Uni­ver­si­tät Bay­reuth: DFG-For­schungs­preis für Bay­reu­ther Nachwuchs-Ökologen

Symbolbild Bildung

Öko­sy­ste­me in Ober­fran­ken erin­nern sich: Wie der ‚sau­re Regen‘ neue öko­lo­gi­sche Pro­ble­me verschärft

Nach­wuchs­wis­sen­schaft­ler der Uni­ver­si­tät Bay­reuth erhält den Bernd-Ren­del-Preis der Deut­schen Forschungsgemeinschaft

Andre­as H. Schwei­ger M.Sc., der an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth den Master­stu­di­en­gang ‚Bio­di­ver­si­tät und Öko­lo­gie‘ absol­viert und hier vor kur­zem in der Ökologie/​Biogeografie pro­mo­viert hat, erhält den Bernd-Ren­del-Preis 2016 der Deut­schen For­schungs­ge­mein­schaft (DFG). Die seit 2002 ver­ge­be­ne Aus­zeich­nung rich­tet sich an Nach­wuchs-Geo­wis­sen­schaft­ler, deren For­schungs­ar­bei­ten durch eine beson­ders hohe Qua­li­tät und Ori­gi­na­li­tät her­vor­ra­gen. Andre­as Schwei­ger ist bereits der drit­te Bernd-Ren­del-Preis­trä­ger der Uni­ver­si­tät Bay­reuth. Zusam­men mit dem eben­falls aus­ge­zeich­ne­ten Geo­lo­gen Max Fren­zel von der TU Berg­aka­de­mie Frei­berg wird er den Preis am 28. Sep­tem­ber 2016 im Rah­men der Jah­res­ta­gung der Deut­schen Geo­lo­gi­schen Gesell­schaft – Geo­lo­gi­sche Ver­ei­ni­gung (DGGV) in Inns­bruck entgegennehmen.

In sei­nen For­schungs­ar­bei­ten inter­es­siert sich der Bay­reu­ther Preis­trä­ger für die Fra­ge, wie Öko­sy­ste­me auf Ver­än­de­run­gen reagie­ren, die durch mensch­li­ches Han­deln aus­ge­löst wer­den. Wel­che Spu­ren haben frü­he­re Ein­grif­fe in funk­tio­nie­ren­de Öko­sy­ste­me hin­ter­las­sen? Wel­che Aus­wir­kun­gen sind von heu­ti­gen oder künf­ti­gen Ein­grif­fen zu erwar­ten? Sei­ne Dok­tor­ar­beit zum The­ma Was­ser­quel­len, die von Prof. Dr. Carl Bei­er­kuhn­lein am Lehr­stuhl für Bio­geo­gra­fie betreut wur­de, wid­met sich den Fol­gen einer alar­mie­ren­den Ent­wick­lung, an die sich vie­le Men­schen in Deutsch­land noch gut erinnern.

Nach­hal­ti­ge Aus­wir­kun­gen des „sau­ren Regens“

„Sau­rer Regen“ und „Wald­ster­ben“ – die­se Schlag­wor­te waren zu Beginn der 1980er Jah­re in allen bun­des­deut­schen Medi­en prä­sent und för­der­ten die öffent­li­che Auf­merk­sam­keit für die Fol­gen einer zuneh­men­den Luft- und Was­ser­ver­schmut­zung. Vor allem Wäl­der im Nor­den und Osten Bay­erns lit­ten unter den gro­ßen Men­gen an Stick­stoff- und Schwe­fel­oxi­den, die von Indu­strie­an­la­gen jen­seits des ‚Eiser­nen Vor­hangs‘ in die Atmo­sphä­re aus­ge­sto­ßen wur­den. Infol­ge natio­na­ler und inter­na­tio­na­ler Maß­nah­men zur Luft­rein­hal­tung – ins­be­son­de­re des 2005 in Kraft getre­te­nen Göte­borg-Pro­to­kolls – gelang es, die Schad­stoff­emis­sio­nen in Mit­tel- und Ost­eu­ro­pa deut­lich zu sen­ken. Der Fran­ken­wald und die Wäl­der im Fich­tel­ge­bir­ge schie­nen sich sicht­lich zu erho­len. Doch tat­säch­lich wirkt das öko­lo­gi­sche Desa­ster in die­sen Regio­nen bis heu­te nach, wie Andre­as Schwei­ger in sei­ner Bay­reu­ther Dis­ser­ta­ti­on nach­ge­wie­sen hat. Der Säu­re­ge­halt der Böden ist immer noch deut­lich zu hoch, Mes­sun­gen zei­gen einen viel zu nied­ri­gen pH-Wert an. Der auf Dau­er über­höh­te Säu­re­ge­halt hat zur Fol­ge, dass sich der Nähr­stoff­haus­halt in den Wald­bö­den nach­hal­tig ändert. Zudem set­zen che­mi­sche Reak­tio­nen in den Böden gif­ti­ge Schwer­me­tal­le, vor allem Alu­mi­ni­um, frei. Die­se wer­den von Pflan­zen auf­ge­nom­men und gelan­gen so in die Nahrungsketten.

Neue öko­lo­gi­sche Herausforderungen

Die­se lang­fri­sti­gen Schä­den ver­stär­ken, wie Andre­as Schwei­ger zei­gen konn­te, die Wir­kun­gen aktu­el­ler oder künf­tig zu erwar­ten­der Umwelt­er­eig­nis­se. Hier­zu zäh­len ins­be­son­de­re lang anhal­ten­de Trocken­pe­ri­oden oder der über­mä­ßi­ge Ein­satz von Streu­salz­men­gen im Win­ter. „Die Trocken­heit im Som­mer 2013 ist ein Bei­spiel für Extrem­ereig­nis­se, wie sie im Zuge des Kli­ma­wan­dels vor­aus­sicht­lich häu­fi­ger vor­kom­men wer­den“, erklärt der Bay­reu­ther Öko­lo­ge. „Zu gerin­ge Nie­der­schlä­ge und über­säu­er­te Böden haben auf­grund ihrer Wech­sel­wir­kun­gen dazu geführt, dass sich die Arten­zu­sam­men­set­zung in Quell­ge­bie­ten des Fich­tel­ge­bir­ges und des Fran­ken­walds signi­fi­kant geän­dert hat. Die Ser­vice­lei­stun­gen, die wir Men­schen von kom­ple­xen Öko­sy­ste­men erwar­ten, hän­gen aber davon ab, dass deren Funk­ti­ons­wei­se erhal­ten bleibt; und die­se ist – wie die öko­lo­gi­sche For­schung in den letz­ten Jah­ren nach­ge­wie­sen hat – wesent­lich durch die Arten­zu­sam­men­set­zung bedingt.“

Auch die viel zu hohen Streu­salz­men­gen, die in den Win­ter­mo­na­ten ins Grund­was­ser gelan­gen, wir­ken sich in Kom­bi­na­ti­on mit zu nied­ri­gen pH-Wer­ten in den Böden desa­strös aus: Wich­ti­ge Nähr­stof­fe wer­den dadurch leich­ter aus den Böden aus­ge­wa­schen und der Vege­ta­ti­on ent­zo­gen, wie die Unter­su­chun­gen in nord­ost­baye­ri­schen Wald­ge­bie­ten erga­ben. „Die bis heu­te fort­wir­ken­den Schä­den, die der ‚sau­re Regen‘ vor drei­ßig Jah­ren im Fich­tel­ge­bir­ge und im Fran­ken­wald ange­rich­tet hat, zei­gen bei­spiel­haft, dass das Gedächt­nis kom­ple­xer Öko­sy­ste­me über Jahr­zehn­te aktiv blei­ben kann. Es hat einen erheb­li­chen Ein­fluss dar­auf, wie die­se Syste­me aktu­ell und in Zukunft auf schäd­li­che Ereig­nis­se reagie­ren“, so der preis­ge­krön­te Nachwuchswissenschaftler.

Jahr­zehn­te­lan­ge Mess­rei­hen im Fich­tel­ge­bir­ge und im Frankenwald

Sei­ne For­schungs­er­geb­nis­se sind zu einem gro­ßen Teil aus Unter­su­chun­gen von Was­ser- und Boden­pro­ben her­vor­ge­gan­gen, die aus Sicker- und Sumpf­quel­len im Fran­ken­wald und im Fich­tel­ge­bir­ge stam­men. Für die­se Quel­len ist es cha­rak­te­ri­stisch, dass das Was­ser aus dem Unter­grund an die Ober­flä­che gedrückt wird. Die Quell­ge­bie­te ähneln daher groß­flä­chi­gen Sümp­fen. Oft ent­ste­hen hier durch das flä­chi­ge Aus­tre­ten des Grund­was­sers insel­ar­ti­ge Öko­sy­ste­me, die von ihrer trocke­ne­ren Umge­bung deut­lich abge­grenzt sind.

Seit mehr als 25 Jah­ren unter­sucht der Lehr­stuhl für Bio­geo­gra­fie der Uni­ver­si­tät Bay­reuth die Arten­zu­sam­men­set­zung und das Was­ser sol­cher Quell­ge­bie­te in ober­frän­ki­schen Wäl­dern. „Die Ana­ly­sen von Andre­as Schwei­ger bil­den eine wert­vol­le Ergän­zung die­ser Daten­rei­he. Sie bele­gen ein­drucks­voll, dass die Lang­zeit­fol­gen öko­lo­gi­scher Schä­den nicht zu unter­schät­zen sind und vie­le Jahr­zehn­te spä­ter – in Wech­sel­wir­kung mit neu­en Umwelt- und Kli­ma­fak­to­ren – uner­war­tet zu einer Ver­schär­fung öko­lo­gi­scher Her­aus­for­de­run­gen bei­tra­gen kön­nen“, erklärt Prof. Dr. Carl Beierkuhnlein.

Zur Per­son:
Andre­as H. Schwei­ger wur­de 1984 in Gar­misch-Par­ten­kir­chen gebo­ren. Von 2005 bis 2010 absol­vier­te er den Diplom-Inge­nieur­stu­di­en­gang ‚Umwelt­si­che­rung‘ an der Hoch­schu­le Wei­hen­ste­phan-Tries­dorf. Anschlie­ßend wech­sel­te er an die Uni­ver­si­tät Bay­reuth, wo er 2013 den Master­stu­di­en­gang ‚Bio­di­ver­si­tät und Öko­lo­gie‘ mit einer For­schungs­ar­beit zum Pflan­zen­wachs­tum am Kili­man­dscha­ro erfolg­reich abschloss. Im August 2016 pro­mo­vier­te er an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth mit einer Dis­ser­ta­ti­on zum The­ma „Springs as models to unveil eco­lo­gi­cal dri­vers and respon­ses: Per­spec­ti­ves for eco­sy­stem theo­ry from neglec­ted eco­sy­stems“. Wie die DFG in ihrer Begrün­dung für die dies­jäh­ri­ge Ver­ga­be des Bernd-Ren­del-Prei­ses her­vor­hebt, über­zeug­te Andre­as Schwei­ger die Jury auch durch zahl­rei­che Publi­ka­tio­nen in renom­mier­ten Fach­zeit­schrif­ten und sein Enga­ge­ment beim Welt­kon­gress der Inter­na­tio­nal Bio­geo­gra­phy Socie­ty, der 2015 auf dem Bay­reu­ther Cam­pus stattfand.