowie Anpas­sung und Migra­ti­on von IT-Anwen­dun­gen. Das För­der­pro­gramm ist vor weni­gen Tagen gestar­tet und noch in die­sem Jahr kön­nen Betrie­be erste Anträ­ge stel­len. In den kom­men­den Wochen wer­den wir im Rah­men von Infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tun­gen unse­re Betrie­be dar­über gezielt infor­mie­ren und das För­der­pro­gramm vorstellen.

Lie­be Kol­le­gin­nen und Kollegen,
las­sen Sie mich noch einen ganz beson­de­ren „Rit­ter­schlag“ ver­kün­den, den wir Anfang Novem­ber in Mün­chen erhal­ten haben. Die „Baye­ri­sche Brau­tra­di­ti­on nach dem Rein­heits­ge­bot“ gehört dazu, die Pas­si­ons­spie­le Ober­am­mer­gau, die Töl­zer Leon­har­di­fahrt, die Flecht­hand­werk­s­tra­di­ti­on oder das Wun­sied­ler Brun­nen­fest: sie alle sind imma­te­ri­el­les Kul­tur­er­be in Bay­ern. Jetzt gehört auch die Genuss­re­gi­on Ober­fran­ken mit ihren Aktio­nen zur Bewah­rung und För­de­rung der tra­di­tio­nel­len Spe­zia­li­tä­ten­viel­falt in Ober­fran­ken dazu.

Damit ist die ober­frän­ki­sche Spe­zia­li­tä­ten­viel­falt Teil baye­ri­scher Iden­ti­tät. Kul­tus­mi­ni­ster Spaen­le hat es so aus­ge­drückt: „In Ober­fran­ken gibt es eine gro­ße Fül­le kuli­na­ri­scher Beson­der­hei­ten, mit denen häu­fig sorg­sam gepfleg­te Bräu­che und ihre krea­ti­ve Wei­ter­ent­wick­lung ver­bun­den sind. Die kuli­na­ri­sche Iden­ti­tät ist nicht nur ein Stück Geschich­te, son­dern all­seits gepfleg­te kul­tu­rel­le Gegen­wart und Teil der Iden­ti­tät der Men­schen. Der Ver­ein „Genuss­re­gi­on Ober­fran­ken“ und die Hand­werks­kam­mer für Ober­fran­ken doku­men­tie­ren die­ses kuli­na­ri­sche Erbe übergreifend.“

Lie­be Kol­le­gin­nen und Kollegen,
wir leben in Deutsch­land seit mehr als einem hal­ben Jahr­hun­dert in der fried­lich­sten Pha­se unse­rer Geschich­te. Die Welt ver­än­dert sich rasend schnell und auch das Hand­werk muss sich die­sen Ver­än­de­run­gen und den vie­len poli­ti­schen und wirt­schaft­li­chen Her­aus­for­de­run­gen stellen.

Wenn wir bereit sind, Ver­än­de­run­gen als Chan­ce zu begrei­fen, Her­aus­for­de­run­gen anzu­neh­men und aus Erfah­run­gen zu ler­nen, dann wer­den wir auch in der Zukunft in einem lebens­wer­ten Ober­fran­ken und einem sta­bi­len Deutsch­land leben.

Nicht ver­säu­men möch­te ich, mich bei Ihnen allen für die gute Zusam­men­ar­beit und die Unter­stüt­zung in die­sem Jahr sehr herz­lich zu bedanken.

Vie­len Dank!
Tho­mas Zim­mer, Prä­si­dent der Hand­werks­kam­mer Oberfranken